Mittelstand hat Chancen in Fernost
Die große Mauer ist gefallen. Nur noch symbolisch hält die chinesische Mauer vermeintliche Eindringlinge fern. Viele deutsche Unternehmen investieren mittlerweile in der Volksrepublik. Dass dies nicht nur für Global Player, sondern auch für den heimischen Mittelstand interessant ist, bewies eine gemeinsame Veranstaltung von Westerwald Bank und der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) in Altenkirchen.
Altenkirchen. Aus dem Westerwald nach Fernost? Dafür bedarf es sorgfältiger Vorbereitungen und jeder Menge Informationen. Und zwar nicht nur für Touristen. Wer plant, sich mit seinem Unternehmen in den wachstumsstarken Ländern Asiens zu engagieren, muss etliche Barrieren überwinden. Die Aussichten seien zwar mehr als rosig bei Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes von um die zehn Prozent, doch um hieran teilzuhaben, bedarf es Spezialwissen, so Wilhelm Höser, Vorstand der Westerwald Bank, die zum Auftakt ihrer Workshopreihe „Expansion in neue Märkte“ Asien als Schwerpunkt gewählt hatte. Ausgewiesene Experten der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) lieferten aktuelle Bestandsaufnahmen aus China, Indien und Vietnam. "Man muss die Sprache seiner Mandanten sprechen", unterstrich PwC-Vorstand Dr. Norbert Vogelpoth bereits zu Beginn der Veranstaltung und begründete damit nicht nur die starken Vertretungen seines Unternehmens in Asien, sondern auch das Selbstverständnis des Unternehmens als Partner des Mittelstandes mit Niederlassung in Siegen. Der Westerwald sei mittelständisch geprägt, innovative Unternehmen suchten auch von hier aus neue Absatzmärkte.
Dabei sind die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen stabil und für beide Seiten wichtig. Denn Deutschland, das wohl in absehbarer Zeit den Titel Exportweltmeister an China verlieren könnte, ist für China mit Abstand größter Handelspartner in Europa. Um unternehmerisch in China und Indien, den beiden Wachstumsmotoren Asiens, oder auch in Vietnam tätig zu werden, gibt es natürlich unterschiedliche Möglichkeiten. Viele Unternehmen, so China-Experte Claus Schürmann, der fast auf direktem Weg aus Shanghai in die Kreisstadt gekommen war, beginnen mit einer Unternehmensrepräsentanz, um Geschäftstätigkeiten anzubahnen und den Markt zu sondieren. Für die meisten Mittelständler kämen dann in der Regel Personengesellschaften infrage.
Wichtig sei, und hier nickten bereits eine Reihe der Workshop-Teilnehmer zustimmend, von Anfang an Partner zu haben, die mit den Gepflogenheiten vor Ort vertraut seien, die die Kontakte vor allem zu den zuständigen Behörden pflegten und in Rechts- oder Steuerfragen helfen könnten - soweit dies möglich ist. Denn angesichts der noch jungen Steuergesetzgebung herrsche in Sachen Rechtsauslegung bisweilen große Unsicherheit. "China ist total anders", so Schürmann, die Mentalität werde noch immer unterschätzt, aber es biete enorme Chancen. Das offizielle Wirtschaftswachstum von 10,4 Prozent in 2007 spricht für sich. Gleichwohl solle man von vorneherein 50 Prozent mehr Zeit für Geschäftsanbahnungen einplanen als in Europa.
China allerdings mit Indien zu vergleichen, sei kaum möglich, meinte der Indien-Experte von PwC, Carsten Schaefer. So sei Indien bereits länger marktwirtschaftlich orientiert und habe sich erst langsam für Investitionen aus dem Ausland geöffnet. Ein großes Plus sei natürlich, dass man sich in Indien quasi mit jedem Verhandlungspartner auf Englisch verständigen könne. Enormen Nachholbedarf gebe es noch immer in puncto Infrastruktur, von Telekommunikation über Transport bis zur Energieversorgung müsse sich noch vieles entwickeln in einem der größten Länder der Welt, für das die Bundesagentur für Außenwirtschaft im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent angibt. Doch gerade in diesen Sektoren würde beständig investiert, ebenso in Forschung und Entwicklung. Leider hätten Investoren in Indien mit einem großen Ausmaß an Bürokratie zu kämpfen, aber, wenn die bewältigt sei "funktioniert es auf jeden Fall." Auch das Thema Korruption zählte Schaefer zu den negativen Rahmenbedingungen, denen man begegnen könne.
Vietnam, so ein erstes Resümee der Veranstaltung, gehört nicht zu den Ländern, die sich sofort aufdrängen, wenn es um die so genanten Emerging Markets, die Wachstumsmärkte der Welt, geht. Zu Unrecht, wie Frank Kosner, Leiter der Siegener PwC-Niederlassung und Tobias Kamphausen erläuterten. Denn schon das Wirtschaftswachstum liegt mit 8,3 Prozent 2007 fast gleichauf mit dem Indiens. Auch hier seien Reformen auf den Weg gebracht worden, der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO habe Zeichen gesetzt. Das Land ist heute eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Vietnam punktet mit noch relativ niedrigen Lohnkosten, und sukzessive werde auch hier die Infrastruktur auf Vordermann gebracht. Jedoch gebe es noch viel zu tun, auch wenn beispielsweise der Hafen von Ho-Chi-Minh-Stadt mittlerweile modernisiert worden sei, wodurch sich die Stadt zu einem der wichtigsten Handelszentren Südostasiens entwickelt habe. Während in Indien die englische Sprache manches erleichtere, kommt man in Vietnam sogar vielfach mit der deutschen weiter. Mehr als 70.000 Vietnamesen haben in der ehemaligen DDR eine Ausbildung gemacht, studiert oder dort gearbeitet. Viele von ihnen leben inzwischen wieder in Vietnam, sprechen deutsch und haben weiterhin Verbindungen zu deutschen Firmen, wissenschaftlichen Instituten oder sind eingebunden in die Entwicklungszusammenarbeit von Vietnam und Deutschland. Allerdings finde man auch hier ein sehr hohes Korruptionsniveau vor. Und auch das Rechtssystem sei noch wenig erprobt.