Premiere für VG Altenkirchen-Flammersfeld: Erster Doppel-Wahltag nach der Fusion
Es ist absolutes Neuland: Zum ersten Mal in ihrer noch jungen Geschichte wird in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld so richtig nach allen Regeln der Kunst gewählt. Die Urnengänge für Europa und die kommunale Ebene sind für den 9. Juni angesetzt.
Altenkirchen. Noch bekommt Otto Normalbürger nichts mit von dem Ereignis, das da am 9. Juni, einem Sonntag, auf ihn zukommt. Keine Plakate und keine Werbespots deuten derzeit auf die Europa- und Kommunalwahlen hin. Für die Verbandsgemeinde (VG) Altenkirchen-Flammersfeld stellt das "Double-Feature" eine Premiere dar. Am 1. Januar 2020 die "Ehe" eingegangen, werden zum ersten Mal zwischen Willroth und Helmeroth unter einem Organisationsdach die Stimmzettel ausgefüllt und ausgewertet. Bekanntlich waren die Dienstzeiten der beiden ehemaligen VG-Räte mit Wahl vom 25. Mai 2014 per Fusionsgesetz bis zum 31. Dezember 2019 verlängert worden (eigentlich hätten sie am 26. Mai 2019 geendet), so dass das neue und viel größere Gremium (auch gewählt an eben diesem 26. Mai 2019) zu Jahresbeginn 2020 seine Arbeit aufnehmen konnte, aber nicht die übliche fünfjährige Wahlperiode in Amt und Würden sein kann. "Wir hatten Glück, dass es im Jahr 2021 eine Landtags- am 14. März und eine Bundestagswahl am 26. September gab", schaut Ralf Weingarten, stellvertretender Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung und für Wahlen zuständig, zurück, denn "so haben wir für die Groß-VG üben können, obwohl der Aufwand für diese beiden Abstimmungen doch viel geringer war als es der jetzige ist". Hatte es beim Votum fürs Mainzer Parlament noch ein wenig "gerumpelt, lief es ein gutes halbes Jahr später richtig rund", kramt Weingarten in seinen Erinnerungen.
Seit September 2023 involviert
Erfahrungen hin oder her, die neuerliche Herausforderung wird doch um einiges größer als die beiden "Testläufe". Weingarten, der bereits in der Alt-VG Flammersfeld sich rund 30 Jahre lang mit Wahlen beschäftigte, ist schon seit September des zurückliegenden Jahres mit der Organisation der Mammutaufgabe befasst. Sechs weitere Mitarbeiter sind sporadisch in den Prozess eingebunden, gilt es doch, die Grundlagen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit rund 28.800 Menschen (schwankt täglich dank Zu- und Wegzugs oder Tod) von ihrem verbrieften Recht des vielfachen Ankreuzens Gebrauch machen dürfen. Die Zahl der Stimmzettel, an die einige Anforderungen gestellt werden wie beispielsweise eine erhöhte Opazität (schlechtere Durchsichtigkeit gegenüber Normalpapier, um Kreuzchen nicht durchschimmern zu lassen), wird sich ungefähr 1:1 an der des Wahlvolks orientieren. Nach dem 22. April gehen sie nur wenig später in den Druck. Um 18 Uhr an diesem Tag endet die Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge, die zwischen dem 23. und 29. April geprüft werden. Extra markiert in Weingartens Online-Terminplaner ist der 28. Mai, dem letzten Tag für die unerlässlichen Bekanntmachungen im Mitteilungsblatt. Wahlberechtigt für Europa sind Menschen ab dem 16., für die kommunalen Gremien ab dem 18. Lebensjahr.
Briefwahlanteil bis 70 Prozent?
Immens hoch wird der Personalbedarf am Wahltag sein. Es gilt, 74 Wahlvorstände zu besetzen, so dass fast 500 Helfer in den 67 Ortsgemeinden benötigt werden. Im Rathaus selbst müssen mehr als 50 unterstützende Kräfte ran. "Draußen" zählt in erster Linie der Ehrenamtsgedanke, denn reich werden geht nicht. Die Vergütung beträgt 25 Euro für den gesamten Tag, der Wahlvorsteher erhält 35 Euro. Inwieweit für die Assistenten den lieben, langen Tag überhaupt Arbeit für den Check des Wahlscheins, die Ausgabe der Unterlagen und für das Auf- und Zuschieben des Urnenschlitzes übrig bleibt, muss sich zeigen. Denn das rheinland-pfälzische Innenministerium rechnet mit einem Briefwahlanteil von bis zu 70 Prozent (Auszählung vor Ort), während Weingarten diesen Wert irgendwo von 56 Prozent (Briefwahlanteil 2019) an aufwärts bis zu eben jener Mainzer Marke erwartet. Ausgezählt sollen alle Stimmzettel bis zum Montagnachmittag (10. Juni) sein, Kumulieren und Panaschieren auszuwerten bedingt eben viel Zeit, wobei die Kreisverwaltung sich um die Ergebniserstellung für Europa aus den Briefwahlunterlagen kümmert. Deswegen gibt es zwei unterschiedliche Wahlbriefe, die für die Europawahl an den Kreis und für die Kommunalwahlen an die VG adressiert sind. Die neuen Stadt- und Ortsbürgermeister und mit ihnen ihre neuen Räte werden aus organisatorischen Gründen höchstwahrscheinlich erst nach den Sommerferien loslegen können. Weingarten möchte versuchen, die Präliminarien für den Verbandsgemeinde- und den Stadtrat Altenkirchen (inklusive Stadtbürgermeister) noch vor der sechswöchigen schulfreien Zeit abzuwickeln. Laut Gemeindeordnung muss das bürokratische Prozedere bis maximal acht Wochen nach der Wahl hinter dem Pflug liegen, also am 9. August. Das Innenministerium lasse aber zu, die Zeitspanne zu verlängern, erläutert Weingarten. Auf keinem Abstimmungszettel taucht der Name Fred Jüngerich auf. Die Bürgermeister der VG, im Hauptamt unterwegs, wird alle acht Jahre bestimmt. Seine Amtszeit, die am 1. Januar 2020 als Kopf der großen VG begann, endet am 31. Dezember 2027.
Probleme, Kandidaten aufzustellen
So weit, so gut: Selbst die allerbeste Vorbereitung führt nicht zwingend dazu, dass es in jeder der 67 Ortsgemeinden ausreichend Kandidaten für den Posten des Ortsbürgermeisters und für den Gemeinderat gibt. Weingarten erwartet eine mittlere einstellige Zahl, die jeweils für die Bemerkung "Fehlanzeige" mit Blickrichtung Bewerber für den Sessel des Ortsoberhauptes steht. Mit Stand vom 22. März sind im Rathaus 23 Ortsgemeinden notiert, in denen die aktuellen Bürgermeister nicht mehr antreten (von bislang nur 51, die darlegt haben, was Sache ist). Die Gründe sind vielfältig, warum dieses Ehrenamt nicht mehr so begehrt ist. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind dank schwächelnder Finanzausstattung bescheiden, die fortschreitende Digitalisierung fordert gleichfalls ihren Tribut. Und da ist ja noch dank sozialer Medien der Umstand, dass ein Bürgermeister von vielen Seiten attackiert wird, ihm Hass und Hetze entgegenschlagen. Selbst tätliche Angriffe gehören inzwischen "zum guten Ton". Weingarten formuliert es so: "Bürgermeister und Ratsmitglieder sitzen zwischen allen Stühlen, zwischen Einwohnerschaft und Zwängen, die ihnen vorgeben sind." Zudem weiß er ebenfalls, dass es in kleinen Ortsgemeinden leichter fällt, Frauen und Männer zu bewegen, sich für eine Liste nominieren zu lassen. "Je größer die Ortsgemeinde, desto schwieriger wird, weil es auch anonymer ist. Manchmal hilft halt nur Klinken putzen", meint Weingarten, dem als "altem Hasen" die Arbeit rund um die Organisation der Wahlen nach wie vor Spaß macht, zumal für ihn der Dienstleistungsgedanke eine tragende Rolle spielt. "Jede der 67 Ortsgemeinden hat ihren eigenen Informationsbedarf, jede hat einen unterschiedlichen Kenntnisstand. Wir nehmen uns die Zeit für Beratung und Schulung, für die Beantwortung von Fragen, dauert es eine halbe oder gar zwei Stunden", merkt er an. Gerade das sei es, dass es für ihn so interessant mache. Wenn dann die Zeit des vermehrten "Adrenalinausstoßes" am Tag "X" gekommen ist, „ich aber hoffentlich keine Schweißperlchen auf der Stirn habe", weiß er einen weiteren, sehr erfahrenen „Wahlorganisator“ an seiner Seite. Lothar Walkenbach, seit geraumer Zeit im Ruhestand und über viele Jahre hinweg in der Alt-VG Altenkirchen „Mister Abstimmung“, steht in der heißen Phase als große Hilfe und expliziter Kenner der Materie an der Seite Weingartens, der betont, "dass wir auf einer Wellenlänge sind". Wie sagt ein bekanntes Sprichwort so schön: Doppelt genäht hält eben besser. (vh)
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