IG Metall Betzdorf im Aufwind
Die Delegiertenversammlung der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf sonnte sich im Erfolg des Faurecia-Abschlusses. Kurt Schreck, vom IG Metall Vorstand, referierte zum Thema Tarif- und Arbeitsmarktpolitik. Mit sechs Prozent Lohnerhöhung will die IG Metall in die anstehenden Tarifverhandlungen einsteigen.
Alsdorf. Die Mitglieder der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf sind derzeit noch getragen von der Welle des Erfolgs, der ihnen kürzlich bei der Firma Faurecia gelungen war. Doch nicht nur hier, auch bundesweit ist eine positive Stimmung in der IG Metall zu verzeichnen, steigen doch nach zwei Jahren Flaute endlich wieder die Mitgliederzahlen an.
Im Haus Hellertal begrüßte der erste Bevollmächtigte Claif Schminke 48 Delegierte, die zur Versammlung erschienen waren. Außerdem als Gäste vor Ort: Kurt Schreck, IG Metall Vorstand, Abteilung Betriebspolitik, Elsbeth Stegemann, Organisationssekretärin Bezirk Mitte sowie Diana Trulsson, Verwaltungssekretärin und Rüdiger Schnitzler vom NUK Schefflerbetrieb, der künftig Neumitglied der IG Metall Betzdorf sein wird.
Im Geschäftsbericht der Verwaltungsstelle berichtete Schminke, dass der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf derzeit 5.027 Mitglieder angehören, zwanzig mehr als noch im Jahr zuvor. Allein im Januar dieses Jahres konnten schon weitere 12 Neuzugänge verbucht werden. Der positive Effekt des Erfolges bei Faurecia habe sich günstig in der Mitgliederwerbung niedergeschlagen.
Für den 17. September kündigte Schminke schon jetzt eine Wiederholung der Roadshow an, die in der Fußgängerzone Betzdorf durchgeführt werden soll und die Bürger einen ganzen Tag lang zu einem noch festzulegenden Thema informieren soll.
Sorgen macht man sich derzeit auf der IG Metall Geschäftsstelle um die Firma Fuhrländer in Liebenscheid. Es sei schwierig, dazu etwas zu sagen, mal sei die Rede von Mitarbeitern die freigestellt werden sollten und dann auch mal wieder nicht. Letzte Erkenntnisse besagen, dass 80 Personen bleiben können, die Auszubildenden jedoch ohne Perspektive dastehen. Einige hätten schon an andere Firmen in der Region vermittelt werden können, doch dies sei längst nicht für alle möglich.
Seitens der IG Metall prüfe man derzeit, ob es möglich sei, die Ausbildungswerkstatt aus der Insolvenz heraus zu nehmen und diese von einem Verbund verschiedenster Träger erhalten zu können. Es sei wichtig, die Jugendlichen in der Situation nicht allein zu lassen. Sollte die Ausbildungswerkstätte wegfallen, entstehe dort ein großer weißer Fleck, so Schminke. „Wir werden uns für deren Erhalt einsetzen“.
Stichwort: Faurecia. Dazu berichtete Schminke den Delegierten in kurzen Worten jedoch ausführlich, wie die angedrohte Werksschließung abgewendet werden konnte. Dabei war dem Bevollmächtigten seine Euphorie über den gemeinsamen Kampf um die Arbeitsplätze und das Erreichte anzumerken. Begeistert erzählte Schminke von dem engen Zusammenhalt der Belegschaft, der einmütigen Unterstützung aus den Reihen der Politik, die Mut machenden Solidaritätsbekundungen aus den Belegschaften anderer Unternehmen und sogar aus den Werken der Autobauer. Bei Mitstreitern der Firmen Mubea, Rexnord und Federal Mogul bedankte Schminke sich mit einem Blumenstrauß.
Die Crux an der Geschichte sei jedoch, dass im Laufe der nächsten vier Jahre die Verträge der Leiharbeiter auslaufen werden. Wie viele von den betroffenen Menschen wirklich letztlich gehen müssten, stehe aber noch nicht fest, dies hänge auch von der Auftragslage ab. Derzeit würden noch Aufträge eingeholt. Mit der Abwendung der Werksschließung, habe man aber ein Signal in die Republik gesetzt. Ein einmal gefasster Beschluss muss nicht immer hingenommen werden, dies habe Wirkung in der IG Metall und werde auch Nachahmereffekte haben. Schminke wünscht sich, dass die Vertrauensleute in den Betrieben ausgebaut werden und appellierte diesbezüglich an die Delegierten, dafür in den Betrieben zu werben und auch die Mitgliederwerbung zu forcieren.
In den bevorstehenden Tarifverhandlungen will die IG Metall Betzdorf 6 Prozent Lohnerhöhung fordern. Anschließend referierte Kurt Schreck zum Thema „Tarif- und Arbeitsmarktpolitik“, gab der Versammlung aber zuvor noch die Erklärung, dass dies seine erste Delegiertenversammlung sei und outete sich, eigentlich aus den Reihen der kirchlichen "Konkurrenz" zu kommen. Dafür erhielt er einige „Buh-Rufe“.
Schreck erklärte, dass die IG Metall wieder wachse, seit zwei Jahren seien nun wieder mehr Ein- als Austritte zu verzeichnen. Im letzten Jahr wären vier Prozent der Mitglieder jünger als 27 Jahre gewesen und von den Leiharbeitern seien auch 44.000 organisiert. Am 19. März dieses Jahres sollen die Tarifverhandlungen stattfinden und die allgemeinen Wirtschaftsprognosen für das laufende Jahr werden aus Politik und Wirtschaft insgesamt positiv bewertet. Sorgen macht den Gewerkschaften jedoch der dramatische Ausstieg von Betrieben aus dem Arbeitgeberverband und somit aus der Tarifbindung. Es müsse überlegt werden, wie diesem Trend Einhalt geboten werden könne. Die Mehrheit der Bundesbürger sehe die soziale Gerechtigkeit des Landes in einer gewaltigen Schieflage. Die Menschen müssten von ihrem Lohn leben können und alle Kinder sollten gleiche Bildungschancen haben, so der Grundtenor der überwiegenden Mehrheit.
Die Zeitarbeit bezeichnete Schreck als Haifischbecken und mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen verkomme die Arbeit zur Ramschware. So ganz abgewandt hat Schreck sich von seiner kirchlichen Gewerkschaftsarbeit aber nicht. Den Delegierten las er mehrere Beispiele vor, in denen sich kirchliche Würdenträger kritisch zu den Themen Kapitalismus, Arbeit und soziale Gerechtigkeit geäußert haben.
Zum Ende der Versammlung erinnerte Schminke nochmals an die Wahl im vergangenen Jahr, bei der er zum ersten Bevollmächtigten der IG Metall Verwaltungsstelle Betzdorf gewählt worden sei. In deren Folge wurde der Geschäftsstelle Elsbeth Stegemann aus Frankfurt als Beraterin zur Seite gestellt. Die Organisationssekretärin berichtete, dass man sie damals nach Betzdorf geschickt habe, um zu prüfen, ob die Verwaltungsstelle Betzdorf noch handlungsfähig sei. Gemeinsam habe man hier vor Ort gut zusammengearbeitet und "geackert wie verrückt" und sei nun froh und glücklich, dass die Verwaltungsstelle nicht geschlossen werden musste. (anna)
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