Thema TTIP wurde lebhaft diskutiert
Ein interessantes Referat sowie eine lebhafte Diskussion fand am Freitag im Regionalladen Unikum in Altenkirchen statt. Wolfgang Kessler, Chefredakteur von Publik Forum, referierte zum Thema TTIP und traf damit offensichtlich den Nerv der Gäste.
Altenkirchen. Es war ein spannendes, aber auch abstraktes Thema – da waren sich alle einig: Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft und ihre Folgen treffen letztlich jeden Bürger und die Möglichkeiten, sich vorab zu informieren, sind äußerst schwierig.
Wolfgang Kessler, Chefredakteur von Publik Forum und studierter Wirtschaftswissenschaftler, warf die Frage auf: Ist es möglich, wirtschaftliche Zusammenhänge mit ethischen Prinzipien in Einklang zu bringen? Sein Ziel: Die Wirtschaft erklären und nach anderen Alternativen des Wirtschaftens suchen.
Obama habe ein gutes Gefühl für das, was der Weltwirtschaft fehle, erklärte Wolfgang Kessler: Eine Vision für die Zukunft, die Vision des Freihandelsabkommens zwischen der USA und der Europäischen Union. Wenn der Handel weder durch Zölle noch durch Gesetze erschwert wird, entsteht mehr Konkurrenz und somit billigere Produkte. Dies hat bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts schon einmal funktioniert. Der Wegfall der Zölle wirkte hier wie eine Befreiung, von der alle profitierten.
Zwischen der Europäischen Union und den USA gestaltet sich die Lage heute jedoch völlig anders: Die Zölle sind niedrig, ein dynamischer Handel ist möglich. Bereits jetzt gibt es zu viel Konkurrenz, viele Menschen sehen sich in einem Hamsterrad aus Arbeit und Konsum, so Wolfgang Kessler.
Auch die positiven Wirkungen des Freihandelsabkommens werden mittlerweile realistischer gesehen. Manche Prognosen sagen sogar einen Arbeitsplatzverlust oder nur sehr geringe Arbeitsplatzgewinne voraus. Nur eine Studie aus Deutschland prognostiziert 180.000 zusätzliche Arbeitsplätze – diese Studie wurde allerdings von der EU gesponsert. "Lohnt sich der Aufwand von mehrjährigen Verhandlungen auf höchster diplomatischer Ebene hinter verschlossenen Türen – für ein Abkommen, das so wenig bringen wird?" hinterfragte Wolfgang Kessler.
Mit Begriffen wie Harmonisierung, Rechtssicherheit und Liberalität wird den Bürger eine goldene Zukunft prophezeit. Was genau sich dahinter verbirgt, erläuterte der Referent den interessierten Gästen. So folgt beispielsweise Europa dem Vorsorgeprinzip: Wenn nicht sicher ist, ob ein Verfahren oder Stoffe gefährlich sind, werden diese im Zweifel verboten. In den USA hingegen ist es umgekehrt. Solange nicht nachgewiesen ist, dass sie schaden, sind sie erlaubt. Mit Hormonen versetztes Fleisch ist hier nur ein Beispiel neben vielen weiteren.
"TTIP ist eine neue neoliberale Wachstumsoffensive von Wirtschaft und Politik – ein neuer Versuch, erst zwischen Europa und den USA und später auch weltweit einen möglichst unregulierbaren Kapitalismus durchzusetzen", schilderte Wolfgang Kessler. Er begrüßte, dass es dank des Widerstands gegen das TTIP endlich zu einer kritischen Debatte kommt. Gleichzeitig erklärte er aber auch, dass nicht nur der Widerstand ausreichend sei, sondern nach Alternativen gesucht werden müsse.
Seine Vision: Ein Abbruch der Verhandlungen und ein Neustart durch die Europäer mit einem anderen Ziel: Den Fair Trade, den gerechten Welthandel. Hier werden Unternehmen belohnt, die fair und ressourcenarm produzieren und sich für Arbeitnehmerrechte einsetzen. Nachhaltiges Wirtschaften und mehr Kontrolle statt mehr Freiheit für die Konzerne - so würde die EU zum Vorreiter auf dem Weg zu einem weltweiten Fair Trade, welches das System des Freihandels komplett auf den Kopf stellt.
Im Anschluss an das Referat fand eine lebhafte Diskussion mit den Gästen statt. Mit diesem Thema hatte man offenbar den Nerv der Zeit getroffen.
(daz)
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