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Stricken für einen guten Zweck
Was vor über 50 Jahren aus der Not heraus begann, hat sich inzwischen zu einer regelrechten sozialen Einrichtung entwickelt. Die "Flammersfelder Stricklieseln" müssen nicht mehr fürs eigene Überleben und das ihrer Kinder stricken, sondern den größten Teil ihrer Arbeit investieren sie für einen guten Zweck.
Flammersfeld. Sie nennen sich die "Stricklieseln von Flammersfeld" - Hildegard Redel, Anne Schmidt und Grete Schüler. Über 50 Jahre treffen sich die Frauen allwöchentlich, um zu stricken, häkeln und auch zu nähen. Damals, vor über 50 Jahren, so berichtet Hildegard Redel, die am Kopfende des Tisches sitzt und Socken strickt, "strickten wir für das eigene Überleben". Sie ist mit dem Flüchtlingsstrom nach dem Krieg in den Westerwald gekommen. Aufgewachsenen ist sie in Schlesien, 1946 musste sie nach Stollberg ziehen und kam 1947 im Februar nach Haßbergen, das liegt irgendwo bei Bremen, erinnert sie sich. Drei Jahre später sei die Umsiedlung wieder losgegangen. Sie mussten in die französische Zone. So kamen sie über das Lager Almersbach schließlich nach Heckerfeld. Dort lebte sie bis 1952 mit ihren Eltern. In diesem Jahr heiratete sie und zog nach Orfgen-Hahn. Es wurde gearbeitet und gespart und schließlich in Flammersfeld ein Haus gebaut.
Stricken war damals die fast tägliche Beschäftigung. Es wurde für den eigenen Bedarf gestrickt oder für die Verwandten und Bekannten. Seit dem 14. November wohnt Hildegard Redel 50 Jahre in Flammersfeld, ein halbes Jahrhundert. Die Erinnerungen gehen wieder in die Zeit von 1947. In Delmenhorst war sie in einer Strickfabrik beschäftigt und lernte so das Stricken. Später kam ihr das zugute, als die eigenen Kinder etwas zum Anziehen brauchten.
Die zweite im Bunde ist Anni Schmidt. Sie und Hildegard Redel kennen sich seit über 50 Jahren. Anni wohnt in Gollershoben, im Haus ihrer Pflegeeltern. Mit vier Jahren kam sie aus einem Neuwieder Heim zu ihren Pflegeeltern nach Gollershoben. Die 76-Jährige ist Hobbynäherin und unterstützt ehrenamtlich Tanzgruppen. Auch sie strickt wöchentlich seit 50 Jahren und immer gemeinsam mit Hildegard. Die Dritte im Bunde war Henni Neitzert, die aber vor gut zehn Jahren starb. Grete Schüler, ein Jahr älter als Anni, kannte die drei Frauen und unternahm mit ihnen andere Dinge. So sind Anni und Gretchen Mitglieder der Flammersfelder Seniorentanzgruppe, die unter der Leitung von Monika Horn steht. Der Karneval ist für die Frauen auch keine Unbekannte. Sie gehörten zu den ersten Flammersfelder Möhnen nach dem Krieg und auch heute sind sie mitunter noch aktiv. Den Rollstuhldienst Flammersfeld unterstützen sie einmal wöchentlich und in der Kleiderstube sind sie auch zu finden. Schmunzelnd gestehen sie ein, dass sie das Wort "Langeweile" nicht kennen. Gretchen hatte noch etwas Zeit und so gesellte sie sich vor zehn Jahren zu den Strickfrauen. Denen hatte zwischenzeitlich auch über lange Jahre Hedwig Schulz aus Flammersfeld angehört. Nun treffen sie sich in diesem Kreis abwechselnd jeden Mittwoch und anschließend gehen sie tanzen.
Die Stricklieseln arbeiteten schon für Basare, strickten warme Kleidung für Rumänien, fertigten neben Socken auch Pullover und Jäckchen für Kinder. Erst vor einigen Wochen gingen 28 Paar Socken in die Sammelstelle für Rumänien. In diesem Jahr strickten die drei Lieseln bereits 65 paar Socken. Erstmals haben sich die drei Flammersfelderinnen entschlossen, ihre Arbeiten den Freunden der Kinderkrebshilfe Gieleroth zur Verfügung zu stellen. (wwa)
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Goldenes Jubiläum feiern die Flammersfelder "Stricklieseln" Grete Schüler, Hildegard Redel und Anni Schmidt (von links). Foto: Wachow