Kultursalon Altenkirchen: Marley’s Ghost erweisen der Reggae-Ikone alle Ehre
Was wäre aus der Reggae-Musik ohne Bob Marley geworden? Gewiss nicht ein weltumspannender Sound! Auch über 40 Jahre nach dem Tod des Jamaikaners sind dessen Songs immer noch in so vielen Ohren allgegenwärtig. Und Tribute Bands helfen, die Erinnerungen an den Bandleader und dessen Werke weiterhin lebendig zu halten.
Altenkirchen. Halten wir es einmal (abgewandelt) mit Goethe: „Die Geister, die ich rief…“ oder muss es besser heißen: „Den Geist, den ich rief …“? Eigentlich egal, ob Ein- oder Mehrzahl spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn er (belassen wir es beim Singular) gibt sich ein Stelldichein für gut zweieinhalb Stunden im Altenkirchener Kultursalon, sorgt dafür, dass das Hier und jetzt getauscht wird mit den 1970er-Jahren, als Musik, „made in Jamaica“, weltweit ihre Anerkennung findet. Die Tribute-Band Marley’s Ghost erinnert am Samstagabend (29. Juni) an den großen Bob Marley, der dem Reggae endgültig zum anerkannten Durchbruch rund um den Globus verholfen hat. Und wie das Quintett es tut! Wäre nicht das Wissen um den Tod des Protagonisten im Jahr 1981, interpretiert der charismatische Frontmann und Sänger Sebastian Sturm (Guitar) mit seiner unverwechselbaren Stimme den „Nachlass“ des Mannes von der Karibik-Insel beinahe zum Verwechseln ähnlich. Kurzum: mitreißend und voller Energie. Ob in „Exodus“, „Jammin’“ oder „I shot the Sheriff“ – die gesangliche Differenz zum Original ist minimal, ganz zu schweigen von der Leidenschaft und der damit verbundenen Ausdrucksstärke. Zu der klasse Performance steuern natürlich auch Matt Sonnicksen (Leadguitar, Background vocals), „Kunstturner“ Joonas Lorenz (Keyboards, Orgel, Background vocals), der allerhand Beweglichkeit an seinen Gerätschaften im Laufe des Abends beweist, Christian Golz (Bass) und Jannis Lewe (Schlagzeug) ihre nicht unerheblichen Teile bei. Natürlich auch bei „Three little Birds“, „Real Situation“ oder „Iron, Lion, Zion“ sind alle auf der Bühne in Bewegung, was automatisch die Zuhörer anspornt, sich noch intensiver den Rhythmus zu eigen zu machen.
Sonnicksen wechselt Perspektive
Ob die Füße prägnanter wippen oder der ganze Körper den Sound aufnimmt und irgendwie auf dem Sitzplatz mitschwingt, spielt keine Rolle. Schließlich haben die meisten Zuhörer im Stehen Anteil an den großen Hits (das gleicht einer kollektiven Leibesübungsstunde), schaffen es weit vor dem Finale, den Raum vor der Bühne tanzender Weise zu nutzen. Selbst Sonnicksen, kurz zuvor aus dem Quintett in den Backstage-Bereich ausgeschert, gesellt sich, barfuß, mit einem Handtuch um den Hals ausgestattet und ohne sein Instrument, unter die Fans, die völlig losgelöst sich den Klängen des Reggae hingeben, aus dem Häuschen sind ob der frappierenden Ähnlichkeit zum Original. Logischerweise passen auch „Lively up yourself“, „Statisfy my soul“ oder auch „Waiting in vain“ in diese Kategorie. Oft erklären die Lieder den Geist ihres Schöpfers, nämlich dessen Spiritualität, vermitteln Botschaften (vielfach von Liebe und Frieden) und politische Statements. In einem Bericht der Deutschen Welle heißt es: „Bob Marleys Texte benutzen viel religiöse Rhetorik, sind aber auch bodenständig und erzählen von den Problemen einer diskriminierten Minderheit, von Ghettos, Sklaverei und Ungerechtigkeit. Und wie ein roter Faden zieht sich der Rastafari-Glaube durch Marleys Lieder.“ Inzwischen gehört Reggae zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco.
Schwül wie in Jamaika
Apropos Handtuch: Nicht nur einmal müssen Sturm & Co. zu den kleinen Stücken aus Baumwolle greifen. Der Schweiß fließt in Strömen ob der Schwüle (der US-Amerikaner würde es als „muggy“ beschreiben) unter dem Hallendach der eigentlichen Vier-Platz-Tennis-Heimstatt. Diese Luftfeuchtigkeit aber passt natürlich zu Jamaika, dem immer noch existierenden Tuff-Gong-Tonstudio in der Hauptstadt Kingston, wo Marley viele Jahre ein- und ausging, wo viele seiner Songs für die Nachwelt konserviert wurden, wo das Zugedröhnt-sein zum Alltäglichen gehörte und womöglich immer noch gehört. „Get up, stand up“, „Is this love“, „Real Situation“ und „Stir it up“ setzen den Reigen der Erinnerung an den Kopf der Gruppe „The Wailers“ fort, die unzertrennbar mit den riesigen Erfolgen verbunden ist. Neben dem musikalischen Vermächtnis wird Marley noch ein weiteres und für sein Land ganz wichtiges zugeschrieben: Sein One-love-peace-Konzert im Jahr 1978 in Kingston gilt als Ende der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen der regierenden PNP- und der oppositionellen JLP-Partei. Marley bringt die Spitzenmänner der widerstrebenden Kontrahenten auf der Bühne zum öffentlichkeitswirksamen Händedruck, so dass die Anhänger beider rivalisierender Gruppierungen die gewalttätigen Auseinandersetzungen daraufhin fast komplett einstellen.
Nur spärliches Interesse
Noch einmal lässt Sonnicksen die Bühne hinter sich. Gemeinsam mit Golz wagt er den „Abstieg“ in die „Niederungen“ der Zuschauer. Auf Augenhöhe mit den Fans sind sie beinahe „Musiker zum Anfassen“, die die Lust an ihrer Arbeit versprühen, sie das Publikum förmlich spüren lassen. Ob der Blick in die nur spärlich gefüllte Halle ein wenig ernüchternd für sie ist, diese Frage bleibt unbeantwortet. Den Abend zuvor indes sind es rund 4000 Begeisterte, so Felsenkeller-Kulturgeschäftsführer Helmut Nöllgen als Organisator vor Ort, beim Afrika-Karibik-Festival in Wassertrüdingen gewesen, die Marley’s Ghost jeweils die Ehre erwiesen haben. Aber König Fußball macht mit dem parallel ausgetragenen deutschen EM-Achtelfinale dem Wunsch nach einem größeren Auditorium in Altenkirchen einen dicken Strich durch die Rechnung. Einfach nur schade! Denn so bald werden Reminiszenzen an den King des Reggae in dieser Top-Qualität, wie sie Marley’s Ghost darzubieten weiß, vor Ort gewiss nicht mehr geboten. Der Geist des Jamaikaners wird im Gegensatz zu Goethes „Zauberlehrling“ niemanden, der den Gig rundherum genossen hat, schnell loswerden wollen. (vh)
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