Geplante B-8-Ortsumgehungen: Jüngerich betont erneut kommunale Ablehnung
Die geplanten Ortsumgehungen entlang der B 8 westlich von Altenkirchen sind nicht Jedermanns Ding: Der klaren Aussage von Verkehrsstaatssekretär Andy Becht pro Verwirklichung der drei Projekte folgte prompt die Erneuerung der Ablehnung, die Fred Jüngerich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld federführend vortrug.
Werkhausen. Die überregionale Politik befürwortet sie, die kommunale nicht: Hatte Andy Becht (FDP) als Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, vor wenigen Tagen bei einem Politikgespräch unter dem Titel „Mobilität und Verkehrsinfrastruktur im Landkreis Altenkirchen“ deutlich gemacht, dass die drei geplanten Ortsumgehungen entlang der B 8 bei Helmenzen, Weyerbusch und Kircheib ohne Wenn und Aber gebaut würden, ließ die Vor-Ort-Reaktion nicht lange auf sich warten. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, Fred Jüngerich, erneuerte im Beisein mehrerer Ortsbürgermeister bei einem Ortstermin in der Nähe von Werkhausen am Dienstagvormittag (23. April), warum die drei Mammutprojekte nicht willkommen sind. Zudem stärkte er der „Bürgerinitiative (BI) gegen Ortsumgehungen B 8“ den Rücken, wobei die Argumente gegen die Umfahrungen, alle im aktuellen Bundesverkehrswegeplan mit dem Attribut „vordringlicher Bedarf“ gekennzeichnet, hinlänglich bekannt sind wie großflächige Versiegelung und Flächenfraß, Zerstörung der schönen Natur, Gefährdung von Flora und Fauna, Bedrohung der Landwirtschaft, Einbußen an Lebensqualität oder enorme Kosten. „Die BI hat nicht bloß gegen den Bau der Ortsumgehungen, die circa 150 Hektar Fläche aufzehren würden und auf einer Strecke von 17 Kilometern keine fünf Minuten Zeitersparnis einbringen, demonstriert, sondern sie zeigt Alternativen auf, die mit Blick auf Nachhaltigkeit wie Natur- und Landschaftsschutz, Belange der Landwirtschaft wie Produktionsflächen und innerörtliche Verkehrsbelastung besser in die heutige Zeit passen, als die veralteten Ausbaupläne aus den 1990er-Jahren“, sagte Jüngerich. Die aufgezeigten Alternativlösungen würden von der Mehrheit der Bevölkerung getragen. Die Aussage Bechts „Wir brauchen weiter Straßenbau“ sei ihm zu pauschal. Gleiches gelte für die Prognose, dass der Kraftfahrzeugverkehr in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen werde. „Vor dem Hintergrund der Prophezeiungen von heute sind sowohl Bundes- und Landespolitik, aber auch die Wirtschaft selbst gefordert, sich ernsthaft Gedanken über Verkehrsreduzierung wie beispielsweise die Verlagerung auf die Schiene zu machen, anstatt lapidar permanent den Bau neuer Straßen einzufordern. Die Auswirkungen des Klimawandels sollten heute eigentlich niemandem mehr verborgen sein; Versiegelungen eines solchen Ausmaßes lösen diese Probleme jedenfalls nicht“, fügte Jüngerich an.
Kommunale Familie: Ablehnende Position
Die kommunale Familie wie die Stadt Altenkirchen und unter anderem auch die direkt betroffenen Ortsgemeinden Helmenzen, Weyerbusch und Kircheib habe mehrheitlich jeweils eine ablehnende Position bezogen. Der Verbandsgemeinderat habe sich im Oktober 2023 bei einer Nein-Stimme und einer Enthaltung mehrheitlich dafür ausgesprochen, anstelle des Baus Alternativmaßnahmen umzusetzen wie den dreispurigen Ausbau der bestehenden Trasse an weiteren Stellen, den Bau einer neuen Verbindungsstraße zwischen der neu gestalteten Kurve in Hasselbach und entlang der Ortslage Weyerbusch bis hin zur L 276 Richtung Flammersfeld, um den aus Richtung Flammersfeld kommenden Verkehr weitestgehend aus der Ortslage Weyerbusch herauszuhalten, und weitere Verbesserungen im Bestand (Ausbau von Fuß- und Radwegen, Errichtung weiterer Kreisverkehrsanlagen oder Einrichtung stationärer Geschwindigkeitskontrollen in den Ortschaften). Diese und weitere „Abhilfen“ schlägt die BI beinahe seit ihrer Gründung vor. „Es freut mich, dass auch der Kreistag auf Antrag der Fraktion ,Bündnis 90/Die Grünen’ in seiner jüngsten Sitzung den einhelligen Voten der Ortsgemeinderäte und des Verbandsgemeinderates gefolgt ist, wenn auch mit der Einschränkung, dass der Bau der Umgehungsstraßen noch nicht ganz vom Tisch ist, dass aber sehr wohl die von der Bürgerinitiative aufgezeigten Alternativvorschläge vorrangig vom Bundesverkehrsministerium geprüft werden sollen“, machte Jüngerich weiterhin deutlich. Die Einberufung eines runden Tischen mit allen Beteiligten habe Landrat Dr. Peter Enders für nach den Sommerferien angeregt.
Vernunft sollte stets Oberhand behalten
Der Bundesverkehrsminister werde nunmehr von der gesamten kommunalpolitischen Ebene im Landkreis Altenkirchen aufgefordert, die benannten Alternativen gründlich und bevorzugt zu prüfen sowie die Planungen zu den B-8-Umgehungen im Bundesverkehrswegeplan entsprechend anzupassen. „Insoweit nehme ich auch die Abgeordneten auf Bundes- und Landesebene, ungeachtet deren politischer Couleur, in die Pflicht, die doch gewiss des Volkes Meinung vertreten wollen. Die Vernunft sollte stets die Oberhand über parteipolitische Erfolge behalten“, appellierte Jüngerich, der sich nicht grundsätzlich gegen Ortsumgehungen positionierte: „Sie können auch heute noch durchaus zeitgemäß sein, beispielsweise eine Umgehung um die Ortslage von Willroth, die täglich von rund 16.000 Kraftfahrzeugen passiert wird und die durch die Nähe zur Bundesautobahn A 3 arg gebeutelt ist. Die Autobahn ist hinsichtlich der guten Anbindung zum Industriegebiet ein Segen, für die Bürger von Willroth aber auch ein Fluch. Auf einer Strecke von etwa 1,5 Kilometern würde eine Ortsumgehung Sinn machen, und sie ist mit Blick auf Umfang und Art der Fläche, die hierfür in Anspruch genommen werden muss, gewiss auch vertretbar.“ Mit Rückkehr zur B-8-Diskussion resümierte Jüngerich: „Die Meinung der Leute, die vor Ort leben, müsste mehr ins Gewicht fallen.“ Er erwarte von Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine Anpassung des Bundesverkehrswegeplans, weil die Zielvorstellung nicht mehr der Zeit entspreche, und forderte: „Die Planungen aus den 1990er-Jahren müssen auf die aktuellen Erfordernisse abgestimmt werden.“
Verkehrsberuhigende Lösungen für Weyerbusch
Weyerbuschs Ortsbürgermeister Dietmar Winhold meinte per Schwenk auf die Hauptverkehrsader in seiner Gemeinde, die Kölner und Frankfurter Straße (B 8): „Die Verkehrsbelastung für Menschen, die an solchen Straßen leben, ist hoch.“ Der Ortsgemeinderat sei nicht für die Umgehung gewesen, weil in Uckerath nichts passiere. Grundsätzlich brauche Weyerbusch verkehrsberuhigende Lösungen, „der neue Kreisverkehr ist eine erste“, ergänzte er, hielt jedoch wenig von der ins Spiel gebrachten Verlegung der L 276 aus der Ortsmitte an die Peripherie, weil eine solche Variante kaum Entlastung bringe. Winholds Kollege aus Rettersen, Nobert Anhalt, bezeichnete das „Nadelöhr Uckerath als störend“. Ähnlich äußerte sich Mario Müller, der Birnbacher Ortsbürgermeister: „Ohne Uckerath-Lösung ist alles andere wenig sinnvoll.“ Guido Barth, Ortsvorsteher von Hilkhausen, stellte fest, dass der avisierte runde Tisch viel früher hätte organisiert werden können. Werkhausens Otmar Orfgen war besorgt ob der geplanten Trasse: „Wir zerstören schon sehr viel. Wir werden mit aller Kraft Weyerbusch bei möglichen Maßnahmen unterstützen.“ Hans-Jürgen Staats, Ortschef in Hasselbach, freute ich im Nachhinein über den Ausbau der „Eierkurve“. Dieser habe der Gemeinde eine „ganz komfortable Bushaltestelle“ beschert. Für eine Änderung der Streckenführung im Bereich der Doppelkurve in Helmenzen-Oberölfen sprach sich Klaus Schneider als Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde aus und erinnerte, dass sich Anwohner der B 8 mit dem Leben an der vielbefahrenen Straße arrangiert hätten – auch, weil zum Beispiel Schallschutzfenster eingebaut worden seien.
Der LBM hat die Legitimation
Lutz Nink, stellvertretender Geschäftsführer des Landesbetriebs Mobilität (LBM) in Koblenz und viele Jahre zuvor LBM-Chef in Diez, hatte während des Politikgesprächs im Wissener Walzwerk dargelegt: „Der Bundesverkehrswegeplan liefert die Legitimation, der LBM hat den Auftrag, die Projekte planerisch anzugehen.“ Ganz stark für die Verwirklichung dieser drei Projekte setzt sich die Kampagne „Anschluss Zukunft“ seit ihrer Gründung im Jahr 2012 ein. Sie möchte eine bessere Anbindung der Region Westerwald-Sieg via B 8, B 414 und B 62 zwischen den Autobahnen A 3 und A 45 an die benachbarten Metropolregionen erreichen. Denn zu lange Transport- und Fahrzeiten auf schlechter Straßeninfrastruktur seien ein Standortnachteil für Bürger und Unternehmen, argumentiert die Initiative, die ein Zusammenschluss von mehr als 70 Unternehmen ist. Über einen Umsetzungszeitraum der drei Überlegungen hatte Nink keine Angaben gemacht. Einige Projekte würden nur zehn Jahre dauern, andere wiederum 30 Jahre. Derzeit würden die Umweltverträglichkeitsstudien erstellt. Der LBM stoße bisweilen an seine Grenzen, da die Planungskapazitäten nicht ausreichten, sprich Fachkräfte fehlten, und Aufträge teils an Büros der freien Wirtschaft vergeben werden müssten, die jedoch ebenfalls über Personalmangel klagten. „Geld ist nicht das erste Problem. Millionen wurden schon verbaut. Wir haben kein Finanzierungsproblem“, berichtete Becht. Was aber würden die drei Umfahrungen im AK-Land nutzen, wenn dem Nadelöhr in Hennef-Uckerath nicht abgeholfen wird? Derzeit scheint jenseits der Landesgrenze in Nordrhein-Westfalen wenig Wille zu bestehen, Änderungen in die Wege zu leiten. (vh)
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