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Nachricht vom 20.02.2025    

Amtsgericht Altenkirchen: Freispruch wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung

Von Wolfgang Rabsch

Für den Angeklagten ging es um sehr viel, denn als Beamter im Staatsdienst hätte er bei einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung mit empfindlichen Konsequenzen zu rechnen, die nach Höhe der Strafe sogar zur Entlassung hätten führen können. Am Mittwoch, 19. Februar, fand vor dem Einzelrichter des Amtsgerichts Altenkirchen eine Fortsetzungsverhandlung statt, weil im letzten Termin wichtige Zeugen nicht erschienen waren. Der AK-Kurier hatte berichtet.

Fotograf: Wolfgang Rabsch

Hier noch einmal der Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft Koblenz:
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 34-jährigen Angeklagten vor, seine frühere Lebensgefährtin im April 2023 in einer Ortschaft der Verbandsgemeinde Hamm gegen ihren Willen am Gesäß berührt und anschließend an sich gezogen zu haben, um sie zu küssen. Später soll der Angeklagte die Zeugin über den bekleideten Oberschenkel bis in den Intimbereich gestreichelt haben. Die Zeugin habe seine Hand weggeschlagen, woraufhin der Angeklagte seinen Arm um ihren Hals gelegt und zugedrückt hat, sodass sie Atemnot bekam.

Diese Taten sind nach dem Strafgesetzbuch als sexuelle Belästigung und Körperverletzung strafbar.

Der Angeklagte bestritt in der ersten Verhandlung vehement den Vorwurf der sexuellen Nötigung, während die geschädigte Zeugin den Vorwurf wiederholte. Es fiel ihr jedoch schwer, in der Hauptverhandlung darüber zu sprechen, und sie zeigte ein Aussageverhalten, das nicht von Belastungseifer geprägt war. Erst auf Nachfragen des Vorsitzenden und der Vertreterin der Staatsanwaltschaft schilderte sie, was vorgefallen war. Somit standen zwei unterschiedliche Aussagen parallel zueinander.

In einem Verfahren, in dem keine Zeugen zugegen waren, hat das Gericht die schwierige Aufgabe, abzuwägen, welcher Aussage man am Ende mehr Glauben schenken kann.

Vernehmung und Aussage weiterer Zeugen
Die Mutter der geschädigten Zeugin berichtete, dass ihr aufgefallen sei, dass es ihrer Tochter nicht gut ging. Auf Nachfragen sagte ihre Tochter, sie wolle später mit ihr über den Grund reden. Weiter bekundete die Mutter:

„Einen Tag später rief meine Tochter mich an und teilte mir mit, dass der Angeklagte sie gewürgt und im Intimbereich angefasst habe. Sie konnte aus dem Auto entkommen, weil sie ihn wegschubste. Der Angeklagte wäre leicht alkoholisiert gewesen, und sie hätten sich getroffen, um über einige persönliche Probleme zu sprechen. Meine Tochter wollte aber nicht über intime Details sprechen, weil sie wusste, dass mich das sehr belasten würde, da ich selbst Ähnliches erlebt habe. Auf meinen Rat hin, Anzeige zu erstatten, betonte meine Tochter, dass sie davor Angst habe, weil sie befürchtete, man würde ihr nicht glauben. Ich riet ihr sogar, sich psychologische Hilfe zu holen. Sie wirkte auf mich absolut glaubhaft und hat auf keinen Fall bei der Schilderung des Geschehens übertrieben.“

Ein weiterer Zeuge berichtete, dass er den Angeklagten gut kenne, da dieser ein guter Freund seines Bruders sei und sie zudem Nachbarn wären. Durch Gespräche im Ort habe er von dem Verfahren erfahren. Er erinnerte sich an einen länger zurückliegenden Vorfall zwischen 2005 und 2010, bei dem die geschädigte Zeugin auf einem Fest an der Grillhütte von mehreren jungen Männern sexuell belästigt worden sein soll. Später habe er beobachtet, dass die Zeugin bei einer anderen Veranstaltung mit einer der damals beschuldigten Personen in freundschaftlichem Kontakt gestanden habe. Er selbst könne keine Rückschlüsse daraus ziehen, wollte dies jedoch als persönliche Beobachtung anmerken.“



Diese Version stellt die Aussage des Zeugen dar, ohne eine Wertung vorzunehmen oder zu suggerieren, dass das damalige Verhalten der Zeugin irgendeine Bedeutung für den aktuellen Fall hat.

Nachdem das Gericht festgestellt hatte, dass im Bundeszentralregister (BZR) keine Vorstrafen gegen den Angeklagten eingetragen sind, wurde die Beweisaufnahme geschlossen, und es folgten die Plädoyers.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte eine Geldstrafe wegen einfacher Körperverletzung in Tateinheit mit sexueller Belästigung in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 160 Euro. Sie stützte ihren Antrag darauf, dass die Zeugin keine Belastungstendenz gezeigt hat und die Aussage glaubhaft erschien. Zudem hat sich der Angeklagte in einer Mail an die Zeugin für sein Verhalten entschuldigt. Die Vertreterin der Nebenklage schloss sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft vollumfänglich an.

Rechtsanwalt Daniel Walker beantragte Freispruch. Er begründete diesen Antrag damit, dass bei der Bewertung der Negativhypothese klar die negativen Aspekte der Aussage der Zeugin überwiegen würden. Da in dem Verfahren Aussage gegen Aussage stand, wäre die Aussage der Zeugin daher für seinen Mandanten nicht belastbar.

In seinem letzten Wort beteuerte der Angeklagte, dass er zu Unrecht beschuldigt werde.

Urteil im Namen des Volkes

Der Angeklagte wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.

Zur Begründung führte der Vorsitzende unter anderem aus, dass die Aussagen der Zeugin bei der Polizei und dem Gericht divergierten. Zudem seien keine konkreten, verwertbaren Tatvorwürfe vorhanden gewesen, die ausgereicht hätten, um eine Verurteilung zu rechtfertigen.

Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen abgegeben. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.


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