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Bildungssystem durchlässiger machen
"Wir brauchen ein aufstiegsorientiertes Bildungssystem," sagte Ministerin Doris Ahnen am Montagabend im gut besetzten katholischen Jugendheim in Wissen, als sie das Bildungssystem der Zukunft vorstellte. Dessen Diskussion hat im Kreis Altenkirchen längst begonnen. So musste sich die Bildungsministerin während der Veranstaltung der Kreis-SPD denn auch einige kritische Fragen gefallen lassen, auch wenn die grundsätzliche Bereitschaft zu Reformen bei den zahlreich anwesenden Pädagogen und Eltern zu überwiegen schien.
Wissen/Kreis Altenkirchen. Was muss das erste Ziel einer modernen Bildungsreform sein? Die rheinland-pfälzische Bildungs-Ministerin Doris Ahnen (SPD) vergaß am Montagabend in Wissen nicht, wieder und wieder darauf hinzuweisen: Die Schaffung von mehr Chancengleichheit ist das A und O jeder Bildungsreform. Immer noch sei es eines der größten Perobleme in der Republik, dass die Bildungsperspektiven von Kindern zu sehr von ihrem sozialen Hintergrund abhängen. Jetzt müsse es darum gehen, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Deshalb setze man bei der Mainzer Landesregierung auch auf die gründliche Diskussion der Reformvorschläge vor Ort mit den betroffenen Kommunen und nicht zuletzt auch mit Pädagogen und Elternvertretern.
Zwei Kernpunkte der Mainzer Reformbemühungen sind die Umwandlung der Realschule in eine Realschule "Plus" - unter Einbeziehung der bisherigen Hauptschulen - und die Möglichkeit von G-8-Gymnasien mit dem schnelleren Zugang zum Abitur. Dabei müsse eines klar sein: Die bewährte Orientierungsstufe von Realschule und Gymnasium soll möglichst unangetastet bleiben, weil es wegen der gleichbleibenden Stundentafeln für die Klassen 5 und 6 keinen vernünftigen Grund gebe, diesen gemeinsamen Einstieg abzuschaffen. Allerdings machte sich Ahnen auch für eine gewissen Flexibilität stark, dort, wo es möglich oder geboten ist. So könne aus einer Realschule "Plus" durchaus auch eine Integrierte Gesamtschule (IGS) werden. Angesichts der demografischen Entwicklung bis 2020 sei eine solche Flexibilität besonders angesagt, meinte die Ministerin.
Als vordringlichste Ziele für die Schulreform nannte Ahnen neue Perspektiven für die Hauptschule, die Möglichkeiten von Bildungsabschlüssen in zumutbarer Entfernung vom Wohnort, individuelle Förderkonzepte vor allem leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler, eine Stärkung der Berufsorientierung und mehr "Aufstiegschancen", vor allem auch durch die Einrichtung der Realschule "Plus" und die Möglichkeit des Erwerbs der Fachhochsulreife im allgemeinbildenden System. Schließlich müsse man intensiv daran arbeiten, die Schulabbrecherquote drastisch zu verringern, sagte Ahnen: "Keiner darf verloren gehen", müsse das Credo von Bildungspolitik lauten. Zur Zeit gibt es laut Ahnen in Rheinland-Pfalz noch etwa 7,4 Prozent Schulabbrecher.
Auch angesichts der stark zurückgehenden Schülerzahlen in den nächsten Jahren (bis über 20 Prozent) habe man sich in Mainz dazu entschieden, für die Hauptschule neue Perspektiven zu eröffnen. Das bedeute aber auch, dass diese Schulart eigenständig nicht mehr lebensfähig sei.
Zudem wolle man mit dem neuen System auch dem Wunsch der meisten Eltern Rechnung tragen, die Schuloption für die Kinder länger offen zu halten, sagte Ahnen. Angesichts der demografischen Entwicklung gehe es nämlich auch mehr und mehr um das Problem, den Fachkräftebedarf abdecken zu können, sagte die Ministerin. Das bedeute auch, dass die zZhl der Schhüler mit einer Hochschul-Zugangsberechtigung deutlich erhöht werden müsse, aber auch die Berufsorientierung der gezielten Förderung bedürfe. Deshalb stehe für ihr Ministerium die Fachhochschulreife auch besonders im Fokus. Die Reforminitiative müsse nun von den Kommunen vor Ort umgesetzt werden, stets auf der Suche nach "angepassten Lösungen" für die beiden Säulen der Reform: 1. Das Gymnasium, beziehungsweise die IGS, die zum Abitur führen, 2. die Realschule "Plus" (Realschule plus Hauptschule), die auch die Möglichkeit von Aufstiegschancen bis zur Fachhochsulreife eröffnet. Ahnen: "Dieses Plus ist mir besonders wichtig". Deshalb sieht die Ministerin auch nicht in der neuen Schulform, wie einer der Diskussionsteilnehmer, eine Abwertung der Realschule - ganz im Gegenteil. Angesprochen wurden in der Diskussion auch die sozialen Probleme, besonders an Hauptschulen, die Klassenmesszahlen und die Installierung von Integrierten Gesamtschulen, die aber nur dort in Frage kommen, wo diese auch alle drei Bildungsgänge anbieten können, so Ahnen. Deshalb sei die Realschule "Plus" auch unerlässlich.
Was jetzt getan werden müsse, sei die Aufstellung von regionalen Schulentwicklungplänen, sagte die Ministerin. Auch hier sei man im Lande schon auf einem guten Weg. In einer ersten Phase sollen bis zum Schuljahr 2012/13 die Ralschulen "Plus" beziehungsweise Integrierten Gesamtschulen geschaffen werden und die Fachoberschulen an den Realschulen "Plus" starten. Das bedeutet dann das Aus für die isolierten Hauptschulen. Dass das kein "einfacher Weg" ist, sei ihr klar, sagte die Ministerin. Aber die intensive Diskussion habe nun begonnen. Am Ende müsse eine Bildungslandschaft stehen, die als Ergebnis eine Struktur hervorbringe, die besser auf die Bedürfnisse der Schüler und der Gesellschaft eingehe - mit einem System, das sich durch eine möglichst gute Förderung und Durchlässigkeit auszeichnet. (rs)
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Ministerin Doris Ahnen diskutierte in Wissen mitLehrern und Eltern über die rheinland-pfälzische Schulreform. Fotos: Reinhard Schmidt
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