Betzdorf: Gedenken gegen das Vergessen
Der Volksmund sagt: „Die Zeit heilt alle Wunden“. Das mag auf äußerliche Wunden zutreffen, doch es gibt Wunden in den Seelen der Menschen, die niemals heilen. Bei manch einem, der solche seelischen Wunden davon getragen hat, scheinen sich diese im Verlauf des Lebens der einzelnen Opfer eher noch zu verstärken.
Betzdorf. Ein Tag, der solche Wunden riss, fand vor 74 Jahren statt. Es war in der Nacht des 9. November 1938, der Reichskristallnacht, als im ganzen Land Synagogen und Geschäfte jüdischer Bürger brannten. Dieser auch als Reichspogromnacht bezeichneten Gewalttat und ihrer Opfer gedachte man auch in Betzdorf in einer Gedenkveranstaltung im Rathaus.
Mit dem Thema des Dritten Reiches hatte sich die Klasse 10a der Bertha-von-Suttner Realschule Plus auseinander gesetzt und unter dem Titel „Juden an der Sieg“ Informationen zusammen getragen. Diese waren in einer Ausstellung anlässlich der Gedenkveranstaltung im Ratssaal zu besichtigen.
Auf sieben Plakatwänden hatten die Schülerinnen und Schüler einen Auszug der grausamen Realität der damaligen Zeit zusammengestellt. Bürgermeister Bernd Brato begrüßte die Gäste im Ratssaal und erklärte diesen, dass im Lexikon das Wort Pogrom als gewaltsame, auch organisierte Massenausschreitung gegen Minderheiten bezeichnet werde. Wie schrecklich die Wirklichkeit damals in der Pogromnacht des 9. November 1938 gewesen sei, könne kein Lexikon schildern. Brato mahnte, dass je länger das Geschehene zurück liege, es umso wichtiger sei, daran zu erinnern, um so dafür zu sorgen, dass so was schreckliches nicht noch mal passiert.
Martin Haßler (Bündnis 90/Die Grünen) beschrieb in eindringlichen Worten, was er heute schon wieder an rechtsradikalen Vorfällen in der Stadt erlebt. Da gibt es Leute die sprechen von „Betzdambul“ und einer Überfremdung des Ortes, Schüler beschimpfen sich gegenseitig als „du Jude“, nachts ziehen grölend Jugendliche durch die Stadt und skandieren Neonaziparolen. Haßler empfindet dies als befremdlich und beängstigend.
„Es ist geschehen, also kann es wieder geschehen“, so Gerd Bäumer (Geschäftsführer Betzdorfer Geschichte) und meinte, man dürfe dieses Thema nicht ruhen lassen. Es sei wichtig der Opfer zu gedenken und die Taten nicht zu vergessen, in der Hoffnung dass es nicht mehr geschieht. Bäumer erinnerte kurz an einige Ereignisse während der Nazizeit in Betzdorf. So kam 1932 Hitler nach Wallmenroth, im Jahr darauf waren Schilder in der Stadt zu sehen mit der Aufschrift „Juden sind in Betzdorf unerwünscht!“ Im Jahr 1938 waren die meisten der Betzdorfer Juden schon verzogen. Deportiert wurde aus Betzdorf selbst niemand, doch 21 Juden die ehemals in Betzdorf gewohnt haben wurden ermordet. Am 9. November 1938 brannten auch in Siegen und Hamm die Synagogen, in Betzdorf wurde der Betsaal ausgeraubt. Die jüdischen Mitbürger wurden immer mehr entrechtet. „Wir arbeiten heute die Geschichte auf, damit sich dies nicht wiederholt“, so Bäumer.
Im Anschluss trugen vier Schülerinnen der Klasse 10b der Bertha-von-Suttner Realschule Plus kurze Berichte von Zeitzeugen vor, die darin von Plünderungen, Diebstählen, Gewalt und Deportation erzählten. Die Gedenkveranstaltung wurde von Karl-Heinz Dorka mit drei Liedern aus dem Ghetto von Wilna umrahmt. Zum Abschluss begab sich die Gesellschaft noch zur Kranzniederlegung und gemeinsamem Gedenken zur Gedenkrosette am Übergang Viktoriastraße. (anna)
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