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Nachricht vom 29.07.2024    

Glasfaserausbau in Wissen: Telekom macht Rückzieher - was bedeutet das für die Kunden?

Von Regina Morkramer

Man stelle sich vor, einer der größten Mobilfunknetzbetreiber Deutschlands lockt Kunden beim Glasfaserausbau an - und storniert dann alle Verträge. So erging es gerade Wissenern, die statt bei der Deutschen Glasfaser lieber bei der Telekom ihr Highspeed-Internet beziehen wollten. Was bedeutet das nun für die Kunden?

Glasfaserarbeiten in Wissen (Foto: Morkramer)

Wissen. Wissen soll schnelles Internet bekommen - so weit, so gut. Im Herbst vergangenen Jahres wurde der Spatenstich für den Glasfaserausbau vollzogen; Wissen hatte hier, wie auch weitere Verbandsgemeinden im Kreis Altenkirchen, einen Kooperationsvertrag mit der Deutschen Glasfaser abgeschlossen. Viele Monate waren in der Stadt die Arbeiten sichtbar in Gange, Gehwege wurden aufgemacht, Leerrohre und Glasfaserkabel verlegt, nun wartet man auf den endgültigen Abschluss der Tiefbauarbeiten.

Im Vorfeld des Vertragsabschlusses konnten die Bürger selbst entscheiden, ob die Verbandsgemeinde insgesamt die Kooperation mit der Deutschen Glasfaser eingeht: Die Deutsche Glasfaser benötigt für den Ausbau in einem Gebiet eine Vorvermarktungsquote von 33 Prozent, rund ein Drittel aller potenziellen Anschlussnehmer schließen also einen Vertrag ab. Letztendlich entschied das Interesse der Bürger für die Möglichkeit dieser Nachfragebündelung.

Doch nicht nur die Deutsche Glasfaser bietet im Kreis Altenkirchen den Glasfaserausbau an. Auch die Telekom war hier bereits aktiv, allerdings verstärkt in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld. Es macht auch durchaus Sinn, einen sogenannten Doppelausbau zu vermeiden: Wenn unterschiedliche Unternehmen in unterschiedlichen Regionen für den Ausbau zuständig sind, kann dieser schneller flächendeckend umgesetzt werden. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr spricht zudem davon, dass insbesondere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen problematisch seien: "Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht sich missbräuchlich verhält." Die Konkurrenz der Telekom hat bundesweit darauf hingewiesen, dass das Unternehmen die Geschäfte torpediere, indem es gezielt dort Kabel verlegt oder es ankündigt, wo Wettbewerber bereits am Zug sind. Im Bericht zum Glasfaser-Doppelausbau der Bundesnetzagentur, die diese Fälle über viele Monate untersucht hat, hieß es im April 2024 dazu offiziell, dass die Telekom "häufiger kurzfristig auf den Vertriebsstart eines zuerst aktiven Wettbewerbers reagiert oder nur lukrative Kerngebiete erschließt".

Telekom macht in letzter Sekunde Rückzieher in Wissen
Genauso ist es in Wissen geschehen. Auch wenn es zunächst hieß, die Telekom werde hier kein Glasfaser verlegen, wollte das Unternehmen beziehungsweise seine Tochter Glasfaser Plus schließlich doch im Bereich der Innenstadt Verträge für den Glasfaserausbau individuell mit Kunden abschließen. Bestandskunden wurden etwa mit Sonderkonditionen gelockt. Einer von ihnen ist ein Unternehmer aus der Rathausstraße, der bislang eine relativ langsame DSL-Internetversorgung von 16.000 Megabit pro Sekunde hat. Für seine Firma sei er auf eine schnellere Leitung und letztendlich auf Glasfaser angewiesen. Da er ohnehin bereits Kunde bei der Telekom sei, hatte er sich zunächst von dem Angebot überzeugen lassen, erklärt er im Gespräch mit dem AK-Kurier. Er habe dann allerdings nichts mehr hinsichtlich seines Vertrages gehört - stattdessen aber Gerüchte, dass die Telekom in Wissen doch keinen Glasfaseranschluss anbieten wird. Ein Anruf beim Kundenservice brachte ihm zunächst die offizielle Aussage, sein Vertrag habe Bestand. Wenig später jedoch kam dann die E-Mail mit der Mitteilung, dass der Vertrag storniert werde. Eine ausführlichere Begründung wurde nicht genannt.

Auch, weil er schnell reagiert hat, hat der Wissener Unternehmer noch Glück gehabt: Er konnte online bei der Deutschen Glasfaser noch einen Vertrag ohne jeglichen Aufpreis abschließen. Trotzdem ärgert ihn das Vorgehen der Telekom, die seiner Aussage nach nicht gerade "zum Wohle der Gemeinschaft" agiere. Der Deutschen Glasfaser entstünden durch die Aktion mehr Kosten, weil die Telekom ihr vorab Kunden abgeworben hatte und dementsprechend weniger Leitungen verlegt worden waren.

Glimpflich lief "die Sache mit der Telekom" auch für eine Bewohnerin aus der Hämmerbergstraße in Wissen ab, aber ärgerlich sei das Ganze auf jeden Fall. Sie hatte zunächst sogar bei der Deutschen Glasfaser unterschrieben. Nachdem die Telekom dann aber ebenfalls Glasfaserverträge angeboten hatte, habe sie gewechselt, da sie schon lange Telekom-Kundin sei. Es habe für sie auch keinen Grund für Zweifel gegeben - bis plötzlich die Stornierung der Telekom für den Glasfaser-Anschluss per Post kam. Sie habe zunächst einen Schreck bekommen und sich gefragt, wo sie denn nun einen Anschluss herbekommen soll, erzählt die Wissenerin. Glücklicherweise sei die Deutsche Glasfaser aber entgegenkommend gewesen. So konnte sie doch noch ohne weitere Gebühren wechseln. Auch das sei problemlos verlaufen, online und per Anruf, dann habe sie die schriftliche Bestätigung erhalten.



Von der plötzlichen Stornierung seitens der Telekom wurde auch ein 53-Jähriger aus der Böhmerstraße überrascht. Auch er hatte ursprünglich bei der Deutschen Glasfaser einen Vertrag abschließen wollen. Als er hörte, dass die Telekom im Wissener Stadtgebiet auch Glasfaser verlegen will, habe er sich aber aus persönlichen Gründen dafür entschieden. Der Auftrag wurde bestätigt, dann hörte er lange nichts mehr. Als der Wissener die zunehmenden Baumaßnahmen der Deutschen Glasfaser in der Stadt beobachtete, wollte er bei der Telekom nachhören, wie es denn um seinen Anschluss steht: "Am 1. Juli bekam ich noch eine E-Mail mit der Frage, ob ich mir schon Gedanken über den Montageort für meine Glasfaserdose im Haus gemacht habe. Also dachte ich mir, gut, es geht voran." Doch dann kam genau zwei Tage später die E-Mail mit der Mitteilung, dass der Auftrag storniert werde. "Da kommt man sich doch veräppelt vor", beschreibt der 53-Jährige seine Reaktion darauf und spricht von einer "hundsmiserablen Kommunikation." Zur Deutschen Glasfaser will er vorerst dennoch nicht wechseln. Er hofft darauf, dass die Telekom in Zukunft doch noch in Wissen ausbaut, denn er habe bisher eigentlich nur gute Erfahrungen mit dem Unternehmen gemacht.

Warum baut die Telekom nicht in Wissen aus?
Zu der Frage, warum die Telekom beziehungsweise ihre Tochter Glasfaser Plus letztendlich doch nicht den Glasfaserausbau in Wissen durchzieht, gibt das Unternehmen wirtschaftliche Gründe an. "Die Glasfaser Plus kalkuliert ihre Ausbauvorhaben grundsätzlich gründlich und gewissenhaft, immer mit dem Ziel, möglichst viele Haushalte mit dem Netz der Zukunft zu erschließen", heißt es auf Nachfrage. Die Planungsmodelle berücksichtigten dabei zahlreiche wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie etwa Inflation, steigende Baukosten, Personalverfügbarkeit der Baupartner und Wettbewerbsaktivitäten. Diese Rahmenbedingungen unterliegen jedoch "einer sehr großen Dynamik" und befinden "sich im stetigen Wandel", erklärt das Unternehmen. "Daher erfolgt die Analyse unserer Ausbaugebiete kontinuierlich, um diese Entwicklungen abzubilden, und endet nicht nach der initialen Planungsphase." Man sei der "wirtschaftlichen Vernunft verpflichtet" und könne Ausbauprojekte, die zu 100 Prozent eigenfinanziert und ohne Vorvermarktungsquoten geplant werden, nur dort realisieren, wo es wirtschaftlich darstellbar sei. Das Ergebnis der "kontinuierlichen Analyse hat uns in diesem Jahr leider dazu gezwungen, von den ursprünglich vorgestellten Ausbauplänen in Wissen/Sieg Abstand zu nehmen und uns vollständig aus der Kommune zurückzuziehen".

Mehrkosten der Deutschen Glasfaser sollen nicht an Kunden weiter gegeben werden
Peter Sosna, Projektmanager Bau bei der Deutschen Glasfaser, bestätigt, dass dem Unternehmen durch das Vorgehen der Telekom gewisse Mehrkosten entstanden sind, betont aber gleichzeitig, dass diese nicht an die Kunden weitergegeben werden. Vielmehr habe man Verständnis für die Situation der Leute, die bei der Telekom einen Vertrag abschließen wollen, aber nun ohne dastehen. Deswegen sei die Deutsche Glasfaser bemüht, die Kunden in Wissen abzuholen und ihnen doch noch einen Glasfaser-Vertrag anbieten zu können. "Mir tut es leid für die Leute", erklärt Sosna und führt aus, dass manche von ihnen noch nicht mal die offizielle Absage der Telekom erhalten hatten, als schon klar war, dass diese doch keinen Glasfaserausbau in Wissen vornehmen wird. Sosna spricht davon, dass das Vorgehen der Telekom ihnen Steine in den Weg gelegt habe, die Mehrarbeit sich aber in Grenzen halte. "Solange wir ohnehin in der Ortschaft sind, können wir das noch regeln", versichert Sosna. "Wir drehen jetzt eben noch mal eine Runde und bieten auch Aktionen an."

Kunden, die sich nun nach der Absage der Telekom umorientieren müssen, können online einen Termin mit der Deutschen Glasfaser vereinbaren oder sich zu den Öffnungszeiten an die Servicepunkte in Wissen oder Kirchen wenden. Auch der Gemeinde seien die Ansprechpartner bekannt, so Sosna. Er weist auch darauf hin, dass man durchaus an den Baustellen die Bauleiter direkt ansprechen können. Außerdem gebe es die Überlegung, ob für die Gemeinde Wissen noch mal ein Informationsabend stattfindet. Am Zeitplan soll sich trotz allem nicht viel ändern: "Wir asphaltieren und bis Ende August sollte das abgeschlossen sein", ist sich Sosna sicher. (rm)


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