Brunnenbetreiber setzen sich gegen Ausbeutung zur Wehr
Die von der EU veranlasste Trinkwasserversorgung stößt bei Brunnenbesitzern im Kreis Altenkirchen auf großen Unmut. Um sich gegen die bürokratische Willkür von oben zur Wehr zu setzen, haben sich Bürgerinnen und Bürger aus dem Wildenburger und Wisser Land zum Bündnis „Unser Trinkwasser“ zusammengeschlossen.
Friesenhagen-Hundscheidt. Vor eineinhalb Jahren erhielten zahlreiche Brunnenbesitzer einen Brief vom Gesundheitsamt des Kreises Altenkirchen, welches in seinem Schreiben über die neue Trinkwasserversorgung und die dadurch anfallenden Kosten informierte. Mehr als 150 Anlagen von Eigenversorgern ohne einen öffentlichen Wasseranschluss sind im Landkreis Altenkirchen von der neuen EU-Richtlinie betroffen, die eine drastische Anhebung der Standards für Wasserleitungen und Warmwasserbereitung vorsieht. Mit dem Ziel, sich gegen die neuen Bestimmungen zur Wehr zu setzen, gründeten Bürgerinnen und Bürger aus dem Wildenburger und Wisser Land in diesem Jahr das Bündnis „Unser Trinkwasser“.
Bisher zahlten Brunnenbesitzer bereits etwa 150 Euro jährlich für die kleine Probe ihres Wassers, bei welcher etwa 15 Parameter untersucht werden. Nun sollen sie sich einer weiteren, großen Probe unterziehen, bei der mehr als doppelt so viele Parameter berücksichtigt werden, darunter auch extrem teure wie beispielsweise das der Pflanzenschutzmittel. Die Kosten für die große Probe, die nun gefordert wird, belaufen sich teilweise auf über 1000 Euro. Wie viel ein Brunnenbesitzer für die jeweilige Probe zahlen muss, hängt auch davon ab, ob er Alleinversorger ist, Mieter hat oder in der Lebensmittelproduktion tätig ist. „Die Kriterien, nach denen das entschieden wird, sind bis heute nicht transparent“, erklärt Bündnisvertreter Christoph Gehrke (Hundscheidt).
Groß ist vor allem das Unverständnis dafür, dass man lediglich im Kreis Altenkirchen den neuen EU-Auflagen Folge zu leisten habe, während Brunnenbesitzer in Nachbarkreisen oder auch im benachbarten Bundesland Nordrhein-Westfalen nicht einmal Kenntnis von den Neuerungen haben. Hinter der EU-Verordnung steckt der Grundsinn, die Trinkwasserstandards, vor allem in den osteuropäischen Ländern, zu verbessern. Den Bündnispartner ist jedoch schleierhaft, wieso man dann mit einer solchen Maßnahme ausgerechnet dort beginnt, wo das Wasser besonders sauber ist. „Die Benachteiligung unseres strukturschwachen Raums bekommt hier noch einen drauf gesetzt“, so Bündnisvertreter Stefan Sommerfeld (Friesenhagen).
Aus dieser Notlage heraus haben sich die in der Region angesiedelten Brunnenbesitzer seit Februar nun schon mehrfach versammelt und debattiert, wie sich gegen die neuen Maßnahmen ein politischer Widerstand organisieren ließe. Nachdem man anfangs zunächst in einer kleinen Gruppe von etwa sechs bis acht Personen diskutiert habe, hat sich der Gesprächskreis nun bereits mehr als versechsfacht.
Gleichzeitig klapperten die Bündnisvertreter eine politische Instanz nach der anderen ab, in der Hoffnung, dort für ihre Situation und die damit verbundene Problematik Gehör zu finden. Nachdem man sowohl auf Orts- als auch Verbandsgemeindeebene den Verweis der Nichtzuständigkeit erhielt, suchten die Betroffenen das Gespräch mit Landrat Michael Lieber und dem Gesundheitsamt des Kreises Altenkirchen. Obwohl sich die Bündnisvertreter kooperativ zeigten und einige Vorschläge anklingen ließen, etwa die große Probe zunächst vereinzelt und eventuell auf Kosten des Landes durchzuführen oder zumindest eine finanzielle Hilfeleistung zu bekommen beispielsweise durch die Investition des Wassercents in dieses Projekt, blieb ihre Frage nach dem Warum unbeantwortet und die Suche nach politischer Unterstützung erfolglos. Lediglich gab es das Angebot die große Probe zu stunden oder zu splitten. Dadurch fürchten die Betroffenen jedoch noch höhere Kosten. „Praktisch ist das genau das Gegenteil von dem, was wir erwarten und hoffen“, erklärte Bündnisvertreter Christof Strahlenbach (Eulen). Auch wandten sich die Betroffenen an die heimischen Landtagsabgeordneten Thorsten Wehner (SPD), Michael Wäschenbach (CDU) und Anne Neuhof (Bündnis90/Die Grünen), doch auch hier konnten sie nichts erreichen.
Die Bündnisvertreter vermuten, dass der Kreis Altenkirchen eine Vorreiterrolle angesichts der neuen Trinkwasserversorgung der EU einnehmen soll. Gewissheit haben sie jedoch nicht. Die Brunnenbetreiber beschreiben die neuen Richtlinien als in Ursache und Ansatz falsch, als eine unsinnige bürokratische Last. „Hier findet eine Verschiebung statt, von der Öffentlichkeit auf das Private, von der Ursache auf Symptome“, so Bündnisvertreter Christoph Gehrke, ergänzt, dass hier der Frage „Wer verschuldet eine eventuelle Wasserverunreinigung?“ gar nicht nachgegangenen wird und dass das Verschulden von Chemie und Industrie, etwa durch den Kerosinausstoß von Flugzeugen, dabei keinerlei Berücksichtigung findet. „Hier geht es nicht nur um Wasser, sondern auch um politische Willkür, die auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird“, so Gehrke.
Gleichzeitig machen die Bündnisvertreter klar, dass sie in jedem Fall den Schutz von Wasser und Gesundheit sowie eine Überwachungspraxis, die zu deren Gewährleistung beiträgt, befürworten. Aus diesem Grund führen die Brunnenbesitzer jährlich Wasserproben durch und schützen die Einzugsbereiche. Des Weiteren werden die Trinkwasseranlagen von den Betreibern individuell durch finanzielle Aufwendungen und entsprechende Zusatzanlagen auf einem technisch einwandfreien Niveau gehalten und vom Gesundheitsamt Altenkirchen überwacht. Sobald ein Problem auftreten sollte, wären die Leute bereit, darauf mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren, sind sich die Bündnisvertreter einig. Wieso sie ihr über Jahre als sauber bestätigtes Wasser allerdings im Rahmen der großen Probe nun zahlreichen weiteren Parametern unterziehen sollen, ohne dass irgendwelche negative Vorkommnisse aufgetreten sind, und dabei auch noch immense Kosten auf sich nehmen sollen, ist den Brunnenbesitzern unverständlich.
Auch geht mit den neuen Richtlinien und den immensen Mehrkosten bei den Betroffenen die Angst einher, dass auf die neuen immer mehr weitere Parameter folgen werden, obwohl aus Sicht der Brunnenbetreiber auch der Zusatz für den Gesundheitsschutz schon überflüssig sind. Auch sieht man sich mit finanziellen Nöten konfrontiert, denn die Kreisverwaltung habe klar mitgeteilt, dass im Falle eines Widersetzens das Probeverfahren eingeleitet und zusätzlich ein Ordnungswidrigkeitsverfahren in Gang gesetzt wird. Bündnisvertreter Günter Weyel (Wisserhof) ist Rentner und muss im nächsten Jahr an einer zusätzlichen Probe teilnehmen, die ihn nochmal 350 Euro kostet, zudem standen die kleine Probe an und nun die große Probe an. Außerdem soll er das Wasser aufgrund abweichender Werte chloren, wofür er eine Pumpe für 2.500 Euro anschaffen musste, die bereits einmal vom Blitz getroffen wurde und ersetzt werden musste. Für den Alleinversorger ist das ein schwerer finanzieller Schlag. „Der Unmut, der sich hier breit macht, hat auch damit zu tun, dass die Absurdität und Willkür in der Mitte der Bevölkerung angekommen ist“, ergänzte Christoph Gehrke, „Das machen wir nicht mehr mit.
Die Mitglieder des Bündnisses „Unser Trinkwasser“ fordern daher die Beibehaltung der bisherigen Kontrollpraxis ohne bürokratische Willkür, den beabsichtigten Vollzug der Trinkwasserverordnung zu revidieren, keine Symptombekämpfung auf dem Rücken der Bürger zu betreiben, die Kosten-Nutzen-Verhältnismäßigkeit richtigzustellen und die Qualitätssicherung des Trinkwassers zuallererst einmal als öffentliche Aufgabe aufzufassen.
Um über das weitere Vorgehen zu debattieren findet daher am 28. August um 20 Uhr eine neue Versammlung des Bündnisses „Unser Trinkwasser“ statt, zu der Interessierte und Betroffene herzlich eingeladen sind. (bk)
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