Katastrophenschutz im Kreis: Die Zahl neuer Sirenen nimmt ständig zu
Jahrzehntelang wurde dem Katastrophenschutz der Zivilbevölkerung auch im Kreis Altenkirchen immer weniger Bedeutung zugemessen, Sirenen bis auf die, die für Feuerwehren unentbehrlich sind, gingen in Rente. Die Flutkatastrophe im Ahrtal und der Überfall Russlands auf die Ukraine haben für ein Umdenken gesorgt. Im AK-Land wird am Aufbau eines lautstarken Warninstrumentariums gearbeitet.
Kreis Altenkirchen. Schon gegen Mittag machen sich Handwerker an diesem Tag wieder von dannen. Sie lassen eine blaue Hubarbeitsbühne an der Kindertagesstätte in Neitersen zurück und nehmen die Gewissheit mit, ein weiteres Puzzleteil in das Mosaik der Verbesserung des Katastrophenschutzes im Kreis Altenkirchen eingefügt zu haben. Denn auf dem Dach der „Pusteblume“ thront eine neue Sirene. Sie ist ein Bestandteil des Plans, so gut wie jeden Winkel zwischen Willroth und Mudersbach-Niederschelderhütte als auch Ölsen und Emmerzhausen akustisch im Falle eines Falles erreichen zu können, um die Bevölkerung auf Gefahrenlagen aufmerksam zu machen. „Im Endausbau sollen es rund 180 Sirenen werden“, sagt Ralf Schwarzbach, Brand- und Katastrophenschutzbeauftragter (BKI) des Kreises Altenkirchen, der sich vor Ort einen Eindruck von der Montage der rund 60 Kilogramm schweren Einheit mit den acht Hörnern und dem deutlich zu erkennenden Blitzableiter macht. Als Standorte der Signalhupen sind in erster Linie Gebäude auserkoren, die sich in öffentlichem Besitz befinden. Wo dies nicht möglich sei, „werden es Mastsirenen sein“, berichtet Schwarzbach. Grundlage der Verteilung bildet ein Schallgutachten, in dem die einzelnen Standorte aufgelistet werden. Dennoch werden hier und da Lücken aufgezeigt. Vor allem im Wildenburger Land rund um Friesenhagen werde es den einen oder anderen weißen Flecken geben. Aber auch für diese Strukturen ist vorgesorgt. „In jeder der sechs Verbandsgemeinden des Kreises sind jeweils zwei mobile Versionen stationiert, für die die Alarmierungswege genau festgelegt wurden“, skizziert Schwarzbach das Prozedere, wie die Menschen informiert werden, die die Warnungen der stationär montierten Signaldienststellen nicht hören können. Dieses System funktioniert darüber hinaus kreisübergreifend. So können Wehren aus den angrenzenden Kreisen Neuwied und Westerwald auch im Land an Sieg und Wied unterwegs sein wie auch Altenkirchener „Nachbarschaftshilfe“ leisten. Schwarzbach bringt es auf den Punkt: „Wir können uns gegenseitig unterstützen.“ Die Gesamtkosten für die Neuinstallationen liegen bei rund drei Millionen Euro und werden zwischen Kreis und Verbandsgemeinden im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel gestemmt. Zudem gibt es Förderungen von Bund und Land. Bis Ende des Jahres sollen rund 50 neue Sirenen montiert, in den Jahren 2028/29 die Aktion komplett abgeschlossen sein. Der Kreisausschuss hatte zudem einstimmig vor wenigen Wochen den Auftrag zum Bau weiterer 60 fester Anlagen an die Firma Hörmann Warnsysteme GmbH (Stade bzw. Hofheim-Wallau) vergeben, wofür im Gegenzug eine Rechnung über 1.183.523 Euro ausgestellt wird.
Unabhängig vom Stromnetz
Die elektronischen Sirenen der Firma Hörmann, die in der Ausstattung für den Kreis zwischen vier und 16 Hörner aufweisen, bestehen aus einer Aluminiumlegierung, arbeiten unabhängig vom Stromnetz und stellen laut Herstellerangaben einen zeitgemäßen Ersatz für alte Motorsirenen dar. Sie verfügen über ein Solarpaneel inklusive Pufferspeicher und haben eine Stand-by-Zeit von rund einem Monat, seien also „ausfallsicher“, wie Schwarzbach darstellt und ergänzt: „Auch sind Sprachausgaben möglich. Gleichfalls kommunizieren sie es, wenn in ihnen ein Fehler vorliegt, geben also eine Rückmeldung.“ Zudem könnten sie in das „Modulare Warnsystem“ (MoWaS) eingebunden werden. Das ist laut Wikipedia ein vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickeltes System zur Warnung der Bevölkerung in Deutschland für Zivilschutzlagen, „das den Ländern zugleich zur Warnung vor Katastrophen zur Verfügung steht. Mit ihm können Behörden des Bundes und der Länder Warnungen ausgeben, sodass Behörden und Medien die Bevölkerung warnen können. MoWaS ist neben den Dienststellen des BBK in allen Lagezentren der Landesregierungen und deren Redundanzstandorten verfügbar. Darüber hinaus sind 250 webbasierte Zugänge für autorisierte Stellen (Leitstellen, Katastrophenschutzbehörden, Dienststellen) geschaltet“.
Feuerwehren hören schon auf neue Sirenen
Über die bereits installierten neuen Sirenen (15 mit Stand 1. März) werden schon die Feuerwehren in den jeweiligen Ausrückebereichen alarmiert. In ferner Zukunft, so stellt es sich Schwarzbach vor, soll der öffentliche Ruf zu einem Einsatz ganz gestrichen werden und nur noch Melder die Wehrleute auf den Plan rufen. Dass nach Abschluss des Endausbaus einmal alle gleichzeitig ihren Dienst tun müssen, scheint aufgrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine inzwischen nicht mehr ganz undenkbar. Schwarzbach erwartet aber in erster Linie räumlich begrenzte Aktivierungen. Als Auslösegründe beschreibt er beispielsweise Lagen bei Hochwasser, das im Kreis Altenkirchen keinen Seltenheitswert hat, oder Brände in Industrieanlagen, bei denen giftige Rauchgase auf- und austreten können. Wie alle neu montierten Sirenen sich im „Chor“ und mit unter anderem dem klassischen Warnton (eine Minute auf- und abschwellend) anhören, ist womöglich wieder beim bundesweiten Warntag jeweils am zweiten Donnerstag im September (dieses Jahr am 11. September gegen 11 Uhr) möglich. Laut BBK wird am Testtag „eine Probewarnung in Form eines Warntextes an alle am MoWaS des Bundes angeschlossene Warnmultiplikatoren (z. B. Rundfunksender und App-Server) geschickt. Sie versenden die Probewarnung zeitversetzt an Warnmittel wie Fernseher, Radios und Smartphones. Parallel können auf Ebene der Länder, in den teilnehmenden Landkreisen und Kommunen verfügbare kommunale Warnmittel ausgelöst (z. B. Lautsprecherwagen oder Sirenen) werden. Gegen 11.45 Uhr erfolgt eine Entwarnung über die Warnmittel und Endgeräte, über welche zuvor die Warnung versendet wurde“.
Wie ist der Katastrophenschutz organisiert?
Der Brand- und Katastrophenschutz ist Aufgabe der Verbandsgemeinden und des Landkreises und obliegt den jeweiligen Bürgermeistern, dem Landrat bzw. deren Beauftragten. Die Aufgaben werden durch den Brand- und Katastrophenschutzinspekteur, seinen Stellvertreter sowie die Wehrleiter, Stellvertreter etc. zielführend wahrgenommen. Diese werden durch die Experten des Gefahrstoffzuges des Landkreises sowie von diversen Fachberatern, unter anderem Fachberater Chemie, einem Meteorologen sowie von einem Ingenieurbüro aus der Wasserwirtschaft unterstützt. Eine darüber hinausgehende Expertenrunde, die alle denkbaren Katastrophenlagen im Blick haben soll, hält die Kreisverwaltung für nicht zielführend, wie sie in einer Antwort auf eine von der CDU-Fraktion im Altenkirchener Kreistag eingebrachten Anfrage zum Katastrophenschutz darlegt. Für den Bereich Hochwasser/Starkregen bestehen mit den Hochwasserpartnerschaften Mittlere Sieg und Wied-Holzbach kreis- und länderübergreifende Expertengremien mit Vertretern der Behörden (Obere Wasserbehörde, Informations- und Beratungszentrum Hochwasservorsorge RLP, Untere Wasserbehörde, Verbandsgemeinden), Fachberatern, Unternehmen sowie Vertretern diverser Interessenverbände. Der Erfahrungsaustausch findet grundsätzlich jeweils halbjährlich für beide Partnerschaften statt, wie im Herbst 2023 in Neustadt für die Hochwasserpartnerschaft Wied-Holzbach und für die Hochwasserpartnerschaft Mittlere Sieg in Eitorf. (vh)
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