Demografischer Wandel - Schreckgespenst oder Chance?
Der Demografische Wandel ist bereits in vielen Kommunen sichtbar: Leerstände in den Zentren und Fachkräftemangel sind nur einige der Probleme, die damit einhergehen. Ob das Thema auch positive Facetten enthält und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, war Gegenstand von Vorträgen und Diskussionsbeiträgen während eines Informationsabends in Betzdorf.
Betzdorf. Demografischer Wandel – für viele ein Schreckgespenst, für viele vielleicht einfach nur eine leere Polit-Phrase. Oder anders formuliert: Was verbirgt sich dahinter? Muss man sich damit auseinandersetzen? Gibt es für die (Kommunal-) Politik überhaupt Handlungsmöglichkeiten?
Diese Fragen nahm der SPD-Kreisverband Altenkirchen nun zum Anlass für eine Informationsveranstaltung im Hotel „Bürgergesellschaft“ in Betzdorf. Insbesondere Kommunalpolitiker, aber selbstverständlich auch alle interessierten Bürgerinnen und Bürger,waren am Montagabend eingeladen, einen tieferen Einblick in das Thema zu erhalten.
Um dies zu erreichen, hatten die Veranstalter – neben dem SPD-Kreisverband noch die SPD-Kreistagsfraktion und der SGK-Regionalverband Altenkirchen – gleich drei Referentinnen und Referenten geladen. So konnte ein weiter Bogen geschlagen werden: von der bundespolitischen Ebene, über konkrete Probleme und Maßnahmen eines hessischen Landkreises, bis hin zur Arbeit vor Ort, hier am Beispiel Kirchen.
MdB Sabine Bätzing-Lichtenthäler machte den Auftakt. Als deren Sprecherin gab sie Einblicke in die Tätigkeiten der Arbeitsgruppe „Miteinander der Generationen“ der SPD-Bundestagsfraktion. Der Titel ihres Vortrags – „Miteinander der Generationen – den demografischen Wandel gestalten“, enthielt bereits ihre Überzeugung. So sei natürlich nicht zu leugnen, dass der demografische Wandel eintreten werde, aber: „Wir können handeln und gestalten!“
Enttäuscht zeigte sich Bätzing-Lichtenthäler vom Konzept der Bundesregierung. Zeitlich viel zu kurz greife deren Strategie in Bezug auf den Demografiewandel, läuft diese doch nur bis 2030, und enthalte zudem viele Lücken und Ungereimtheiten.
Hier nannte die Politikerin etwa das Betreuungsgeld, das im Widerspruch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehe. Dem entgegen stellte sie den Ergebnisbericht ihrer eigenen Arbeitsgruppe, der am 15. September veröffentlicht werden soll und 10 Sofortmaßnahmen enthält. Darunter etwa eine Berufsausbildungsgarantie, die Stärkung der Teilhabe von älteren Menschen an Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt das Miteinander der Kommunen, denn, so das Fazit von von Bätzing-Lichtenthäler: „Nichts geht ohne die Kommunen“.
Dies war quasi das ideale Stichwort für Stefan Reuss, seit 2006 Landrat des Werra-Meißner-Kreises, trug sein Referat doch die Überschrift „Demografie = gestaltende Kommunalpolitik!“. Und Reuss weiß, wovon er redet, zählt er doch in seinem Landkreis den Bevölkerungsrückgang zu den größten Herausforderungen. Doch der Landrat hält an seinem Motto fest: „Die demografische Entwicklung nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung und Chance betrachten!“ Kein Wunder, dass er das Thema zur Chefsache gemacht und 2007 einen Stab „Demografie“ eingerichtet hat.
In Betzdorf berichtete er nun von einigen interessanten Beispielen aus der kommunalpolitischen Praxis, die den Bevölkerungsrückgang zumindest abmildern sollen und dies auch bereits tun. Zu den von Reuss genannten Maßnahmen gehören etwa die Einrichtung von kleinen Supermärkten und Dorfläden, neue pädagogische Konzepte (z.B. die Betreuung von Grundschulkindern am Nachmittag) und ein sogenannter „Masterplan Brandschutz“, der den Einsatz von Mitgliedern, aber auch der technischen Geräte bei den freiwilligen Feuerwehren einer kritischen Prüfung und Neuorientierung unterzieht.
Viel bewegt wurde also schon im Werra-Meißner-Kreis. Etwas schwammiger wirkten da schon die Aussagen der Demografie-Beauftragten der Stadt Kirchen, Christine Loth. Sie selbst ist sich bewusst, dass die Frage lautet: „Wie bekommen wir die vielen Ideen umgesetzt?“ Denn die gibt es auch in Kirchen durchaus. Im Anschluss an ein von der Stadt Kirchen und Mitarbeitern der Universität Siegen erarbeitetem Demografiekonzept, entstanden vier Arbeitskreise: soziale Netzwerke, Wohnstandort und Immobilienmarkt, Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt sowie Infrastruktur.
An diesen Arbeitskreisen sollen vornehmlich Bürgerinnen und Bürger partizipieren, doch bisher machen erst 21 Personen mit. Durchaus verständlich, dass so viele der Idee noch Zukunftsmusik sind und Loth oft zum Konjunktiv greifen musste, wenn sie zum Beispiel von der „Koordinierungsstelle für bürgerschaftliches Engagement“ oder dem „Stadtentwicklungsbeirat“ berichtete.
„Der Weg zu laufenden Projekten ist steinig“, stellte während der Diskussion, die im Anschluss an die Vorträge stattfand, fest. Und doch war nicht nur sie, sondern ebenso ihre Mitreferenten zum Abschluss des Informationsabends überzeugt: „Bürgerschaftliches Engagement ist der Erfolgsfaktor. Der Demografiewandel bietet auch die Chance für gelebte Demokratie.“ (bud)
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