Alte Gehöfte als Wohnhaus: Die wichtigsten Key Facts
RATGEBER | Wer sich für das Leben in ländlichen Altbauten interessiert, kommt früher oder später nicht am Bauernhof vorbei. Doch auf welche Realitäten muss man sich bei diesen Gebäuden häufig einstellen?
Bekannte YouTuber machen es. Dazu Schauspieler und Musiker, Politiker und nicht zuletzt Menschen, die es mit dem Thema Selbstversorgung richtig ernst meinen. Die Rede ist vom Kauf eines alten Bauernhofs. Nicht, um dort der gewerblichen, hauptberuflichen Landwirtschaft zu frönen, sondern um meist weitab vom Trubel der modernen Welt in einem Stück Geschichte leben zu können.
Fraglos können solche Gehöfte nicht nur in ausgesprochenen Altbau-Romantikern so manche Saite zum Schwingen bringen. Allerdings muss man gerade ein solches Thema mit einem nüchternen Blick betrachten. Wir listen deshalb wichtige Facts zu dieser Gebäudeklasse und dem Leben darin.
Die Baustile unterliegen einer enormen Regionalität
Noch bis circa Mitte des 20. Jahrhunderts gab es in Europa äußerst dominante, regional sehr unterschiedliche Baustile. Schon die extreme Vielfalt der Fachwerkstile zeigt das überdeutlich. Bauernhöfe sind hiervon nicht ausgenommen. Bei ihnen wird regional zudem neben den Baumaterialien unterschieden, in welchem räumlichen Zusammenhang Wohn- und Wirtschaftsgebäude zueinander stehen. Ganz grob muss man hierzulande folgende Typen unterscheiden:
• Eindachhof: Ein großes Gebäude, das alle landwirtschaftlichen Räumlichkeiten unter einem gemeinsamen Dach beherbergt.
• Zweiseithof: Er bildet von oben gesehen ein „L“, aus zwei Bauten, wobei Wohn- und Wirtschaftsräume nicht zwingend nur in jeweils einem der Gebäude liegen müssen.
• Dreiseithof: Eine meist rechteckige Anordnung mit seitlich liegendem Wohngebäude, Scheune/Stall/Tenne im hinteren Bau und einem Altenteil für den Altbauern auf der anderen Seite.
• Vierseithof: Ein rundherum von Gebäuden oder zumindest Mauerteilen umschlossener Bauernhof.
Bloß: Regional betrachtet sind nicht alle diese Typen gleichermaßen verbreitet. Der Eindachhof etwa findet sich primär nur nördlich des niederrheinisch-westfälischen Raumes sowie im Schwarzwald und generell am Alpenrand. Der Dreiseithof dagegen ist nur selten einzeln stehend zu finden, sondern liegt eher in Dörfern.
Bedeutet, das persönliche Traum-Gehöft muss nicht automatisch irgendwo in der Nähe des bisherigen Wohn- und Arbeitsortes liegen. Wenn dieser Ort nicht sehr flexibel gewählt werden kann, dann ist eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Hof-Arten unumgänglich. Wer etwa sein Glück in einem aus Fachwerk und Ziegelsteinen errichteten Hallenhaus-Eindachhof sucht, der wird einfach nur zwischen Niederrhein und Mecklenburg-Vorpommern fündig werden. Nicht etwa im südlichen Hessen oder in Württemberg.
Die Praxistauglichkeit ist unübertroffen
Die meisten Interessenten für alte Bauernhöfe möchten diese – wenn überhaupt – nur insofern gemäß ihrem ursprünglichen Zweck nutzen, wie es für die Eigenversorgung mit Gemüse und Co. nötig ist. Und selbst das ist nur dort möglich, wo der Hof direkt an die dazugehörigen Felder grenzt und überdies noch welche besitzt. Bei dörflich gelegenen Gehöften gibt es oft keine direkt zum Grundstück gehörenden Grünflächen.
Aber: Bauernhöfe gehören zu den wenigen Gebäuden, die explizit mit einer Mischnutzung aus Wohnen und Arbeiten konzipiert wurden. Was die Praxistauglichkeit anbelangt, gibt es vielfach nichts Besseres. Dies manifestiert sich in Punkten wie:
• Die Lage der Räume, Türen, Fenster usw. hinsichtlich ihrer (ursprünglichen) Verwendung und der nötigen Arbeitsabläufe von Land- und Hauswirtschaft.
• Das Ermöglichen einer echten Wohngemeinschaft bzw. eines Mehrgenerationenwohnens.
• Das Platzangebot – nicht nur, wenn ursprüngliche Wirtschafts- zu Wohngebäuden umgestaltet werden.
Alles in solchen Gehöften ist auf Effizienz und Nutzwert getrimmt. Selbst, wer dort wirklich nur wohnen will, wird das spüren, sofern er die Nutzungskonzepte der Räume nicht völlig ändert.
Sanierungen sind meist unumgänglich – und teuer
Viele alte Gehöfte wurden oft von Generation zu Generation weitergereicht. Dadurch wurden sie immer wieder verändert und erweitert. Das muss Interessenten klar sein: Wer nicht gerade ein kernsaniertes Objekt erwirbt, der findet hier oftmals ein Sammelsurium an Zu- und Anbauten, nachträglichen errichteten Wänden, zugemauerten Fenstern und Ähnlichem – nicht immer in einer einheitlichen Stilistik, sondern viel pragmatischer. Es war ja schließlich einst ein landwirtschaftlicher Betrieb.
Das allein kann es nötig machen, für mehr optische Harmonie alles aneinander anzugleichen. Hinzu kommen gerade in Stallungen und ähnlichen Nutztiergebäuden noch deren Ausscheidungen: Dadurch sind Böden und Mauerwerk oftmals stark mit echtem Salpeter und Nitraten getränkt. Das bedarf spezieller Behandlungen, weil sonst durch (Luft-)Feuchtigkeit diverse Ammoniumverbindungen entstehen können – wodurch ein typischer „Stallgeruch“ unvermeidbar ist. Das kann im Extremfall bei jedem Wetterwechsel zu riechen sein.
Hinzu kommt naturgemäß noch das Thema Energetik. Viele Gehöfte haben recht große Wohnflächen, wodurch eine Sanierung aus Effizienzgründen dringend nötig ist. Gleichsam macht diese große Fläche die Arbeiten oftmals deutlich teurer als bei reinen Wohn-Altbauten. Das gilt besonders dann, wenn vorherige Wirtschaftsgebäude in Wohnraum umgewandelt werden sollen.
Einfach gesprochen: Diese Sonderform des Altbaus muss man sich tatsächlich „leisten können“. Allerdings sei angemerkt, dass diese Arbeiten mitunter durch Denkmalbehörden bezuschusst werden.
Viele Objekte sind nur noch Resthöfe
Für manchen Romantiker ist ein solcher Bauernhof automatisch von tausenden Quadratmetern Weide und Ackerland umgeben. Und es gibt durchaus Gehöfte auf dem Markt, die diesem Idealzustand entsprechen. Deutlich häufiger handelt es sich jedoch um sogenannte Resthöfe. Im Prinzip also nur der Hof selbst ohne jegliche Felder. Das hat zwei Gründe:
• Vor allem historisch war Deutschland in erbrechtlicher Hinsicht zweigeteilt. Südlich einer Linie von circa Aachen bis Erfurt praktizierte man Realteilung. Jeder Erbe bekam einen gleich großen Anteil des Hofes. Dadurch wurden die Felder mit jeder Generation kleiner. Nur nördlich davon wurde das Anerbenrecht praktiziert: Der gesamte Hof geht dabei an einen Erben, meist den Erstgeborenen.
• Bereits seit der Industrialisierung sinkt die Anzahl von Landwirten, wie die Leistungsfähigkeit pro Betrieb steigt.
Als Faustregel benötigt ein landwirtschaftlicher Betrieb mindestens 75 Hektar Land, um sich rentabel betreiben zu lassen. Sehr viele heute angebotene Gehöfte verloren daher schon vor teilweise Jahrzehnten ihre landwirtschaftlichen Flächen durch Verkauf oder zu große Zerstückelung aufgrund der seit Generationen praktizierten Realteilung.
Bedeutet, wer sich einen Hof kaufen will, um dort zumindest sich und seine Familie selbstversorgen zu können, findet auf dem Markt eine nochmals reduzierte Auswahl vor – oder muss die Flächen für gutes Geld kaufen bzw. pachten.
Es geht meistens wirklich ländlich zu – mit allen Vor- und Nachteilen
Ein gewisser Teil heute noch existierender Alt-Bauernhöfe liegt in Dörfern, die sich mit den Jahrzehnten zu Kleinstädten entwickelt haben – etwa durch ihre Nähe zu größeren Städten oder eine optimale Verkehrsanbindung.
Deutlich häufiger sieht es jedoch folgendermaßen aus: Was sich über teilweise Jahrhunderte in architektonischer Hinsicht bis heute als vollwertiger Hof erhalten konnte, tat es oft deshalb, weil die Umgebung niemals sonderlich prosperierte, um etwa einen Abriss zu rechtfertigen, um auf dem Grundstück modernere Gebäude mit mehr Wohnfläche errichten zu können. Ausnahmen bestätigen diese Regel.
In der Praxis bedeutet das eines: Wer in einem wirklich alten Bauernhof leben möchte, der wird sich in vielen Ecken der ganzen Republik damit abfinden müssen, wirklich ländlich zu wohnen. Ohne Auto geht oftmals nichts und selbst dann ist der nächste Supermarkt keine wenigen Minuten Fahrzeit entfernt, sondern bedingt eine kleine Reise von einer halben Stunde und mehr.
Zugegeben, viele, die sich für solche Häuser interessieren, suchen gerade diese ländliche Einsamkeit. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen Menschen ihren Traum-Hof nach relativ kurzer Zeit abermals auf den Markt bringen, weil sie alle mit der Einsamkeit verbundenen Realitäten unterschätzt hatten:
• Arbeit bzw. Pendeln.
• Nötige strategische Planung aller Einkäufe.
• Geringe mögliche Spontaneität.
• Kinderbetreuung und Schule.
Zu all dem kommt in vielen Dörfern eine vergleichsweise alte Bevölkerung hinzu. Einiges hat sich durch das kleine Revival des Landlebens seit der Pandemie (primär aufgrund der Etablierung von Distanzarbeit) zwar verbessert, aber dennoch bleibt es in vielen Orten eine Realität: Bauernhofleben bedeutet ein ruhiges ländliches Leben der weiten Distanzen – nicht nur in echten Aussiedlerhöfen ohne jegliche Nachbarn.
Die Gebäude stecken oftmals voller „Schätze“
Nein, mit diesem Begriff sind keine Schatztruhen gemeint – wenngleich die Truhe selbst durchaus vertreten sein könnte. Tatsache ist: Viele Landwirte sind (und vor allem waren früher) äußerst sparsame Leute, die etwas nur dann ersetzen, wenn es sich wirklich nicht mehr reparieren lässt.
Selbst, wenn Neues angeschafft wird, verbleibt das Alte oftmals irgendwo auf dem Hof – es könnte ja erneut benötigt werden. Wer einen Hof erwirbt, dessen landwirtschaftliche Geschichte nicht schon vor Jahrzehnten endete und der seitdem viele andere Besitzer sah, der wird das oftmals spüren.
Wir sprechen von aus heutiger Sicht kostbaren alten Möbeln, die irgendwo eingelagert sind. Historische landwirtschaftliche Werkzeuge. Wunderbar gealtertes Bauholz und alle möglichen anderen Dinge, die man selbst in unserem Shop nur mit etwas Glück und für kurze Zeit bekommt oder auf dem Flohmarkt teilweise jahrelang suchen muss.
Natürlich kommt es auf den Besitzer an, ob solche Dinge für ihn wirklich ein Schatz sind, den es zu bergen und aufzuarbeiten lohnt. Im Zweifelsfall wird sich jedoch immer ein anderer Interessent finden, der bereit ist, solche echten historischen Stücke gut zu bezahlen. (prm)