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Menschen als Ganzes wahrnehmen
Um die Zukunft der Erwachsenenbildung im ländlichen Raum ging es bei der Mitgliederversammlung der Evangelischen Landes-Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung für Rheinland-Pfalz, die in diesem Jahr in Altenkirchen tagte.
Altenkirchen. Wie kann die Erwachsenenbildung im ländlichen Raum auf den demographischen und sozialen Wandel reagieren? In einem Projekt der Uni Trier in den Jahren 2005-2007 wurde nach Lösungsansätzen geforscht. Die zentralen Ergebnisse wurden jetzt in Altenkirchen bei der Mitglieder-Versammlung der Evangelischen Landes-Arbeits-Gemeinschaft für Erwachsenenbildung (elag) für Rheinland-Pfalz vorgestellt.
Den 50. Geburtstag der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen nahm die Landesarbeitsgemeinschaft zum Anlass sich - statt wie gewohnt auf der Ebernburg – diesmal für zwei Tage im Westerwald zu treffen. Dieter Sonnentag, Direktor der Landjugendakademie und gleichzeitig Vorstandsmitglied der elag, freute sich natürlich über die illustre Schar aus vielen Bereichen der Erwachsenenbildung in "seinem" Haus. Während sich einen Tag lang die Mitgliederversammlung - mit dabei auch der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Eberhard Cherdron - mit internen Angelegenheiten und Regularien beschäftigte, wurde der zweite Tag des Treffens bewusst nach vielen Seiten geöffnet. So fanden sich zum fachlichen Teil der Versammlung auch "nicht evangelische" Träger der heimischen Erwachsenenbildung ein, Landrat Michael Lieber informierte sich, Vertreter der rheinland-pfälzischen Ministerien standen Rede und Antwort, und gemeinsam diskutierte man engagiert die Perspektiven der ländlichen Erwachsenenbildung.
"Kooperieren und vernetzen" sind die Schlüsselbegriffe, wenn es um Chancen einer Erwachsenenbildung in veränderten ländlichen Räumen geht. In Rheinland-Pfalz, so die elag-Vorsitzende Dr. Kirsten Arnswald, gehe man davon aus, dass 85 Prozent der Menschen in ländlichen Räumen leben, die zwar auch Gemeinsamkeiten hätten, aber auch sehr individuelle Bedürfnisse. Die Fachtagung, so Arnswald, wolle die Hintergründe erkennen, Herausforderungen annehmen und Impulse geben für die evangelische Erwachsenenbildung der Zukunft.
Es waren hauptsächlich der Landwirtschaft verbundene Menschen und Kursteilnehmer der Erwachsenenbildung, die der Uni Trier, die in Kooperation mit der Landesvereinigung für ländliche Erwachsenenbildung (LEB) und der AG sozialwissenschaftliche Forschung und Weiterbildung (asw) der Uni Trier (gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur) bei der Projektarbeit zur Erforschung des "Demographischen und sozialen Wandel im ländlichen Raum" zur Seite standen. Drei unterschiedliche Regionen mit jeweils anderen Prognosen bezüglich der künftigen demographischen Entwicklung waren als Untersuchungsgebiete ausgewählt. Die Empfindungen der Befragten zur Entwicklung ihrer Region deckten sich mit den wissenschaftlichen Wachstumsprognosen. Als entscheidend für die Entwicklung der jeweiligen Region wird von den Befragten die wirtschaftliche Situation und damit einhergehend die infrastrukturelle Anbindung und die Nähe zu Erwerbsmöglichkeiten angesehen. Da, wo es bereits jetzt an wirtschaftlichen Impulsen fehlt, ist der demographische Wandel (Rückgang der Bevölkerung und zunehmende Alterung der Gesellschaft) bereits deutlich spürbar.
Dieser Wandel spiegelt sich auch in den Organisationen/Vereinen vor Ort wider. Bereits jetzt seien auf Grund fehlenden Nachwuchses Überalterungstendenzen spürbar und Vereins- und Verbandsstrukturen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Für die Zukunft müssen deshalb - so die Studie – neue Kooperationsformen der Vereine und Verbände entstehen.
Dass die Weiterbildungsträger nicht mehr allesamt einen "Gemischtwaren-Laden" anbieten können, sondern sich auf ihre jeweiligen Stärken und das Miteinander in der Region stützen müssen, unterstrich auch die Diskussionsrunde mit Brigitte Erzgräber (Bildungsministerium/Mainz), Franz-Josef Strauß (Wirtschaftsministerium/Mainz), Gerlinde Eschemann (Landfrauen-Vorsitzende/Kreis Altenkirchen), Maren Heincke (Referentin für den ländlichen Raum bei der hessen-nassauischen Kirche) und Winfried Frank (von der Erwachsenenbildung der Evangelischen Kirche der Pfalz). Eine Form der Vernetzung und Angebots-Absprache sind die Weiterbildungsbeiräte der Landkreise. Nicht überall – so machte die Diskussion deutlich - funktionieren sie so gut wie im Kreis Altenkirchen. In einigen Regionen empfindet man diese Gremien als "tot und ausgelutscht". Dass sie im Kreis Altenkirchen funktionieren – so der Vorsitzende des hiesigen Weiterbildungsbeirat - Christoph Weber, liege auch am Engagement der Beteiligten. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Träger geschehe für alle auf ehrenamtlicher Basis. Die zunehmenden Belastungen im Weiterbildungsbereich, wo immer weniger Hauptamtliche immer mehr Aufgaben übernehmen müssten, lasse für dieses übergreifende Engagement nicht mehr allzu viel Luft. Dessen ungeachtet hat es der heimische Weiterbildungsbeirat wieder geschafft, für den 7. September wieder eine Gemeinschaftsveranstaltung, ein "Lernfest" zu Familie und Bildung mit 25 Mitwirkenden auf die Beine zu stellen.
Die demographischen Wandlungen stellen alle Beteiligten auch vor andere Herausforderungen: die Zielgruppe "Ältere" gewinnt an Bedeutung, bildungsferne Gruppen werden von den traditionellen Angeboten nicht mehr erreicht. Inhalte wandeln sich schnell (der Boom von PC/EDV ist vorbei) und Bildung und individuelle Beratung rücken näher zusammen. Nur wer mobil ist, kann auch zentrierte Angebote wahrnehmen. Eine zunehmend ältere Klientel kann nur bei einem entsprechenden ÖPNV-Angebot (gerade auch in den Abendstunden) überhaupt Weiterbildung annehmen.
Gefordert sind die Anbieter der Weiterbildung nicht nur durch zunehmende Anfragen zur beruflichen Weiterbildung, aber: "Der Mensch muss als Ganzes wahrgenommen werden, nicht nur als Teil des Wirtschaftsprozesses", sondern auch flexibel in ihren Organisationen reagieren. So wollen immer mehr Interessierte an Weiterbildung sich erst kurzfristig anmelden.
Die Ansprache der jüngeren Generation, das "E-Learning" als komplementäres Angebot, neue Lernformen und die Qualitätssicherung stellt die Anbieter ebenfalls vor neue Herausforderungen. Auf all diesen Wegen – so die Versammlung- müssen immer weniger Hauptamtliche auch die Ehrenamtlichen "mitnehmen". Dass damit etliche Wünsche an die Verwaltung und Politik einhergehen, machte eine weitere Diskussionsrunde mit den Landtagsabgeordneten Werner Kuhn (FDP) und Dr. Peter Enders (CDU) und dem Beauftragten der Evangelischen Kirchen in Rheinland Pfalz, Dr. Jochen Buchter, deutlich. So müsse über die Fragen von geringeren Mindestteilnehmerzahlen bei Fortbildungen ebenso gesprochen werden wie über die Bereitschaft der Politik zugunsten der ländlichen Räume Mittel aus den Ballungsräumen "abzuziehen". (pes)
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Helga Seelbach (links), Referentin bei der Landjugendakademie Altenkirchen, moderierte eine spannende Diskussionsrunde zur Zukunft der Erwachsenenbildung angesichts des demographischen und sozialen Wandels im ländlichen Raum. Mit dabei (von links): Brigitte Erzgräber (Bildungsministerium), Franz-Josef Strauß (Wirtschaftsministerium), Maren Heincke (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau), Gerlinde Eschemann (Landfrauen-Vorsitzende im Kreis Altenkirchen) und Winfried Frank (Evangelische Kirche der Pfalz). Foto: Petra Stroh
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