Esther Bejarano: Mahnerin für Frieden und gegen Faschismus
Totenstille herrschte im Kulturhaus Hamm, als Esther Bejarano ihre schrecklichen Erlebnisse als junges Mädchen aus den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück, mit bewegender und teils stockender Stimme schilderte. Sie gehört zu den letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Als Künstlerin und Mahnerin für Frieden wurde sie einem Millionenpublikum bekannt.
Hamm. Nachdem Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen Esther Bejarano die jüdische Kulturgedenkstätte im Kulturhaus Hamm, einem ehemaligen jüdischen Haus, gezeigt hatte, begrüßte die Kreisbeigeordnete Erika Hüsch die rund 50 erschienenen Gäste zur Lesung.
Esther Bejarano, 89 Jahre alt, mit der heute noch sichtbaren KZ-Nr. 51948 an ihrem linken Unterarm, las aus ihrem Buch „Wir leben trotzdem“, von ihrer Verfolgung durch die Nazis, von ihrer Zeit als jüdische Zwangsarbeiterin für den Rüstungsbauer Siemens und aus den Konzentrationslagern.
Als 15-jähriges Mädchen wurde sie in Saarbrücken mit mehr als 1000 Mädchen in Viehwaggons eingepfercht und in diesen stickigen Waggons ins Lager Birkenau/ Auschwitz nach Polen deportiert, welches sie am 20. April 1943 erreichten.
Mit Parolen der Nazis, „So, ihr Saujuden, jetzt werden wir euch mal zeigen was
arbeiten heißt“, wurden wir empfangen, so Bejarano.
Viele Kranke, Behinderte und Frauen mit Kindern wurden auf Lastwagen umgeladen und danach nie wieder gesehen. Ab dem Zeitpunkt wurden sie nicht mehr mit Namen angesprochen, sondern nur noch mit der am Unterarm tätowierten Nummer. Morgens wurden sie per Kolonne zur Zwangsarbeit gebracht.
Einem glücklichen Umstand hat sie vermutlich ihr Leben zu verdanken. Eine polnische Musiklehrerin wurde von der Lagerführung beauftragt ein Mädchenorchester zusammen zu stellen. Es wurde unter anderem eine Akkordeonspielerin gesucht.
„Da ich aber Klavier gelernt hatte“, so Bejarano, „und noch nie ein Akkordeon gespielt hatte, meldete ich mich mit großer Angst und gemischten Gefühlen an.“
„Gott sei Dank konnte ich nach mehrmaligem üben das Akkordeon spielen“.
Nach ein paar Wochen Probe mussten sie dann zum ersten Mal vor der SS und den Gefangenen musizieren.
Auch bei Neuankünften von Deportierten mussten sie am Bahnhof, oder besser gesagt an der Verladestation, zum Empfang für die ahnungslosen Menschen spielen. Dies sei für sie die physisch schwerste Belastung gewesen, so Bejarano.
Mit Grauen erinnere sie sich noch heute an die vielen Toten und die vom Hunger ausgemergelten Menschen und auch an die Frauen, die sich selbst umbrachten um den Grausamkeiten der SS zu entgehen.
Nach einer Krankheit wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück umgesiedelt.
Bei der dafür notwendigen gesundheitlichen Untersuchung kam es zur Begegnung mit dem berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele. Die Erinnerung an dessen eiskalte Augen würde ihr heute noch Angst einflößen.
In Ravensbrück musste sie dann für Siemens Zwangsarbeit leisten. Sie wurde für die Montage von Schaltern für Seeboote eingesetzt.
Bei einem der letzten „Todesmärsche“ des Naziregimes kurz vor Kriegsende von Ravensbrück, gelang ihr dann mit sieben Mädchen die Flucht. Esther Bejarano beendete ihre Lesung mit dem Satz: “Es war meine zweite Geburt“.
Nach Kriegsende lebte sie 15 Jahre in Israel, bevor sie im Jahre 1960 nach Deutschland zurückkehrte und seitdem in Hamburg lebt.
Das größte Anliegen Esther Bejaranos ist es, ihre Erlebnisse und Erfahrungen besonders an junge Menschen zu vermitteln, um dem Rechtsextremismus und Nationalsozialismus in keinem Land eine Plattform zu gewähren und das die nachfolgenden Generationen begreifen, dass rassistische Gräueltaten nie wieder vorkommen dürfen.
Mit ihrem Sohn und der deutsch-türkisch-italienischen Rapgruppe Microphone Mafia, veröffentlichte sie 2009 zusammen eine CD. Die Lieder und Texte sind “für eine bessere Zukunft, eine bessere Welt, mit Herz und Verstand“ und sind ein Manifest für den antifaschistischen Kampf, aber auch ein Tondokument wider dem Vergessen.
Die anschließenden Diskussionen gemeinsam mit dem Kölner Kutlu Yurtseven war noch von dem vorher gehörten geprägt. Eine Premiere in Hamm war die Vorstellung ihres neuen Buches „Erinnerungen“, welches erst zur Buchmesse in Frankfurt offiziell vorgestellt wird. (phw)
Buch: Wir leben trotzdem: Esther Bejarano - vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden [Gebundene Ausgabe], Auschwitzkomitee der BRD (Herausgeber), Esther Bejarano (Autor), Birgit Gärtner (Autor)
Veranstalter der Lesung waren:
DGB-Kreisverband Altenkirchen
DGB-Jugend Koblenz
IG-Metall Betzdorf
Kreisverwaltung Altenkirchen
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