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Nachricht vom 10.02.2008    

Komplizierter als das Erbgut

"Das menschliche Erbgut ist entschlüsselt, das deutsche Steuerrecht ist es noch nicht." Wenn sich ein deutscher Professor und Steuerexperte so äußert, kann der einfache Bürger nur ahnen, was noch alles auf ihn zukommen könnte. Beispielsweise die sogenannte Abgeltungssteuer. Mit der beschäftigte sich jetzt Professor Dr. Thomas Dommermuth in zwei Veranstaltungen der Westerwald Bank.

dommermuth

Altenkirchen/Betzdorf. Die ab Januar 2009 geltende Abgeltungsteuer ist an vielen Anlegern bislang vorbei gerauscht. Einer repräsentativen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der Westdeutschen Genossenschafts-Zentralbank zufolge ist der Begriff nur einem Drittel der Deutschen bekannt. Gerade private Anleger werden vom Zugriff des Fiskus hart getroffen, müssen daher die Zeichen der Zeit erkennen und handeln. Die Westerwald Bank verzeichnete bei Veranstaltungen in Altenkirchen und Betzdorf zwei Mal ein volles Haus.
"Das menschliche Erbgut ist seit Jahren entschlüsselt, das deutsche Steuerrecht ist es noch nicht", begann Professor Thomas Dommermuth ein wenig provokant seinen Vortrag. Finanzminister Peer Steinbrück und sein Ministerium hätten wohl noch viel Arbeit, bis das Steuerrecht in Grundzügen allgemein verständlich sei. Der Dozent für Steuerrecht an der Fachhochschule Amberg-Weiden und Gründer des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung im bayerischen Schwabach war auf Einladung der Westerwald Bank in den Kreis gekommen und referierte in den Stadthallen Betzdorf und Altenkirchen überaus unterhaltsam über die Auswirkungen der Abgeltungsteuer. "Gerade bei Thema Abgeltungsteuer ist es wichtig, dass die Menschen rechtzeitig handeln", so Dommermuth. Grundsätzlich bringe der Systemwechsel Vereinfachungen, weniger Bürokratie, weniger Steuerformulare. Die Bank nimmt den Steuerabzug direkt vor und führt die Abgaben von sich aus ab.
Dommermuth zeigte die Chancen und Regelungen auf, damit die Anleger sich mit der ab 2009 fälligen Steuer zurechtfinden. Für sie ergeben sich mit der Abgeltungsteuer nämlich grundlegende Änderungen bei der Besteuerung von Kapitalerträgen. Alle Einkünfte aus Kapitalvermögen (Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne) sind dann mit einem Steuersatz von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zu versteuern. "Das dient in erster Linie der Steuervereinfachung, denn es gibt nur noch eine zusammengefasste Einkunftsart", so Dommermuth.
Die Abgeltungsteuer betrifft fast alle Kapitalanlagen und alle Anleger. Steuerfrei bleiben Einnahmen, die unterhalb des Sparerfreibetrages, der dann Sparer-Pauschbetrag heißt, von 801 Euro für Ledige beziehungsweise 1602 Euro für Verheirate liegen. Darunter fallen künftig aber nicht nur Zins- und Dividendeneinnahmen, sondern auch realisierte Kursgewinne. Ebenso entfällt das Halbeinkünfteverfahren für Dividenden, die künftig auch mit dem einheitlichen Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent und nicht mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden. "Auch die einjährige Haltefrist, nach der Veräußerungs- oder Rückgabegewinne heute noch steuerfrei sind, fällt für Geldanlagen ab 2009 weg", erklärte Dommermuth.
Was viele Anleger interessierte: "Grundsätzlich können ab 2009 Verluste aus Wertpapiergeschäften mit Zinsen und Dividenden verrechnet werden. Eine Ausnahme bilden Verluste aus Direktanlagen in Aktien." Diese könnten nur mit Aktiengewinnen verrechnet werden. Auch nach 2009 können steuerpflichtige Anleger Steuerzahlungen bis zum Pauschbetrag steuerfrei erhalten. Außerdem besteht weiterhin das Recht, sich zur Einkommensteuer veranlagen zu lassen. "Die so genannte Veranlagungsoption macht vor allem Sinn, wenn Steuerzahler tatsächlich weniger als 25 Prozent Steuern auf das Kapitalvermögen zahlen, wie es bei geringen Einkommen oft der Fall ist", erläuterte der Professor. Diese Anleger könnten dann ihren unter 25 Prozent liegenden persönlichen Steuersatz geltend machen.
Die Abgeltungsteuer werde sich sogar positiv für Anleger mit Zinserträgen und hohem Steuersatz auswirken, rechnete er vor. Denn diese Anleger hätten ihren Sparerfreibetrag meist schon ausgeschöpft und ihre Zinserträge wurden bislang mit dem persönlichen hohen Steuersatz versteuert, so Dommermuth. Da ab 2009 die Abgeltungsteuer einheitlich mit 25 Prozent als Quellensteuer und damit direkt von der jeweiligen Bank an das Finanzamt abgeführt wird, zahlten diese Anleger weniger Steuern als bisher. Anleger, die mit Riester-Sparplänen für ihr Alter vorsorgen, sind von der neuen Regelung nicht betroffen. Hier gelte weiter die nachgelagerte Besteuerung bei Auszahlung zum persönlichen Steuersatz. Die Konsequenz: Kein Grund zur Panik, "aber sinnvolle Umschichtungen und Neuausrichtungen sind angebracht", resümierten die Bankvorstände Paul-Josef Schmitt und Markus Kurtseifer. Die Kalkulation für die Kurz- und Langfristanlage sowie Altersvorsorge gelte es unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Abgeltungsteuer zu überprüfen. Und das tangiert wohl jeden - kurz- und langfristige Sparer, Versicherte, Berufstätige und Ruheständler gleichermaßen.
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Foto: Professor Thomas Dommermuth vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung "entschlüsselte" beim Infoabend der Westerwald Bank die neue Abgeltungsteuer.



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