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Am Gedenktag ein Zeichen gesetzt
Mit Gedenkgottesdiensten hat wurde auch im Kreis Altenkirchen anlässlich des offiziellen Gedenktages für die Opfer des Holocaust ein Zeichen gesetzt. So auch in Flammersfeld. Der Gottesdienst war für die Teilnehmer, darunter auch Landrat Michael Lieber, "eine Zeit des Nachdenkens inmitten der Alltagsarbeit", so Superintendent Eckhard Dierig.
Kreis Altenkirchen. In diesem Jahr, am 9. November, wird sich auch im Kreis Altenkirchen intensiv an die Pogromnacht von 1938 erinnert. 70 Jahre ist es dann auch her, dass in Flammersfeld die jüdische Familie Moses hilflos zuschauen musste, wie SA-Uniformierte aus dem Flammersfelder Bereich ihr Haus zerstörten. Gretchen Moses Rufe um Hilfe blieben ungehört. Das ansonsten gute Miteinander zwischen den Nachbarn scheiterte an deren Angst. Gretchen und ihr Mann Albert Moses "verschwanden" später aus ihrer Heimat, überlebten den Holocaust nicht. Nur Sohn Arthur kehrte 1945 zurück. Von seiner Zeit in Auschwitz erzählte er selbst später seinen Kindern kaum etwas.
Vor 63 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde von der Sowjetarmee das KZ Auschwitz-Birkenau befreit. Seit 1996 ist dieses Datum offizieller Gedenktag für die Opfer des Holocaust. Im Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen setzt man mit den jährlichen Gedenkgottesdiensten in der Kirchengemeinde Flammersfeld ein Zeichen. Mit dabei waren diesmal Superintendent Eckhard Dierig, Landrat Michael Lieber, Bürgermeister Josef Zolk und die Ortsgemeinden-Vertretungen Hella Becker (Flammersfeld) und Herbert Butter (Oberlahr). Verantwortlich für den Gottesdienst waren die beiden Gemeindepfarrer Thomas Rössler-Schaake, gleichzeitig Synodalbeauftragter für den "christlich-jüdischen Dialog" im Kirchenkreis, und Pfarrerin Silvia Schaake. Novum des Gedenkgottesdienstes: Erstmals nahmen auch Menschen aus der jüdischen Tradition kommend am gemeinsamen Gedenken teil.
Dass gerade Flammersfeld, ein Ort ohne eigene Synagogentradition, zum Zentrum des "kreisweiten" Gedenkens wurde, liegt zum einen an den Bemühungen der Vor-Ort-Aktiven, hatte aber in diesem Jahr auch einen besonderen aktuellen Bezug: So erinnerte auch Landrat Michael Lieber in seinen Gedenkworten an den großen Widerstand aus allen Bevölkerungsgruppen, der sich im vergangenen Mai gegen die mutmaßlichen Pläne der NPD formierte, in Oberlahr ein Schulungszentrum einzurichten. Gemeinsamer Schulterschluss eines "Nie wieder", wie auch Bürgermeister Josef Zolk unterstrich: "Die heutige Generation trägt keine Schuld, hat aber Verantwortung". Dies will man laut Zolk in der Verbandsgemeinde Flammersfeld auch dadurch deutlich machen, dass am 9. November 2008 zur Erinnerung an alle verschleppten jüdischen Mitbürger Gedenktafeln angebracht werden sollen, die auch nachwachsenden Generationen als stete Mahnung vor Augen stehen.
Superintendent Eckhard Dierig dankte den Flammersfelder Pfarrern für die Gestaltung einer eindrucksvoller "Zeit des Nachdenkens inmitten der Alltagsarbeit" und unterstrich die Wichtigkeit gerade des Gedenkens in einem Gottesdienst, wo man Gottes Nähe suche und um Kraft bitte könne. Der Superintendent erinnerte an die jüdischen Wurzeln des Christentums, aber auch an die protestantische Tradition der Erinnerungskultur, gepaart mit Verantwortung, wie sie etwa in der Erklärung der Rheinischen Kirche von 1980 zum Ausdruck komme.
Den Opfern des Holocaust - "Man nahm ihnen die Namen, ihre Würde und gab ihnen kein Grab" - räumten die Pfarrer Thomas Rössler-Schaake und Silvia Schaake einen ausführlichen Platz in dem Gedenkgottesdienst ein. Der Darstellung der vielen Opfergruppen des Holocausts folgte ein besonderer Moment des Innehaltens: Lilja Litwiakowa aus Flammersfeld, selbst jüdischer Herkunft und vor sieben Jahren als Kontigentflüchtling nach Flammersfeld gekommen und eine hervorragende Pianistin, gestaltete ihn musikalisch aus.
Rund um die Dialogpredigt, die sich neben dem jüdisch-christlichen Verhältnis auch den "Menschen mit offenem Herzen" widmete, hatte das Pfarrer-Ehepaar auch ansonsten auf die musikalischen Elementen des Gottesdienstes ein besonderes Augenmerk gerichtet. So bei einem Choral von Jochen Klepper, der als Ehemann einer Jüdin 1943 ein Ende seiner "Ausweglosigkeit" mit seiner Familie nur noch im Selbstmord finden konnte oder bei einem Hoffnungslied – 1942 von Schalom Ben-Chorim (1935 nach Israel ausgewandert) im Exil geschrieben- "Freunde, dass der Mandelzweig...". 2007 beim Kirchentag in Köln, erzählte Pfarrer Rössler-Schaake, hatte die Besuchergruppe aus Flammersfeld das Glück, den Sohn Ben-Chorims kennen zu lernen. (pes)
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Wider das Vergessen: Bei einem Gedenkgottesdienst in der evangelischen Kirche in Flammersfeld wurde am Holocaust-Gedenktag am 27. Januar der Millionen Opfer des Nazi-Wahns gedacht und die Lebenden gemahnt: "Nur wer weiß, was passiert ist, kann einer Wiederholung entgegentreten." Mit dabei (von links): Bürgermeister Josef Zolk, Landrat Michael Lieber, Pfarrer Thomas-Rössler-Schaake, Ortsbürgermeister Herbert Butter (Oberlahr), Ortsbürgermeisterin Hella Becker (Flammersfeld) und Superintendent Eckhard Dierig (Evangelischer Kirchenkreis Altenkirchen). Foto: Petra Stroh
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