Altenkirchener Kultursalon: Wenn die Erinnerung an Leonard Cohen präsent wird
Er ist beinahe schon acht Jahre tot. Seine Lieder aber leben fort. Leonard Cohen, der kanadische Singer-Songwriter und nebenbei Dichter, Maler und Schriftsteller, hat Songs hinterlassen, die noch immer berühren. Sie drehen sich um alltägliche Dinge wie Freundschaft, den Sinn des Lebens oder auch Liebe. Cohen starb im Alter von 82 Jahren 2016 in Los Angeles.
Altenkirchen. Auf der überdimensionalen Leinwand im Bühnenhintergrund des Altenkirchener Kultursalons ist er zunächst von hinten zu sehen, wie er über einen Steg in die Ferne zu entschwinden scheint. Der lange Mantel und der obligatorische Hut lassen die einem Scherenschnitt nahe kommende Animation verdeutlichen: Das ist Leonard Cohen. Mit dem Namen verknüpft werden unzählige Lieder aus den 1960er- bis 2010er-Jahren, die Generationen liebten und immer noch lieben, die vielfach melancholisch angehaucht sind. Oft dreht es sich um Fragen der Freundschaft, den Sinn des Daseins, um Liebe, Spiritualität und Tod. Cohens Werk stellt einen Querschnitt durch das Leben dar – mit all seinen Höhen und Tiefen, Problemen und Herausforderungen. Es ist nicht unbedingt leichte Kost, die der am 7. November 2016 verstorbene Kanadier der Welt hinterlassen hat, an der sich die „Leonard Cohen Tribute Band“ in zahlenmäßig großer Besetzung am Samstagabend (15. Juni) versucht. Um es vorweg zu nehmen: Es wird gelingen! Die Formation aus den Niederlanden, eher selten auf deutschen Bühnen zu sehen und zu hören, wie der Blick in den Terminplan auf deren Homepage zeigt, weckt mit ihren teils leicht abgewandelten Interpretationen des Nachlasses des gefühlstechnisch oft zerrissenen Menschen Erinnerungen an die Zeit, als Cohens Musik noch auf schwarzen Vinylscheiben verewigt worden ist. Na klar, viele nennen die Langspielplatte „Songs von Leonard Cohen“ mit dem schwarz umrandeten Konterfei des Künstlers vielleicht immer noch ihr Eigen. „Suzanne“ oder „So long, Marianne“ sind nach wie vor en vogue. Und Frontmann Harrie von Hoof, stilecht ausgestattet mit schwarzem Anzug und Hut sowie einer leicht zum Reibeisen neigenden Stimme, bezeichnet die eher anklagende Darstellung der Trennung Cohens von der Norwegerin Ihlen, oftmals als Cohens Muse bezeichnet, als das „schönste Lied“ des Protagonisten überhaupt, der die gemeinsame Zeit der beiden unter anderem auf der griechischen Insel Hydra wohl nie als beendet angesehen hat. Die (unsteten) Beziehungen zu Frauen zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Nie verheiratet, wird Cohen mit der Kalifornierin Suzanne Elrod Vater zweier Kinder. Adam Cohen (geboren 1972) ist ebenfalls Musiker. Die nach dem spanischen Lyriker und Dramatiker Federico Garcia Lorca (1898 - 1936) benannte Tochter Lorca Cohen (geboren 1974) begleitet ihren Vater zwischen 2008 und 2010 hin und wieder als Fotografin und Filmerin auf Tourneen.
Nur eine platonische Beziehung
Nicht nur Marianne Ihlen, die im Jahr 2016 wenige Monate vor dem Liedermacher stirbt, widmet Cohen einen Song, auch „Suzanne“ (Verdal/geboren 1944) scheint er verfallen und wird musikalisch verewigt. Sie berichtet im Nachhinein von einer rein platonischen und nur kurzzeitigen Beziehung, Cohen lässt zunächst in einem Gedicht und dann vertonten Version die gemeinsame Zeit Revue passieren, in der Verdal oft Tee mit Organgenschalen („And she feeds you tea and oranges“) serviert. Parallel ist er jedoch nach wie vor mit Ihlen verbandelt. Noch einmal mehr befasst sich Cohen mit einem Konflikt in seiner Seele. „Lover, lover, lover, come back to me“ beschreibt die Sehnsucht nach Liebe, die Hoffnung auf Rückkehr eines ehemaligen Zustandes mit einer neuerlichen Chance. Die Trennung von Ihlen scheint auch Jahre später noch immer nicht verarbeitet. In „I’m your man“ bietet sich Cohen einer verflossenen Liebe womöglich erneut an („If you want a lover I'll do anything you ask me to“). Das Lied ist zugleich der Opener vor überschaubarem Publikum und verdeutlicht, dass van Hoof und seine Crew - in abgewandelter Bedeutung - den Abend für das Publikum bestreiten wollen, in „familiärer Atmosphäre“, wie es Helmut Nöllgen als Geschäftsführer des Kultur-/Jugendkulturbüros Haus Felsenkeller und Gastgeber des Kultursalons im „Burg-Wächter Matchpoint“ auf der Glockenspitze beschreibt. Wie schwer sich der Kanadier manchmal tut, einen Song niederzuschreiben, dafür zitiert van Hoof aus einem Gespräch zwischen Cohen und Bob Dylan im Jahr 1988 in einem Pariser Hotel, in dem beide auf einen Auftritt bei einem Festival warten. Wie lange er denn für die Verwirklichung eines Liedes benötige, will Cohen wissen, 15 Minuten, entgegnet der US-Amerikaner, worauf der Fragesteller mit Blick auf „Hallelujah“ acht Jahre ins Spiel bringt. Andere Quellen wiederum behaupten, es seien sogar zehn gewesen. Die lange Schaffenszeit lohnt sich. Die Hymne wird bis heute oftmals gecovert. Welches die schönste Version ist, diese Wertung bleibt den Ohren der Zuhörenden vorbehalten.
Bilder untermauern Cohens Zerrissenheit
Die hervorragend dargebotenen Songs flankiert eine Bildershow auf der Projektionsfläche. Hin und wieder von Originalaufnahmen aus dem Lebens Cohens unterbrochen, stammen sie alle von Backgroundsängerin Lizet van Beek – und lehnen sich zum Teil an die an, die Cohen verantwortet. Sie kommen abstrakt und bedrückend daher, verlieren sich in Melancholie, unbeantworteten Fragen und sorgenvollen Gesichtsausdrücken, ähnlich wie in Cohens Liedern, in denen er seine Zerrissenheit oftmals ausdrückt. Neben van Beek unterstützt auch Annemiek van Eeten mit ihrem Gesang den Auftritt. Eine Klasse für sich ist Marulka Gijsen, die mit der Violine glänzt. Pieter van der Klein am Saxofon, Laetitia von Krieken (Keyboard, Akkordeon und Gesang), Howard Maas (elektrische Gitarre), Toon Verberne (Schlagzeug) und Frans Verouden (Bass und Gesang) sorgen mit einem tollen Zusammenspiel für einen astreinen Klang, während van Hoof hin und wieder mit der Gitarre die Stücke zusätzlich begleitet: belohnt mit im Stehen dargebotenem Applaus. (vh)
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