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Am 1. Mai Mindestlohn für alle gefordert
"Mindestlohn für alle" - das war eine der zentralen Forderungen auf den beiden Kundgebungen des DGB im Kreis Altenkirchen zum 1.Mai in Niederfischbach und Wissen. Bei strahlendem Frühlingswetter hatten nicht allzu viele den Weg zu den Kundgebungen gefunden. In Wissen waren etwa 70 zur Sportfischerhütte gekommen. Dort forderte Hauptredner Volker Euskirchen (ver.di) dazu auf, die Ideen der Gewerkschaften in die Betriebe zu tragen.
Wissen. Mit dem Motto des DGB zum 1. Mai "Du hast mehr verdient. Mehr Respekt. Soziale Gerechtigkeit. Gute Arbeit" sei eigentlich schon alles gesagt, meinte der Hauptredner Volker Euskirchen (ver.di Koblenz) auf der Kundgebung an der Sportfischerhütte in Wissen. Dennoch machte Euskirchen, wie auch einige andere Redner, einige Anmerkungen zu den brennenden sozialen Problemen dieser Zeit. Umrahmt wurde die Veranstaltung mit Musikbeiträgen von Manfred Kessler und Karl-Heinz Dorka - und bei "Brüder zur Sonne, zur Freiheit" wußten wahrhaftig einige der etwa 70 Kundgebungsteilnehmer noch den Text und sangen inbrünstig mit.
Begrüßt hatte der Vorsitzende des DGB-Ortsverbandes Wissen/Hamm unter den Teilnehmern neben Euskirchen unter anderem Friedhelm Steiger, den 1. Beigeordneten der Verbandsgemeinde Wissen, Bernd Becker (GdP), den DGB-Kreisvorsitzenden Ralf Weirich, MdL Thorsten Wehner (SPD), das Landesvorstandsmitglied der WASG, Karl-Stefan Schulte, Leo Epping (IG-Metall Altenkirchen) und Martin Klein (Linkspartei/PDS).
Euskirchen ging in seiner Ansprache auch auf die Situation der Jugend ein. Diese sei keineswegs unpolitsiche, aber es gebe hier ein massives Problem: 365000 von 730000 Jugendlichen hätten im vergangenen Jahr einen Ausbildungsplatz bekommen, weitere seien in schuliche und außerschulische Maßnahmen gesteckt worden und 160000 seien auf der Strecke geblieben. Euskirchen: "Das ist unanständig." Es müssten dringend neue Ausbildungsplätze geschaffen werden. Der Gewerkschafter sagte, aus der Pisa-Studie ließen sich viele Konsequenzen ziehen. Eine sei,. in Bildung zu investuieren. Euskirchen verwies auf das Beispiel Finnland, wo es keine Hauptschulen mehr gebe, dafür kleine Klassen und gemeinsames Lernen bis zur 10. Währenddessen führe man hier einen Streit aus den 70er Jahren über das Für und das Wider von Gesamtschulen "und wir verlieren". Zur Ausbildung, so Euskirchen, gehöre auch Weiterbildung, hier müsse der Staat ebenso investieren und entsprechende Rahmenregelungen setzen.
Kritisiert wurde von Euskirchen auch das Elterngeld. Man stehe jetzt vor der Situation, dass viele Eltern weniger Geld zur Verfügung hätten als vorher. Auch die Dirkussion um die Kinderkrippen sprach der Redner an: Hier sei das Problem nicht mehr Geld für die Einrichtung der Krippen, sondern für deren Betrieb.
Zentrales Thema in Euskirchens Rede war der Mindestlohn. Er verwies darauf, dass sich Zweidrittel der Bevölkerung für Mindestlöhne aussprechen. Inmzwischen sei die SPD auf den Zug aufgesprungen, aber, was sie fordere, sei nicht mehr das, was die Gewerkschaften vorschlagen. Diese sprächen sich ohne Wenn und Aber für einen branchenunabhängigen Mindestlohn aus und lehnten ein Kombilohmodell strikt ab. "Unsere Forderung lautet Mindestlohn für alle", sagte Euskirchen unter dem Beifall der (meisten) Kundgebungsteilnehmer. Euskirchen wies die Kritik - auch aus den eigenen Reihen - am Mindestlohn zurück. Dieser zerstöre keineswegs Arbeitsplätze wie das Beispiel Großbritanniens und anderer Länder mit Mindestlohn zeige. Auch mache die Einführung eines Mindestlohnes die Gewerkschaften keinesfalls überflüssig, wie einige meinten. Euskirchen: "Die Forderung nach einem Mindestlohn macht die Gewerkschaften glaubwürdig, nicht überflüssig" und "die 1-Euro-Jobs gehören verboten."
Damit war Euskirchen bei "Hartz IV" angekommen: "Hartz IV ist Murks". Hier gebe es noch sehr viel Nachholbedarf. Die 1-Euro-Jobs, so der Redner, spalteten die Gesellschaft. Euskirchen forderte mehr Weiterbildung und eine Diskussion darüber, was unanständig ist, sprich die gigantischen Gehälter der Manager.
Kritik übte der Gewerkschafter auch an der Gesundheitsreform. Die meisten, die darüber abgestimmt hätten, seien garnicht Mitglied in einer gestzlichen Krankenversicherung. Das, was nun gemacht werde, sei der Einstieg in die Privatisierung von Gesundheitsleistungen..
Klipp und kar sprach sich Euskirchen auch gegen die Rente mit 67 aus. Man brauche stattdessen Arbeit für die über 50jährigen.
Euskirchen ging auch auf die aktuellen Tarifrunden und die Auseinandersetzung mit der Telekom ein. So fordere die IG-Metall 6,5 Prozent in einer Branche, der es blendend gehe. Für die Unternehmen kämen aber die Lohnforderungen - ein altes Lied - immer zur falschen Zeit.
Euskirchen forderte dazu auf, die Ideen der Gewerkscfaten in die Betriebe zu tragen, mit den Menschen zu reden und für berechtigte Forderungen zu streiten, denn "die Gewerkschaften sind immer noch das Stärkste, was die Schwächsten in unserer Gesellschaft haben."
In seinem Grußwort sagte der 1. Beigeordnete der Verbandsgemeinde Wissen, Friedhelm Steiger, man solle besonders auch an die denken, die keine Arbeit haben, besonders bei der Jugend. Es gebe eine soziale Schieflage, deshalb sei es gut, das Thema "soziale Gerechtigkeit" anzusprechen. Es könne doch nicht sein, dass auch viele derjenigen, die Arbeit haben, mit dem Erlös kaum ihre Familien ernähren können.
MdL Thorsten Wehner verwies auf die derzeitigen günstigen Konjunkturdaten: "Es geht tatsächlich aufwärts". Das diese "Erfolge" Ergebnis vor allem sozialdemokratischer Politik sei, mochten ihm aber offensichtlich nicht allzu viele so recht glauben. Tatsache sei, so Wehner, dass die Arbeitnehmer jahrelang Lohnzurückhaltung geübt hätten. Wenn es jetzt aufwärts gehe, dann heiße das für ihn: Die Arbeitnehmer müssten angemessen an diesem Aufschwung beteiligt werden. Wehner: "Aufschwung für alle ist unser Ziel". Dazu gehöre auch die Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro. Ein Mindestlohn sei ein Stück mehr Gerechtigkeit. Die Zusammenarbeit der SPD mit den Gewerkschaften könne beseser werden, merkte der Abgeordnete an. Trotz Streits habe man schließlich gemeinsame Ziele.
Martin Klein (Die Linke/PDS) sagte, die Arbeitnehmer müssten endlich entschlossen für die eigenen Forderungen kämpfen. Dabei sei die Linke ein Partner der Gewerkschaften. Klein verwies auf die Widersprüche zwischen Regierenden und der Bevölkerung und nannte als Beispiele die Gesundheitsreform, die Erhöhung des Renteneintrittsalters, das geplante Raketenabwehrsystem in Europa, die Entsendung von Tornados nach Afghanistan und den Mindestlohn, der von der CDU hartnäckig abgelehnt werde.
Bernd Becker (GdP) forderte, die Tarifvereinbarungen für den Öffentlichen Dienst auch für Beamte gelten zu lassen. Die Gewerkschaften hätten unter großen Schmerzen zugestimmt, im Öffentlichen Dienst eine Niedrigentgeltgruppe einzurichten. Das Ziel sei, private Dienste wieder zu rekommunalisieren.
2. Beigeordnete Edeltrud Ottersbach sagte, man dürfe nicht vergessen, was die ehemaligen Arbeitnehmer, sprich Rentner, für diese Gesellschaft geleistet hätten. Eine Rentenerhöhung von 0,54 Prozent sei lächerlich. "Streitet auch mal für die Rentner", forderte sie die Kollegen auf. (rs)
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DGB-Ortsverbandsvorsitzender Udo Quarz (links) begrüßte zur Maiveranstaltung des DGB in Wissen als Hauptredner Volker Euskirchen (ver.di). Fotos: Reinhard Schmidt
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