Ländlicher Raum muss gefördert werden
Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung hatten am Montagmorgen zahlreiche Gäste den Weg ins Hotel Glockenspitze in Altenkirchen gefunden, wo im Rahmen des Forums „Entwicklung ländlicher Raum“ die Bedeutung der Landwirtschaft für eine Kulturlandschaft im 21. Jahrhundert thematisiert wurde.
Altenkirchen. Eine Vielzahl von Gästen aus Politik und Gesellschaft fand sich am Montagmorgen im Hotel Glockenspitze in Altenkirchen ein, wo die Friedrich-Ebert-Stiftung zum Forum „Entwicklung ländlicher Raum“ eingeladen hatte. Im Rahmen zweier Vorträge sowie einer Diskussion, an der Experten und Publikum teilnahmen, wurde über die Bedeutung debattiert, die der Landwirtschaft in einer Kulturlandschaft im 21. Jahrhundert zukommt.
Dr. Martin Gräfe, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung Rheinland-Pfalz/Saarland, hieß alle Anwesenden zu Beginn herzlich zum Forum „Entwicklung ländlicher Raum“ im Hotel Glockenspitze willkommen. Er freue sich, dass die Stiftung im Rahmen dieser Veranstaltung noch einmal den Weg in den hohen Norden von Rheinland-Pfalz gefunden habe, so Gräfe. Man sei stets um unterschiedliche Standorte bemüht, da dadurch das Erreichen eines möglichst breiten Publikums gewährleistet werde. Dazu müssen man an vielen Orten Veranstaltung anbieten, zu unterschiedlichen Themen. „Die sind sehr breit gefächert“, erklärte Gräfe weiter. Während die Stiftung im Rahmen der weinbaupolitischen Seminare genieße, stelle der landwirtschaftliche Bereich, wie er in dieser Veranstaltung diskutiert werde, noch eine Art Neuland dar, zugleich aber auch ein sehr wichtiges Thema. Aus diesem Anlass habe die Stiftung den Themenvorschlag von MdL Thorsten Wehner gerne realisiert. Gräfe musste zudem darauf verweisen, dass Lutz Ribbe, Naturschutzpolitischer Direktor EuroNatur, kurzfristig als Referent für den für das Impulsreferat vorgesehenen Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, einspringen werde. Nachdem er allen Anwesenden eine spannende Diskussion und tolle Vorträge gewünscht hatte, übergab Gräfe das Wort an Moderator MdL Thorsten Wehner.
Dieser zeigte sich in seinen einführenden Worte erfreut über die positive Resonanz, die der Veranstaltung zugeteilt werde. Daher habe man bereits die Überlegung einer Wiederholung anklingen lassen. Man stelle sich die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, sich in einer Zeit knapper Ressourcen effizienter um die Städte zu kümmern. Gleich im Anschluss vereinte er seine Frage selbst. Grund sei zum einen, dass ländlicher Raum in Rheinland-Pfalz den größten Teil ausmache und man mit einer stärkeren Förderung der Städte eine Entvölkerung großer Flächen heraufbeschwöre. Außerdem sei eine regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum durchaus gegeben. Im Hinblick auf den demografischen Wandel sowie die neue Agrarpolitik ab 2013 bestehe jedoch Handlungsbedarf, so Wehner. Daher müsse man sich die Frage stellen: „Ist Landwirtschaft der Motor des ländlichen Raumes?“
Lutz Ribbe, Naturschutzpolitischer Direktor EuroNatur, startete sogleich mit seinem Impulsreferat, in welchem er auf die Bedeutung und Entwicklung ländlicher Räume einging und welche Rahmenbedingungen künftig von Brüssel zu erwarten sei. Mit Blick auf eine Kulturlandschaft stelle sich neben der Frage nach den in ihr lebenden Menschen auch die nach intakter Natur und Umweltbedingungen, die durch gewisse Rahmenbedingungen und eine gewisse EU-Agrarpolitik gefördert werden müssen. Im Zusammenhang mit der gemeinsamen Agrarpolitik spiele Geld eine wichtige Rolle. In der Landwirtschaft seien innerhalt Europas, ebenso wie innerhalb Deutschlands, erhebliche Unterschiede in ihrer Ausprägung zu verzeichnen. „Es gibt eine Menge Gründe dafür, dass sich etwas ändert“, so Rippe mit Blick auf die Folgen der gemeinsamen Agrarpolitik und verwies auf ein Zitat von Agrarkommissar MacSharry aus dem Jahr 1992. Es sei wichtig, neue Ziele zu formulieren, um Bauern im ländlichen Raum zu bleiben zu motivieren. Dabei müsse die Multifunktionalität einer Landwirtschaft als Leitbild dienen. Momentan befinde man sich jedoch eher in einer Entwicklung hin zum Farming bzw. der Agrarindustrie. Als Beispiel dafür nannte er den geplanten Deltapark im Hafen von Rotterdam. Dieser habe mit Multifunktionalität nichts zu tun. Weiter ging Rippe darauf ein, dass anhand der Hähnchenmastplätze im Landkreis Emsland deutlich werde, dass die betriebliche und räumliche Konzentration zunehme. Riesige Monokulturen ständen Gebieten mit einer teilweise hohen Pflanzendiversität gegenüber. „Landwirtschaft ist unverzichtbar für eine Kulturlandschaft“, so Rippe und verwies auch auf den bestehenden Zusammenhang von Kulturlandschaft und Tourismus. In Baden-Württemberg seien bereits 85 Prozent der artenreichen Grünflächen verschwunden und auch für den Rest von Deutschland sei eine Abnahme der Grünlandfläche zu verzeichnen.
In Brüssel werde derzeit die Verteilung der Direktzahlungen an Landwirte geprüft und dem Steuerzahler verständlich gemacht, um auf seiner Seite eine größere Akzeptanz für den Einsatz der Gelder zu erreichen. Rund 55 Millionen Euro stehen im Agrarhaushalt der EU von 2011 zu Verfügung, von denen rund 69,3 Prozent direkt an die Landwirte verteilt werden. Jedoch sei hier eine gerechtere Verteilung gefordert, da die Ausschüttung der Direktzahlung sehr ungleich an verschiedene Nationen erfolge. Die gemeinsame Agrarpoltik müsse zudem grüner werden, da sie aus ökologischer Sicht den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genüge. Daher erfolge eine Kopplung von Basisprämie und Ökokomponente. Zudem diskutiere man über die Abschaffung von Monokulturen sowie die Frage, ob sich die Höhe der Prämien an der Größe der Fläche orientieren dürfe. Ausgehend von seiner Statistik zeigte Ribbe auf, dass auf eine Arbeitskraft in Rheinland-Pfalz jährlich nur ein Fünftel der Subventionen einer Arbeitskraft in Mecklenburg-Vorpommern falle.
Ribbe sieht in dieser Planung weder eine Stabilisierung der Märkte noch eine Verhinderung in der Konzentration von Tierhaltung.
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In der an das Impulsreferat anknüpfenden Diskussionsrunde unter Moderation von MdL Thorsten Wehner äußerten, neben den geladenen Experten Willi Brase, MdB, Udo Folgart, MdL (Brandenburg), Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Hendrik Hering, MdL, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion RLP, und dem zuvor gehörten Lutz Ribbe, auch einige Gäste die Möglichkeit zur Meinungsäußerung zu dem Gehörten.
Auf die Frage, wie der Deutsch Bauernverband den ländlichen Raum beurteile, antwortete MdL Udo Folgart, dass die Land- und Agrarwirtschaft das Herz des ländlichen Raumes darstelle. Man müsse diesen Raum lebensfähig machen. Es stelle sich die Frage nach der Biodiversität und gleichzeitiger Haltung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Zeitschiene habe in den letzten 20 Jahren die aktiven Landwirte durch zahlreiche Reformansätze begleitet. Der Bauer müsse sich zunehmend mit dem gewählten Standort auseinandersetzen. Die grünere und gerechtere Reform bringe jedoch in Form des Bürokratieaufwandes auch Zweifel mit sich.
MdB Willi Brase stimmte zu, dass die Direktzahlungen nicht gerecht verteilt seien. Im Zusammenhang mit der Massivität der Tierhaltung müsse man sich, neben der Frage nach den Tieren, auch die Frage nach den dortigen Arbeitskräften stellen, die unter inakzeptablen Verhältnissen ohne gesetzten Mindestlohn arbeiten.
MdL Hendrik Hering beantwortete die Frage, ob die SPD-Landtagsfraktion im Hinblick auf das Thema gut aufgestellt sei, damit, dass der Landwirtschaft eine zentrale Rolle zukomme. Zentral sei es, den Erhalt der Landwirtschaft, die für die Menschen ein Stück weit Identität bedeute, zu gewährleisten. Man wolle weg von der Massentierhaltung. Um die Zahlungen auch für die Zukunft gewährleisten zu können, müsse man eine größere gesellschaftliche Akzeptanz schaffen. Das stabile Fundament einer Landwirtschaft sei Voraussetzung. „Wir brauchen Ausgleichszahlungen als ergänzendes System“, so Hering mit dem Verweis dahin, dass es künftig gerechter zugehen müsse.
Auch Lutz Ribbe nahm noch einmal die Möglichkeit wahr, auf das von seinen Diskussionspartnern gehörte einzugehen. Von Seiten des Publikums wurde kritisch angemerkt, dass die gezeigten Zahlen nicht ausreichend verifiziert und nur plakativ zur Untermauerung der Thesen ins Auge gefasst worden seien.
Eine bäuerliche Entwicklung sei nicht mehr möglich, so die Anmerkung vom Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Heribert Metternich. Seiner Meinung nach seien Monokulturen zudem nicht weniger Wert als Agrarräume, die eine Pflanzendiversität aufweisen.
Nach einer Pause, in der die Anwesenden zu einer kleinen mittäglichen Stärkung eingeladen waren, sprach MdB Willi Brase über die Perspektiven des ländlichen Raumes und legte in diesem Zusammenhang die sozialdemokratischen Positionen offen. Man stelle sich die Frage, wie die strategischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der ländlichen Räume zu gestalten sei. Man wolle beispielsweise die Strukturförderung effektiver gestalten, um so die wirtschaftliche Dynamik in Gang zu bringen. „Wir wollen überregionale Kooperationen fordern und fördern“, so Brase. Dafür seien verlässliche infrastrukturelle Entscheidungen notwendig sowie ein verlässliches Flächennutzungsmanagement. Zudem müsse den Menschen im ländlichen Raum der Zugang zu digitalen Diestleistungen, etwa eine gute Breitbandversorgung, ermöglicht werden. Man wolle die gesellschaftliche, regionale und kommunale Entwicklung durch Regionalfonds vorantreiben und zudem Einkommensunterschiede abbauen, die im ländlichen Raum sehr viel stärker ausgeprägt seien als im städtischen. Im Hinblick auf den demografischen Wandel sei eine Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum maßgeblich und damit verbunden die Sicherung der Gesundheitsfürsorge. Die Menschen vor Ort müsse man in die Entwicklung einbeziehen. „Dann kommen wir auch nach vorne“, so Brase.
Abschließend fasste MdL Thorsten Wehner die Ergebnisse des Gehörten und Diskutierten noch einmal in Kürze zusammen. (bk)
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