Mütterfrühstück ist Kraftquelle
Seit mehr als 20 Jahren kommen im Treff des HIBA in Wissen Mütter von Kindern mit Behinderung regelmäßig zum Frühstück zusammen, um miteinander zu sprechen, zu lachen – und gemeinsam zu kämpfen.
Wissen. Wer den Treff des HIBA an diesem Dienstagmorgen betritt, wähnt sich bei einem ganz normalen Frauenfrühstück: „Meine Tochter kann gut Geld ausgeben“, erzählt eine Frau, während eine andere mit amüsiertem Augenrollen ergänzt: „Meine auch.“ Da wird von der Fahrt des Sohnes nach Siegen zu einem Fußballspiel berichtet und von den Plänen, den 18. Geburtstag zweier Mädchen im Kulturwerk zu feiern.
Dass ihre Kinder annähernd so aufwachsen wie Teenager ohne Behinderung, ist auch ein Verdienst dieser Gruppe. Denn gemeinsam arbeiten sie seit 20 Jahren zusammen und jede Familie für sich allein daran, ihren Kindern trotz ihrer Beeinträchtigungen ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen.
„Kennengelernt haben wir uns bei einem Treffen der Frühförderung im Heiltherapeutischen Zentrum, Außenstelle Kirchen. Den Erstkontakt haben wir genutzt,um 1987 einen Spielkreis in den Räumen des Kindergartens Busenhausen zu gründen.“ erinnert sich Inge Hammen aus Hilgenroth.
Bei den anfänglichen Verabredungen seien noch viele Familien mit nichtbetroffenen Kindern dabei gewesen, berichten die Frauen. Als für die ersten Kinder der Gruppe der Besuch des Kindergartens anstand, wurde der Integrationsgedanke geboren und Kontakt zum HIBA gesucht: „1991 haben wir uns dann unter dem Dach des HIBA zu einer Integrationsgruppe zusammengeschlossen.“, erzählt Inge Hammen weiter.
„Als unsere Kinder größer waren,trafen wir uns auf dem Spielplatz und gingen zusammen Kegeln oder Wandern,“ erinnert sich Christa Frey aus Obernau. Die Familien fuhren gemeinsam auf Freizeiten des HIBA. „Die Kinder wurden vom HIBA und Ehrenamtlichen begleitet. Wir Eltern nahmen uns gemeinsam mit einem Referenten ein bestimmtes Thema vor“, berichtet Elke Schäufele aus Busenhausen.
Der gemeinsame Gesprächskreis im Treff des HIBA ist ein wichtiger Termin, für den sich die meist berufstätigen Frauen Zeitnehmen. „Ich bin immer froh, wenn ich etwas Neues erfahre“, sagt Christa Holschbach aus Birken-Honigsessen.
Heike Janßen aus Altenkirchen, die 2011 zum Mütterfrühstück stieß, ist der intensive Kontakt untereinander wichtig: „Man merkt, dass man nicht alleine da steht und kapselt sich nicht mit dem Kind ab.“ Die Frauen sind sich einig: Hier können sie sich austauschen, von den Erfahrungen der anderen profitieren und sich gegenseitig den Rücken stärken.
„Wir kamen oft an eine Grenze“, sagt Bärbel Spodymek aus Schönstein offen. Ihre Kinder sollten nach dem Regelkindergarten die normale Grundschule vor Ort besuchen, so der Wunsch von Eltern und Kindern. Doch: „Als unsere Kinder so weit waren, haben wir keinen Integrationsplatz bekommen“, erinnert sich Bärbel Spodymek aus Schönstein. Neue Lösungen mussten gefunden werden. Die anderen Frauen nicken wissend. Jedes ihrer Kinder ging seinen eigenen Weg, denn: „Nicht für jedes Kind ist Integration das richtige“, so Claudia Demmer aus Birken-Honigsessen. „Meine Tochter wurde im Regelkindergarten ganz still“, setzt Karin Schmuck Röttgen aus Wissen hinzu.
Vorbehalte des Pfarrers musste Andrea Weller aus Ingelbach zerstreuen, als ihr Kind zur Konfirmation ging. Erst energischer Protest, auch aus Kirchenreihen, machte die Gründung einer integrativen Gruppe möglich: „Das war ganz toll und für alle eine Bereicherung. Das sagen Eltern und Kinder bis heute. Doch es gab keine weitere Gruppe wie diese mehr, wo in kleinen Gruppen so intensiv gearbeitet wurden. Ich weiß nicht, ob die Eltern nicht fragen?“, wundert sich Andrea Weller.
Auch Momente des Kampfes erlebten die Frauen gemeinsam: „Als der Kreis die Mittel für die Freizeiten streichen wollte, gingen wir mit Plakaten vors Rathaus“, erinnern sich Inge Hammen und Christa Frey. Beim Rückblick auf die vergangenen Jahre nicken die Frauen einträchtig: „Ich finde, es hat sich gelohnt“, resümiert Claudia Demmer.
Heute sind aus den Kindern junge Erwachsenen geworden. Auch sie treffen sich immer wieder: bei Freizeiten und in den Gruppenangeboten des HIBA wie bei der ersten Disco, die es im November im Treff gab. Einige wohnen nicht mehr zu Hause, zum Teil weiter weg, andere leben noch im Elternhaus. Sie besuchen die Schule oder arbeiten in Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Dabeiwünschen sich die Eltern mehr Möglichkeiten für ein Beschäftigung außerhalb der Werkstätten – wenn nicht mehr für ihre Kinder, dann für diejenigen, die nachkommen.
Weitere Eltern und andere interessierte Angehörige von Kindern mit Behinderung sind jederzeit herzlich willkommen. Als Mitarbeiterin des HIBA in Wissen ist Inge Hammen für die Organisation des Gesprächskreiseszuständig. Zu erreichen ist sie in der HIBA-Geschäftsstelle, Schulstraße 4 in Wissen, Telefon: 0 27 42/ 49 67.
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