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Nachricht vom 30.08.2013    

Faurecia wird nun doch den Tarifvertrag einhalten

Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft waren stocksauer, als Faurecia versuchte, den erst im Februar geschlossenen Tarifvertrag nicht einzuhalten. Die Konzernleitung wollte die Produktion bestimmter Teile verlegen, obwohl es im Vertrag zugesichert war. Energisch setzte man sich zur Wehr, seit Mittwoch ist klar, es wird vertragsgemäß weitergehen.

Bei Faurecia hatte es eine Betriebsversammlung mit viel Emotionen gegeben. Fotos: pr

Betzdorf. Wieder einmal hat bei der Firma Faurecia in Scheuerfeld der Baum gebrannt und nochmals ist es dem Betriebsrat und der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf gelungen, ihn zu löschen. Das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsführung und die Konzernleitung sind allerdings nachhaltig beschädigt.

Um die frohe Botschaft an die Öffentlichkeit zu verkünden, hatte Claif Schminke, der Bevollmächtigte der IG Metall Geschäftsstelle Betzdorf ins Rathaus eingeladen. Gemeinsam mit Bürgermeister Bernd Brato, dem Betriebsratsvorsitzenden Volker Knautz und dessen Stellvertreter Yüczel Öztürk berichtete Schminke, wie es in den vergangenen Tagen bei Faurecia in Scheuerfeld zugegangen war.

So hatte sich Mitte des Monats schon abgezeichnet, dass bestimmte Teile der Geschäftsführung auf europäischer Ebene nicht vor gehabt hatten, den ungeliebten Tarifvertrag einzuhalten, der erst im Februar diesen Jahres mit der IG Metall, dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung ausgehandelt und unterzeichnet worden war. Darin sei unter anderem verankert gewesen, dass die Produktion des Handschuhfachs und der Instrumententafel aus anderen Bereichen des Konzerns nach Scheuerfeld verlagert werden sollte. Im Werk sei auch schon seit einiger Zeit darauf hin gearbeitet worden, diese Produktion demnächst anlaufen zu lassen. Plötzlich habe es geheißen, der Auftrag könne nicht in Scheuerfeld erledigt werden. "Die Geschäftsleitung hat sich bei Erklärungsversuchen in Widersprüche verwickelt", so Claif Schminke. Angeblich wolle der Kunde, die Firma Opel, den Auftrag nicht in Scheuerfeld erledigen lassen. Bei einem Kontakt mit dem Betriebsrat von Opel wäre davon keine Rede gewesen, erklärte der Gewerkschafter.

In Scheuerfeld habe große Betroffenheit geherrscht, so Schminke, denn die Belegschaft habe sich auf Grund des Tarifvertrages in Sicherheit gewähnt, immerhin gehe es bei dem Auftrag um den Erhalt von 70-80 Arbeitsplätzen. Der Betriebsrat wandte sich an die IG Metall Geschäftsstelle und diese schloss sich mit der Bezirksleitung in Frankfurt kurz. Es wurde beschlossen eine Betriebsversammlung einzuberufen und dabei die Mitarbeiter aus der Nachtschicht mit einzubeziehen. Vertrauensleute seien aktiviert worden und man habe schon sechs Busse bestellt, um zur Aufsichtsratssitzung nach Frankfurt zu fahren. Die jungen Mitarbeiter und Azubis hatten schon Plakate und Banner gebastelt.

„Es ist teils mit viel Emotion gearbeitet worden“, so Schminke. Er berichtete von einer Mitarbeiterin des Unternehmens, die ihn per Telefon kontaktiert habe. „Die Frau hat geweint“. Schminke bezeichnete diese Unsicherheit, die seitens der Geschäftsführung von Faurecia nun schon zum zweiten Male innerhalb eines Jahres hervorgerufen worden wäre als unmoralisch und asozial. „Das geht gar nicht“! Es könne nicht sein, dass man so mit den Menschen umgehe und diese nie wüssten, wie es in ihrem Leben weiter gehen soll.

Mittwochabend, am 28. August konnte dann in Frankfurt alles klar gemacht werden. Dort verhandelte der Betriebsrat und die IG Metall mit der Geschäftsführung aus Hagenbach. Seitens der Geschäftsleitung habe man sich für die Irritationen sogar entschuldigt, berichtete Schminke. Für ihn und den Betriebsrat steht fest, dass die Entscheidung gegen den Tarifvertrag nicht in Scheuerfeld getroffen wurde. Die Arbeitgeberseite habe angeboten den Tarifvertrag einzuhalten, mit diesem Angebot sei man heute Morgen in die Betriebsversammlung gegangen, die sehr gut besucht gewesen wäre. In der Versammlung habe die Geschäftsleitung gegenüber der Belegschaft die Entschuldigung sogar nochmals wiederholt. Einstimmig stimmte die Belegschaft den am Vorabend getroffenen Beschlüssen zu. Für die Arbeitgeberseite sei es nun wichtig, die Mitarbeiter wieder mit dem Kopf in das Unternehmen zurück zu holen. Einen dritten Eklat könne sich die Firma nicht leisten, die Belegschaft sei sehr geladen, dann werde es dazu kommen, dass beim Kunden die Bänder stehen bleiben.
Glück habe man gehabt, dass die Kollegen von Opel zu den Kollegen von Faurecia gestanden hätten. Solche Unterstützung sei wichtig. Schminke lobte die Arbeit des Betriebsrates und sprach den Kollegen einen Dank aus. Die Aushebelung eines Tarifvertrages könne man sich nicht bieten lassen, das gäbe einen Flächenbrand in ganz Deutschland, so Schminke. Ganz Deutschland habe in diesen Tagen wieder nach Scheuerfeld geguckt und für den erfolgreichen Kampf seien auch schon Glückwünsche aus der ganzen Republik eingegangen.
Knautz berichtete, dass die Stärke der Belegschaft von Faurecia Scheuerfeld darin liege, dass diese über lange Jahre harmonisch gewachsen sei. Er sei überrascht gewesen, wie schnell die Belegschaft mobilisiert werden konnte. Man könne es sich nicht bieten lassen eine getroffene Vereinbarung zu kippen, das sei auch eine Frage der Ehre. Knautz warnte, ein drittes Mal sollte die Geschäftsleitung ein solches Szenario nicht wiederholen, die dann erfolgenden Reaktionen könne der Betriebsrat nicht mehr kanalisieren. Ziel sei es schließlich, das Werk auch über 2017 hinaus zu erhalten. Das Vertrauen in die Geschäftsführung sei allerdings sehr stark angeknackst.
Öztürk drückte sich da noch deutlicher aus. Er vertraue dem Arbeitgeber nicht mehr, aber er vertraue der Belegschaft. Daher habe man diesmal den Vertrag auch von einem Vertreter der Geschäftsführung der Deutschen Holding unterzeichnen lassen. Was im Februar erreicht worden sei, das wolle man auch verteidigen. Der Betriebsrat sei wachsam. Der Geschäftsführung gab Öztürk den Rat nicht über eine Schließung, sondern über den Fortbestand des Standortes Scheuerfeld nachzudenken.



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Bürgermeister Brato erklärte, dass es ihm wichtig sei, dass Arbeitsplätze erhalten blieben und er sich daher diesbezüglich auch immer klar und deutlich positioniere. Er hasse es wie die Pest, wenn Menschen wie Spielbälle behandelt würden. Eine Geschäftsführung habe mit ihren Mitarbeitern einen menschlich anständigen Umgang zu führen. Die Argumentation der Konzernleitung gegen den Standort Scheuerfeld kommentierte Brato so: Die Lohnsituation kann nicht ausschlaggebend sein, die liegt in Deutschland im unteren Drittel von Europa. Auch der technische Stand sei hoch, das einzige was fehle sei eine schnelle Anbindung an die Autobahn. Alles andere sei Politik der Konzernleitung in Frankreich. Ein solcher Umgang mit den Menschen gehöre sich einfach nicht.

Abschließend berichtete Schminke, dass die Produktion des Handschuhfachs etwa um Weihnachten herum in Scheuerfeld aufgenommen werden könne, etwas später laufe dann die Produktion der Instrumententafel an. (anna)



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