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Nachricht vom 21.06.2015    

Volkskirche und ihre Chancen für die Zukunft

Viel beachtet und viel diskutiert wurde bei der Tagung der Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises der Vortrag von Professor Gerhard Wegner. Es gab kritische Anmerkungen zur schrumpfenden Mitgliedschaft in der Kirche aber auch Mutmachendes. Zu Gast waren Vertreter des Partnerkirchenkreises "Oberes Havelland".

Prof. Gerhard Wegner brachte in die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen viele Erkenntnisse aus der fünften EKD-weiten „Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung“ ein. Er sieht die Volkskirche als „funktionsfähig“ an, forderte aber mehr Engagement aller bei der Weitergabe des Glaubens, damit nachwachsende Generationen nicht durch „Gleichgültigkeits-Verhalten“ der Bezugspersonen von eigenen Glaubenserfahrungen fern gehalten würden. Fotos: Petra Stroh

Kreis Altenkirchen. 44 Prozent der Mitglieder fühlen sich mit „ihrer Kirche“ sehr oder ziemlich verbunden und für rund 73 Prozent ist ein Kirchenaustritt kein Thema. Prof. Gerhard Wegner, Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg und Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, hatte für die Kreissynode des Evangelischen Kirchenkreises Altenkirchen, die am Samstag in Altenkirchen tagte, auch etliches Mutmachende dabei.

Sein Fazit: die Volkskirche funktioniere nach wie vor, aber das Interesse an der Weitergabe des Glaubens werde weniger. „Wir schrumpfen“, bilanzierte er. Ursachen seien zwar auch Kirchenaustritte, aber weitaus stärker sorge mangelnder Nachwuchs für kleiner werdende Gemeinden. Nur noch rund 13 Prozent eines Geburts-Jahrgangs würden evangelisch getauft.

Sein Referat zu den Ergebnissen der fünften Kirchenmitgliedschaftsstudie (KMU) stieß bei der Kreissynode – dem Leitungsgremium des Kirchenkreises mit seinen 16 Kirchengemeinden – auf reges Interesse und wird die künftigen Beratungsprozesse in Gemeinden und Kirchenkreis begleiten.

Seit 1972 werden deutschlandweit alle zehn Jahre die Kirchenmitglieder befragt, wie sie ihre Kirche wahrnehmen. An den Ergebnissen der Studien lassen sich – so Wegner – viele Entwicklungen ausmachen und Tendenzen erkennen, aber: „Bleiben Sie kritisch“, mahnte der Theologe an. „Statistiken sind immer abhängig vom jeweiligen genauen Wortlaut der Fragestellungen!“

Sorge bereitet dem Wissenschaftler die Erkenntnis, dass „Religion und Glauben“, wenn überhaupt, fast nur noch im ganz engen privaten Umfeld thematisiert werde. „Glaube wird zwischen Menschen weitergegeben“. Hier sei es still geworden. Eltern und Großeltern würden nicht mehr als Bezugspersonen in religiösen Fragestellungen wahrgenommen. Es gäbe innerhalb der Generationen zwar kaum harsche Ablehnung von Kirche, aber viel Gleichgültigkeit und das habe Folgen: „Wer nicht früh mit Religion in Beziehung kommt, hat einen weiten Weg zu Gebet und Gottesdienst!“

Daher sieht Wegner die positiven Zukunftstrends von Kirche vor allem darin, welchen Bezug sie zu den Familien hat, wie sie diese Beziehung lebt und welche Angebote sie ihnen unterbreitet. Er sieht vielerlei gute Ansatzpunkte für „gelungene Volkskirche“. Vor-Ort-Chancen müssten erkannt und genutzt werden. Die Verantwortung für „Gelingendes“ sieht er aber nicht bei „der Kirche“, sondern ihren Mitgliedern, die sprachfähiger in Glaubensfragen werden müssten.

Als wichtige „Brücken“ der Kirche hinein in die Gesellschaft, sieht er weiterhin Amtshandlungen (Taufen/Trauungen) die immer noch sehr viele Mitglieder, aber auch Konfessionslose erreichten; ebenso ihr diakonisches/ soziales Wirken „jede Kirchengemeinde braucht ein soziales Projekt bei dem Menschen sich engagieren können“ aber auch die Kirchenmusik, die jährlich mit etwa 70 000 Konzerten rund 7,4 Besucher erreiche. Ausbau-Potential sieht er Wegner in diesem Bereich durch erweiterte Pfade jenseits der rein klassischen Musik.



In einen lebhaften Austausch im Anschluss des Referates brachten sich auch die Gäste der Kreissynode aus dem Partnerkirchenkreis „Oberes Havelland“ in Brandenburg ein. Superintendent Uwe Simon und der Präses der dortigen Synode, Friedemann Humburg, hatten aus ihrem Umfeld, das weitaus weniger „volkskirchlich“ geprägt ist, wertvolle Erkenntnisse im Gepäck. Der dortige Kirchenkreis bringt sich unter anderem verstärkt in „Gedenk-Kultur“ ein, erlebt positiv, dass der „Gemeinde-Gedanke“ durchaus auch in Großräumen gelebt wird und der (freiwillige) Religionsunterricht trotz Alternativen gerne angenommen wird.

Syndodalassessor Marcus Tesch (Pfarrer in Wissen), der die Synode in Vertretung der erkrankten Superintendentin leitete, dankte für den bereichernden Austausch mit den Partnern in Brandenburg. Geplant würde gerade - so der stellvertretende Superintendent – nach langen Jahren auch wieder ein Treffen der beiden Kreissynodalvorstände.

Neben dem Schwerpunktthema ging es bei der Altenkirchener Kreissynode auch um konkrete Weichenstellungen zur Zukunftsfähigkeit des Kirchenkreises. So soll ein „Verwaltungsstrukturgesetz“ bis 2017 vor Ort umgesetzt und dazu bei den nächsten Synoden (im November in Daaden, im Juni 2016 in Hamm und im Herbst 2016 in Herdorf) Detailfragen geklärt werden. Diese Nachfolgesynoden – ab Sommer 2016 in neuer Zusammensetzung - beschäftigen sich zudem mit Pfarrstellen-/Personalplanungen.

Schon im September 2015 wird erstmals nach vielen Jahren wieder eine Delegation des Kirchenkreises zu den langjährigen Partnern nach Muku (Kongo) reisen. Mit dabei Pfarrerin Almuth Germann (Freusburg) und die Kreisvorsitzende der Frauenhilfe Brigitte Busch (Herdorf).

Klaus Dahm (Kirchengemeinde Flammersfeld) wurde einstimmig als„Synodalältester“ in den Kreissynodalvorstand, dem siebenköpfigen Leitungsgremium zwischen den Synoden, gewählt. Dahm folgt Christa Hillmer (Altenkirchen) nach, die jüngst altersbedingt aus dem Gremium ausschied. Als Dahms Stellvertreter wurde der Wissener Presbyter Kurt Höblich gewählt.

Den Beratungen der Kreissynode war ein Abendmahlsgottesdienst in der Altenkirchener Christuskirche vorangegangen. Die Situation von weltweit millionenfachen Flüchtlingsschicksalen wurde dabei in den Blick genommen. Passend zum „UN-Gedenktag für Flüchtlinge“ am Synodentag wird auch die dort gesammelte Kollekte eingesetzt: Rund 550 Euro fließen in den „Rechthilfefonds für Flüchtlinge“ des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises. (PES)


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