Betriebsrätin zu Altenkirchens Klinik-Aus: DRK sucht jedwede Schuld nicht bei sich
Die Altenkirchener DRK-Klinik in ihrer ehemals bekannten Form ist Geschichte. Der Begriff "Krankenhaus" trifft nicht mehr des Pudels Kern. Dr. Isabella Jung-Schwandt, Anästhesistin und im Hospital tätig gewesen, kämpfte über viele Monate hinweg – auch als Betriebsrätin – um den Erhalt der (stationären) medizinischen Versorgung für die Kreisstadt.
Altenkirchen. Was ist aus dem Altenkirchener DRK-Krankenhaus bloß geworden? Die Konzentration des medizinischen Angebots vor allem in Richtung Standort Hachenburg, die andere Hälfte des ehemaligen Verbundkrankenhauses, bedeutete das fast komplette Aus für die Klinik am Leuzbacher Weg infolge der Insolvenz der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gGmbh und der daraus resultierenden Umstrukturierung, die dieser Träger vollzog. Die Homepage des Hospitals hält fest: „In Altenkirchen soll auch künftig ein hochwertiges Versorgungsangebot vorgehalten werden. Zentral ist hierfür die mit ihrer voll- und teilstationären Behandlung sowie der Institutsambulanz. Unter der Leitung von Chefarzt Dr. Andreas Vidal ist derzeit zudem der Aufbau einer Eltern-Kind-Einheit in Planung. Die Kooperation mit angliedernden Bereichen, wie der Jugendhilfe, wird intensiviert. Unsere Patientinnen und Patienten können sich ebenfalls an unser Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) wenden. Dort wird es weiterhin wochentäglich eine Sprechstunde für chirurgische Patientinnen und Patienten sowie eine Sprechstunde für Arbeitsunfälle jeweils von 8 bis 16 Uhr geben. Für kleinere Notfälle wird hier eine chirurgische Akutversorgung vorgehalten. Ebenso werden im MVZ spezielle ambulante Eingriffe in der Weichteilchirurgie und der Hand- und Fußchirurgie angeboten. In der Röntgenabteilung werden die notwendigen Untersuchungen zwischen 8 Uhr und 16.30 Uhr durchgeführt. Neben dem MVZ und der spezialisierten Kinder- und Jugendpsychiatrie bleiben auch die Schmerzambulanz und die Schmerztagesklinik am Standort Altenkirchen erhalten. Frau Dr. Schneider und ihr Team helfen dort Patientinnen und Patienten den Ursachen chronischer Schmerzen auf den Grund zu gehen und ihnen so wieder zu mehr Lebensfreude zu verhelfen.“ Wenn Dr. Isabella Jung-Schwandt mit diesen Aussagen konfrontiert wird, steigen ihr womöglich die Tränen in die Augen. Die Anästhesistin mit zahlreichen Zusatzqualifikationen und im Hospital der Kreisstadt tätig gewesen, kämpfte über viele Monate hinweg – auch als (derzeit freigestellte) Betriebsrätin – um den Erhalt der Einrichtung. In einem Gespräch zieht sie ihr persönliches Resümee:
Frau Jung-Schwandt, wie sehen Sie die aktuelle Situation?
Das Krankenhaus ist bis auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie geschlossen. Es soll eine MVZ-Versorgung von 8 bis 16 Uhr geben, wo auch kleinere OPs gemacht werden können. Narkoseärzte, OPs, Notaufnahme, urologische Versorgung, spezielle Handchirurgie (Prothetik), somatische Krankenhausbetten? Alles geschlossen. Das teure Konzept von WMC Health Care hat kein Quartal durchgehalten. Zu teuer! Ich zitierte einmal Landrat Dr. Enders: ,Hier wurde für exorbitante Summen ein Konzept entwickelt, das die Versorgung im Westerwald – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – nachhaltig sichern sollte. Nunmehr muss man konstatieren, dass sich dieses Konzept in Schall und Rauch aufgelöst hat – zum Nachteil der Beschäftigten und der Bevölkerung. PowerPoint Präsentation, Excel-Tabellen und rein theoretisch prognostizierte Patientenströme hatten und haben im Fall der Berater leider nur wenig mit der Realität zu tun’.
Können Sie die Gründe für das fast 100-prozentige Aus nachvollziehen?
Die Patienten hätten es nicht angenommen, daran seien einzelne kleine Gruppen
Schuld, die das Konzept so lange schlecht geredet hätten, bis man - und hier gebraucht Herr Gonzalés den Vergleich zum Andorra Effekt - in der Bevölkerung das Konzept auch abgelehnt und das Krankenhaus nicht mehr aufgesucht hätte. So spannend das Heranziehen von Max Frisch in diesem Zusammenhang auch mit den gerne intellektuell hochwertig und ethisch anspruchsvollen Behauptungen des Aufsichtsratsvorsitzenden ist: Es passt genau in das Bild, jedwede Schuld an der Entwicklung auf gar keinen Fall bei sich selbst und jahrelangen Fehlentwicklungen zu suchen. Zudem ist dies eine Aussage, die für die Mitarbeitenden und die Bevölkerung völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar ist. Die Patienten kamen nach wie vor. Die in der Personalstärke deutlich reduzierten Mitarbeitenden hatten Mühe, dieses Aufkommen zu bewältigen. Auf Grund des sehr dünnen Personalkonzeptes war es schier unmöglich, Personalausfälle zu ersetzen. Dies führte zu einer deutlichen Überlastung der verbliebenen Mitarbeitenden und somit zu weiteren krankheitsbedingten Ausfällen. Der kaufmännische Direktor des Krankenhauses unterstellte hierzu gerne absichtliches ,krankmachen’, was den wenig wertschätzenden Umgang neben anderen niederschmetternden Umgangsformen mit Mitarbeitenden beispielhaft unterstrich. Es seien Zahlungen vom Kostenträger ausgeblieben, die fest eingeplant seien, so der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Eberhard Bruch. Dies habe zu kurzfristigen Sofortmaßnahmen geführt, nämlich unter anderem der Schließung der kompletten Somatik in Altenkirchen und zur Schließung der Neurologie in Kirchen. Wenn diese Zahlungen dann fließen, soll das reversibel sein? Wohl eher nicht!
Ist ein Krankenhaus für die hiesigen Bevölkerung denn so wichtig?
Die Notaufnahme und auch die Notfallanlaufstelle hatten im Monat ca. 1000
Patientenkontakte. Im Dienst nach 16 Uhr bis zum frühen Morgen waren es im Schnitt acht Patienten. Dies klingt erstmal wenig, war aber häufig dringend. Der Schockraum wurde circa einmal die Woche durch eine potenziell lebensbedrohliche Verletzung frequentiert. Dies erscheint nicht viel, stellt aber einen schmerzlichen Verlust für die regionale Versorgung der Bevölkerung dar. Und jeder, der diese Einrichtung braucht oder gebraucht hat, wird sie schmerzlich vermissen. Die spezielle Handchirurgie, eine Spezialisierung des Altenkirchener Krankenhauses, kann leider ebenfalls nicht mehr in gewohnter Weise weitergeführt werden. Die genannten Beispiele sind sicherlich nicht durch die Gesetzgebung vorgeschrieben. In Zeiten des eklatanten Arztmangels solche wertvollen Strukturen aufzugeben, ist für mich in keiner Form nachvollziehbar.
Wie sieht es mit der Notfallversorgung aus?
In 30 Minuten von jedem Punkt, an dem man wohnt, ein Krankenhaus aufzusuchen - und wir reden hier noch nicht mal davon, das richtige Krankenhaus zu erwischen, ist noch nicht einmal laut Google Maps ohne Einbezug von Ampel oder Stau von mehreren Regionen aus dem Kreis Altenkirchen erreichbar. Dies kann jeder gerne selbst einmal mit seinem Routenplaner nachvollziehen. Einfache Behauptungen des Gesundheitsministers Hoch finden weder die örtlichen Politiker noch die Bevölkerung akzeptabel. Aber an einem Krankenhaus und dessen Infrastruktur hängen nicht nur Arbeitsplätze und Kaufkraft, die örtlichen Firmen und Geschäfte befürchten ebenfalls massive Einbußen. Schon jetzt ist es schwierig, Arbeitskräfte oder sogar Fachkräfte an die Region zu binden. Hier wird erneut die ländliche Bevölkerung massiv benachteiligt. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land kann nicht mehr die Rede sein. Hierauf weist insbesondere der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, Fred Jüngerich, hin, in dem er Altenkirchen durch den Regionalen Raumordnungsplan als eingestuftes Mittelzentrum in Gefahr sieht.
Was bleibt für Sie persönlich?
Ich habe versucht, mich für eine sinnvolle Sanierung und an erster Stelle für die Belange der Mitarbeiter aufgrund meines Amtes als Betriebsrätin einzusetzen. Ich leide sehr unter unsachlichen Unterstellungen und respektlosem Umgang mit meiner Kompetenz und meiner Person. Ich leide ebenfalls sehr unter dem Umgang mit zum Teil hochqualifizierten Mitarbeitenden, aber auch mit sogenannten einfachen Angestellten von zum Teil auch abhängigen Firmen. Diese haben oft nicht die Mittel, sich gegen falsche Kündigungsfristen und zum Teil absurde Aussagen von Vorgesetzten zu wehren. Sie sind leider auch nicht durch unseren Betriebsrat vertreten. Es macht mich traurig und wütend und widerspricht meines Erachtens dem eigenen Leitbild des Roten Kreuzes deutlich mehr, als wenn Chefärzte durch unqualifizierte Posts in den sozialen Medien, die ich keinesfalls akzeptabel finde, unsachgemäß angegriffen werden. Menschen in dieser Position haben das Vermögen, sich selbst zu verteidigen, bzw. unqualifizierte Aussagen zu ignorieren.
Haben Sie für sich auch positive Aspekte ausmachen können?
Meine Arbeit hat dazu geführt, dass ich sehr viele Menschen der Politik und des öffentlichen Lebens kennen lernen durfte. Quer durch alle Parteien habe ich Menschen kennengelernt, die sich unermüdlich für ihre Heimat einsetzen. Und dafür ist es an der Zeit, „Danke“ zu sagen. Mir ist klar geworden: Hier ist mein Zuhause! Ich werde mich weiter dafür einsetzen, hier eine gute gesundheitliche Versorgung wieder aufzubauen. Und für dieses Zuhause bin ich sehr dankbar. Es ist auch höchste Zeit und mir persönlich sehr wichtig, ein ganz besonderes Dankeschön an einen ganz besonderen Altenkirchener zu schicken. Er arbeitet unermüdlich, unentgeltlich und akribisch, obwohl er auch noch voll berufstätig ist. Er zeigt Dinge auf, findet wichtige Sachen heraus. Ohne ihn hätte es beispielsweise nie Diskussionen über den Heimfall gegeben. Ohne ihn und seine Unterstützung hätte ich viele Dinge nicht verstanden, hätte vielem hilflos gegenübergestanden. Hätte niemals alle diese großartigen Menschen in Altenkirchen kennen gelernt und noch so vieles mehr, was ich gar nicht alles aufzählen kann. Er ist Altenkirchener durch und durch. Er gibt nicht auf und behält die Nerven. Großartig! Manchmal werden Menschen, die einfach helfen und unermüdlich arbeiten, zu echten Freunden. Umso schlimmer, wenn man so nah dran ist und dann das Wichtigste vergisst: Danke Ralf Käppele! (vh)
Lokales: Altenkirchen & Umgebung
Jetzt Fan der AK-Kurier.de Lokalausgabe Altenkirchen-Flammersfeld auf Facebook werden!