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Kirchenkreis: Absage an "Sterbehilfe"
"Die evangelische Kirche versteht die Diskussion über Sterbehilfe als Herausforderung. Sie nimmt die Ängste vieler Menschen vor einem qualvollen, einsamen Sterben und vor einem wehrlosen Ausgeliefertsein an sinnlos gewordene Maßnahmen der Lebensverlängerung ernst": Diese Auseinandersetzung um Hilfen für todkranke und sterbende Menschen ist dem Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen ein solch wichtiges Anliegen, dass man mit der "Palliativmedizin" ein ausgesprochen ernstes Thema in den Mittelpunkt des jährlichen Neujahrsempfangs gestellt hatte.
Kirchen. Seit vielen Jahren dient der Empfang des Kirchenkreises, stets zu Beginn des neuen Kirchenjahres am ersten Advent, dazu, mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen im Kreis Altenkirchen ins Gespräch zu kommen. Der Kirchenkreis mit seinen 16 Kirchengemeinden greift dabei immer Themen auf, die die Menschen vor Ort in den Gemeinden oder Arbeitsbereiche des Kirchenkreises berühren. Auch aktuelle Fragestellungen, wo man von Kirche eindeutige Antworten erwartet, werden - wie aktuell – behandelt.
Palliativmedizin und Sterbebegleitung und ihr Gegenüber, die aktive Sterbehilfe, sind derzeit häufig ein kontrovers diskutiertes Thema, etwa im Zusammenhang mit "Dignitas", wie Superintendent Eckhard Dierig in seiner Begrüßungsrede zum Neujahrsempfang im Kirchener Gemeindehaus unterstrich. Der Superintendent verwies dabei auf die "urchristliche Aufgabe", sterbenden und trauernden Menschen zur Seite zu stehen. Das Ansinnen, diese Begleitung zum Segen für die Menschen werden zu lassen, verwob der Superintendent mit Gedanken zur neuen Jahreslosung "Ich lebe und ihr sollt auch leben."
Neben der "Stamm-Mannschaft" des kirchlichen Neujahrsempfanges, der Pfarrerschaft und den Vertretern des Kirchenkreises, begrüßte der Superintendent die heimischen Politiker, darunter die Bürgermeister der Verbandsgemeinden oder ihre Beigeordneten, Landrat Michael Lieber, die Landtagsabgeordneten Dr. Matthias Krell und Thorsten Wehner, Vertreter der Ärzteschaft im Kreis Altenkirchen mit ihrem Obmann Dr. Wolfram Johannes (Kirchen), Pflegedienstleitungen und Vertreter der örtlichen Hospizvereine. Dierig freute sich, dass man für das Impulsreferat zum Neujahrsempfang (ein anschließender Austausch aller Gäste in lockerer Runde gehört traditionell zum Empfang) einen hochkarätigen Referenten gewonnen hatte.
Professor Eberhard Klaschik, der über den "aktuellen Stand und Perspektiven der Palliativmedizin" referierte, ist Chefarzt der Abteilung Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Malteserkrankenhaus in Bonn, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und Vorsitzender der Enquete-Kommission des Bundestages.
Klaschik fasste das weite Feld der Palliativmedizin auch für Laien verständlich zusammen, um sein Anliegen "Palliativmedizin ist die eindeutige Absage an Sterbehilfe" eindeutig zu unterstreichen. Ihm ist nicht nur die medizinische richtige und angemessene Behandlung der kranken Menschen ein wichtiges Anliegen, - "Palliativmedizin bringt Menschen wieder ins Leben hinein" - sondern auch die Umsorgung der Angehörigen, damit diese auch als "Begleiter" entsprechend agieren können. Klaschik unterstrich die Wichtigkeit, auch für Todkranke eine "Lebensperspektive zu entwickeln" und eine flächendeckende Versorgung im ambulanten Bereich schnellstens umzusetzen.
Seine Freude am stetigen Wachsen der Professuren für Palliativmedizin an deutschen Universitäten – im europäischen Vergleich stehen die Deutschen gemeinsam mit den Briten auf einem Spitzenplatz – setzte Professor Klaschik seine Kritik entgegen, dass in der medizinischen Ausbildung auch heute noch Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach nicht verpflichtend sei.
Klaschiks Wunsch an die Gäste des Neujahrsempfanges: "Setzen Sie sich ein, jeder kann ehrenamtlich mitarbeiten in der Begleitung kranker und sterbender Menschen". An die Theologen gewandt, verwies er auf deren wichtige Rolle als Seelsorger in den "multifunktionalen Teams" der Sterbebegleitung.
Auch im anschließenden Austausch mit den Gästen des Neujahrsempfanges unterstrich der Mediziner die Wichtigkeit des Themas "Palliativmedizin", die er als "Sterbepflege" sprachlich besser abgehoben sieht von der "ständigen medialen Verkaufe von Sterbehilfe". "Der Ausbau von Palliativmedizin allerorten reduziert das Interesse an Sterbehilfe", ist sich der Fachmann sicher.
Krankenhaus-Seelsorgerin Jutta Braun-Meinecke (tätig in Kirchen und Wissen) unterstrich noch einmal die "evangelischen Positionen" zur Sterbehilfe und verwies darauf, dass die Hospizbewegung sowie die Palliativmedizin nachdrücklich unterstützt und gefördert werden müssen, da diese einen wesentlichen Beitrag zur Ermöglichung menschenwürdigen Sterbens leisten. "Sterbende brauchen keinen "Gnadentod", sondern geduldige, gütige, verlässliche Begleitung", fasste sie ein Wort der EKD-Synode zusammen.
Im Anschluss an die Vorträge des Neujahrsempfanges (musikalisch ausgestaltet von Markus Heinbach) nutzten viele Gäste die Gelegenheit zum Austausch. (pes)
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Reger Austausch beim Neujahrsempfang des Kirchenkreises. Fotos: Petra Stroh
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