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Mobilitätsoffensive der Grünen
Einen neuen Anlauf für ein umfassendes Mobilitätskonzept wollen mit Anträgen in den Räten die Bündnisgrünen aus Kirchen und Betzdorf machen. Dazu haben sie einige Kriterien formuliert.
Neue Ideen für eine klimafreundliche und zukunftsfähige Mobiltät
Betzdorf/Kirchen. Als völlig unzeitgemäß kritisieren die GRÜNEN Betzdorf-Kirchen die neuerlich wieder diskutierten Umgehungsstraßen-Projekte in Betzdorf. Stattdessen fordern sie eine zukunftsfähige Verkehrspolitik in den Kommunen, die alle Arten von Mobilität umfasst. Vorstandsprecher Horst Vetter beklagte auf der jüngsten Mitglieder-Versammlung des Ortsverbandes im Kirchener Kuchenschlößchen, dass man in der hiesigen Politik immer noch auf Millionen schwere Straßenbauprojekte setze, ohne zu bemerken, dass sich "die Herrschaft des Autos seinem Ende zuneigt", wie die Rhein-Zeitung in einem Leitartikel unlängst formuliert habe. "Autofahren wird schon sehr bald für viele zum unerschwinglichen Luxus werden", beschrieb Vetter die zu erwartende Entwicklung und sagte: "Seit 2007 geht die weltweite Ölförderung um täglich 500.000 Barrel pro Tag gegenüber dem Vorjahr zurück – ein Rückgang um gut einem halben Prozent, weil die Ölquellen einfach nicht mehr hergeben." Gleichzeitig steige die Nachfrage nach Öl weltweit. Das wachsende Missverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot lasse den Ölpreis in immer neue Rekordhöhen klettern - eine Entwicklung, deren Ende noch lange nicht erreicht sein dürfte. Schlecht für die Menschen im ländlichen Raum, wo die Verkehrs-Infrastruktur bis in die neuesten Verkehrsplanungen fast völlig auf den automobilen Individualverkehr ausgerichtet und der Ausbau eines effizienten ÖPNV-Netzes sträflich vernachlässigt worden ist, bestehende Bahnlinien stillgelegt und Trassen in Gewerbegebiete oder Radwege umgewandelt worden seien.
Aber auch die Klimaproblematik mache ein Umdenken in der Verkehrspolitik dringend notwendig, ergänzte Sprecher Wolfram Westphal. Der Verkehr sei mit rund 30 Prozent des CO2-Ausstoßes in Europa einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Eine klimafreundliche und zukunftsfähige Verkehrspolitik müsse Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung vom Auto auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel zum Ziel haben.
Wie man auch auf kommunaler Ebene rechtzeitig auf die Herausforderungen reagieren kann, belegte Vetter anhand von Beispielen aus Städten in ganz Europa, die für ihre vorbildliche Verkehrspolitik von dem "Klimabündnis der europäischen Städte mit den indigenen Völkern der Regenwälder e.V." mit dem Climate Star ausgezeichnet wurden. Esslingen am Neckar (91.000 Einwohner/Innen) etwa ist für ein umfassendes Verkekrskonzept, mit dem sowohl zu Fuß gehen und Rad fahren als auch der öffentliche Verkehr gefördert werden, ausgezeichnet worden. Hier gibt es eine Fußwege- und Radwegekarte. Das gute ÖPNV-Angebot ist mit dem regionalen und überregionalen öffentlichen Verkehr gut vertaktet. Eigene Busspuren sorgen für beschleunigten Busverkehr, Niederflurbusse mit Rampen und Neigetechnik ermöglichen einen bequemen Ein- und Ausstieg. In der Innenstadt verkehren abgas- und lärmarme Oberleitungsbusse oder Busse mit Elektroantrieb außerhalb der Oberleitungsstrecken. Ein subventioniertes Nachttaxi bringt Nachtschwärmer sicher nach Hause.
Die Stadtgemeinde Baden (25.000 Einwohner/Innen) in Niederösterreich entwickelte ein umfassendes Radkonzept, wodurch der Anteil des Radverkehrs seit 2001 verdoppelt werden konnte. Das Radfahren wird bei der Straßenplanung nicht mehr vergessen, Lücken im Radwegenetz systematisch geschlossen. Neu geschaffen wurden Fahrradstreifen, rote Beläge und vorgezogene Haltebereiche an Kreuzungen. Alle Einbahnstraßen sind für den Radverkehr in die Gegenrichtung geöffnet. Auch an Abstellplätze wird gedacht: die größte Bike & Ride-Anlage Österreichs ist gebaut, Anlehnbügel in der Innenstadt flächendeckend aufgestellt. Das Sahnehäubchen sind ein kostenloser Radverleih sowie solarbetriebene Selfserviceboxen mit Werkzeug und Druckluft.
Die kleine Landgemeinde Zwischenwasser (3200 Einwohner/Innen), ebenfalls in Österreich, hat ein umfassendes Maßnahmenpaket mit dem Titel "Nachhaltig mobil" verwirklicht. So wurde der öffentliche Nahverkehr durch Angebotssteigerungen und neue überdachte Haltestellen attraktiver gestaltet. Begleitet wird das mit Anreizen wie einer kostenlosen Ticketausleihe oder einem Rufbus am Wochenende für die dünn besiedelten Randgebiete der Gemeinde. Es werden aber auch Car-Sharing und Fahrgemeinschaftsbörsen angeboten. Im gesamten Ortsgebiet wurde flächendeckend Tempo 30 eingeführt, wodurch sich auch die Unfallzahlen deutlich verringerten.
Kurt Möller, Mitglied in Stadt- und Verbandsgemeinderat Kirchen, bedauerte, dass weder Betzdorf noch Kirchen die mit ihrer Mitgliedschaft in dem Klimabündnis eingegangene Verpflichtung, ein klimafreundliches Verkehrskonzept zu entwickeln, umgesetzt hätten. Dadurch sei wertvolle Zeit verloren gegangen. Jetzt müssten die Verbraucher mit hohen Energiepreisen die Zeche zahlen.
Mit Anträgen in den Räten in Betzdorf und Kirchen wollen die GRÜNEN einen neuen Anlauf für ein umfassendes Mobilitätskonzept machen, das folgende Kriterien enthalten sollte:
Gibt es eine Mobilitätsberatung, die über Fahrziele, Fahrzeiten, Verbindungen und Tarife mit öffentlichen Verkehrsmitteln informiert? Gibt es ein effizientes Stadtbussystem mit benutzerfreundlichen Niederflurbussen? Gibt es attraktive, bezahlbare und gut vertaktete ÖPNV-Angebote? Verfügt die Kommune über ein durchgängiges Radwegekonzept? Setzt die Kommune auf Kreisverkehre statt auf spritfressende Ampeln? Besteht ein kommunales Tempolimit? Fördert die Kommune Car-Sharing-Initiativen? Fahren die kommunalen Dienstfahrzeuge klimafreundlich ( Gas, Bio-Diesel, Pflanzenöl aus Mischkulturen, Hybrid- oder Elektrotechnik)?
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