Agrarwende und nachhaltige Lebensstile waren Thema
Der Kreisverband Altenkirchen und der Ortsverband Betzdorf-Kirchen von Bündnis 90/Die Grünen hatte an den Frühstückstisch geladen. Bei Produkten fast ausschließlich von regionalen Erzeugern, wurde die Themen Lebensstiländerung und neue Ansätze in der Agrarpolitik besprochen. Die Agrarwende sei das große Thema der Zukunft, so das Fazit.
Betzdorf. „Die Grünen unterscheiden sich von anderen Parteien, weil sie nicht nur eine nachhaltige Politik fordern, sondern auch einen nachhaltigen Lebensstil praktizieren.“ Dass sie mit dieser Haltung öfter anecken, ist Horst Vetter, Sprecher des Ortsverbandes Betzdorf-Altenkirchen, durchaus bewusst – dies hätten etwa die „hysterischen Reaktionen“ die dem Vorschlag nach einem Veggie-Day folgten, gezeigt. Zumindest im weiteren Sinne zur aktuellen Ernährungsdiskussion passend, war nun das Thema eines Pressefrühstücks, das gemeinsam vom Kreisverband Altenkirchen sowie dem Ortsverband im Grünen Salon in Betzdorf veranstaltet wurde und zu dem Vetter einige Gäste begrüßen konnte.
Neben dem Ortsverbandssprecher und der Landtagsabgeordneten Anna Neuhof, sprachen und diskutierten Claudia Leibrock, Bernhard Höfer, Dieter Janecek und Dr. Rudolf Beyer über „Nachhaltige Lebensstile und Vermarktung von regionalen Produkten“.
Den Anfang machte dabei am Freitagmorgen der Praktiker in der Runde. Bernhard Höfer ist Inhaber des Hofgutes Obergüdeln, das auf Milchverarbeitung spezialisiert ist. 130 Kühe nennt der Landwirt sein eigen, Milch und Milchprodukte liefert er an Privatkunden oder an Institutionen, etwa Schulen, Kindergärten und Altenheime in der Region. Die Milch, die nicht privat vermarktet wird, geht an ein großes milchverarbeitendes Unternehmen. Bereits seit 1954 setzt die Familie Höfer auf Direktvermarktung, doch Höfer benannte auch Probleme und aktuelle Veränderungen. So werde etwa in den Haushalten immer weniger gekocht – dies und der demographische Wandel haben Einfluss auf die Produktpalette, die Höfer mit seinen 23 Mitarbeitern produziert und verkauft. Für Zwei-Liter-Flaschen Milch und 500-Gramm-Packungen Quark gibt es heute praktisch keine Abnehmer mehr. Und wie emotional aufgeladen die Themen Landwirtschaft und Ernährung sind, bekommt er gelegentlich selbst zu spüren: „Ich werde manchmal als Massentierhalter beschimpft.“ Dabei hätten seine Milchkühe täglich mehrere Stunden Auslauf und die Qualität der Haltung habe nichts mit der Anzahl der Tiere zu tun.
Bezug nehmend auf den Veggie-Day, ist die Meinung des Landwirts konträr zu der der Grünen. „Zwang ist Quatsch“, betonte er. Vielmehr setzt Höfer auf eine Bewusstseinsveränderung und das schon bei den ganz jungen Verbrauchern. So ist sein Betrieb Teil des Projektes „Lernort Bauernhof“ – und Schulen, Kindertagesstätten, Privatpersonen wird der Besuch des Hofgutes ermöglicht.
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Auch Anna Neuhof stellte eindeutig klar: „Wir haben gute konventionelle Betriebe.“ Und ähnlich wie Höfer setzt sie darauf, an das selbstständige Nachdenken zu appellieren, wenn es um den Verbrauch regional und nachhaltig produzierter Lebensmittel geht. Außerdem sei die Geschmacksschulung sehr wichtig und mit Projekten wie „Kita isst besser“ und der Verteilung von Schulobst seien erste Schritte getan. Aber sie weiß: „Der Weg zur Bewusstseinsveränderung ist noch lang.“
„Wir müssen jungen Leuten die Kompetenzen geben, ihr Verhalten auf Nachhaltigkeit zu überprüfen“, pflichtete Claudia Leibrock bei. Die Diplom-Agrarbiologin ist Referentin für Agrarpolitik und Landsoziologie bei der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen. Ein Knackpunkt der Debatte ist für sie nicht zuletzt die Frage nach dem Preis von Lebensmitteln: „Es muss für die Produzenten einen fairen Preis geben, aber die Verbraucher müssen auch noch einkaufen können.“
Bei den finanziellen Gesichtspunkten hakte Dieter Janecek ein. Der Diplom-Politologe und Landesvorsitzende der bayrischen Grünen bemängelte, dass Subventionen immer noch so verteilt würden, dass Massentierhaltung gefördert würde. Hier sieht er Raum für politische Maßnahmen. Würden etwa die Standards für Massentierhaltung erhöht, würde sich der Preis für Fleisch aus diesen Betrieben erhöhen. Sein finanzieller Vorteil gegenüber nachhaltig produzierten Produkten zumindest ein Stück weit getilgt und die Wertschätzung der Verbraucher für Fleisch steigen. „Nur auf den Bürger zu vertrauen, wird nicht funktionieren“, meinte Janecek. Und war sich sicher: „Die Agrarwende wird das nächste große Thema!“ (bud)
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