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100 Jahre alt und kein bisschen müde
Im Alter von 100 Jahren sportlich und gesellschaftlich auf dem Höhepunkt - so präsentiert sich der TuS "Germania" Bitzen im Jubiläumsjahr. Der Traditionsverein von der "Kaufmannshalde" wird das gebührend feiern - vom 25. bis zum 27. Mai.
Bitzen. Seit 100 Jahren bringt der TuS "Germania" Bitzen Bürger vom Kindes- bis zum hohen Alter in Bewegung. Das Jubiläum an den Pfingsttagen vom 25. bis zum 27. Mai bietet Gelegenheit, den Wert dieser Gemeinschaft zu würdigen. Neben sportlichen Aktivitäten und einem Festkommers stehen ein historischer Umzug sowie ein Frühschoppen im Mittelpunkt des Programms.
Der Traditionsverein von der "Kaufmannshalde" ist aus dem am 20. Januar 1907 gegründeten Turnverein Bitzen hervorgegangen. Zuvor, so schrieb Horst Moog in einer vor zehn Jahren aufgelegten Festschrift, habe es schon einen Sportverein auf dem "Berg" gegeben. Auskunft drüber gibt eine alte Kassenbucheintragung des Turnvereins Hamm im Jahre 1889, als der Turnverein "St. Andreas" Bitzen einen Barren an den Turnverein Hamm verkaufte. Wie lange dieser Verein bestanden hat und wann er gegründet wurde, kann nicht mehr nachvollzogen werden.
Die Satzung des im Jahre 1907 gegründeten TurnvereinsBitzen liegt indes heute noch vor. Auch die Unterzeichner des umfangreichen Schriftstücks sind bekannt: Wilhelm Panthel, Heinrich Scholl, Heinrich Maus, Heinrich Krämer und Heinrich Krieger. Die Satzung wurde dem damaligen Amtsbürgermeister Hermann Berns in Hamm zur Genehmigung vorgelegt und von diesem am 26. März 1907 unterschrieben und besiegelt. Der Verein erlangte damit offiziellen Charakter.
An die erste Stelle der Satzung setzten die Vereinsgründer die Forderung: "Der Verein bewirkt die Ausbildung körperlicher Kraft sowei die Förderung der Sittlichkeit und der väterlichen Gesinnung. Er muss diesen Zweck durch Turnen, durch Turnfahrten, gesellige Zusammenkünfte und Pflege des Gesangs erreichen." Die Turner hatten sich strenge Statuten auferlegt, die eine nahezu militärisch-straffe Zucht zum Ausdruck brachten. Überjedes neue Turnmitglied fand eine "Ballontage" (Stichwahl) statt, um herauszustellen, dass Turner nur nach Können, Leistung und Charakter berufen wurden. Ein schlechter Lebenswandel hatte den Ausschluss zur Folge. Das Eintrittsgeld betrug 3 Mark und der monatliche Beitrag 30 Pfennige.
Der Verein gewann rasch eine Anzahl eifriger und opferbereiter Mitglieder. Die Zahl der aktiven Turner betrug dabei zwischen 35 und 40. Überliefert ist, dass Wilhelmine Rötzel aus Dünebusch, genannt "Franz Mien", die ein Geschäft mit einem kleinen Sälchen betrieb, den Turnern gestattete, dort zu Turnen. Später hatten diese ihr Hauptdomizil dann in Rompfs Saal in Bitzen. Am 21. und 22. Juni 1914 feierte der Turnverein ein Fahnenweihfest. Ein großer Festzug, angeführt vom Musikkorps des Pionier-Bataillons Nr. 8 aus Koblenz, mit den Turnern des gastgebenden Vereins in weißer Turnkleidung, den ortsansässigen Vereinen und zahlreichen auswärtigen Turnvereinen zog durch die Straßen von Bitzen und Dünebusch. Im Mittelpunkt der Festlichkeiten stand die feierliche Fahnenweihe. Die Fahne war fortan für die Turnerfamilie ein Symbol der Zusammengehörigkeit und der Heimatliebe. Es war das letzte Fest für viele Jahre in den beiden Berggemeinden Bitzen und Forst, denn nur wenige Wochen später läuteten die Glocken zur Mobilmachung. Viele Turner mussten in den Krieg ziehen, mancher Tote musste beklagt werden.
Nach den Kriegsjahren nahm das Turnleben wieder einen neuen Anfang. Um 1920 wurde der Bitzener Turnverein mit einem Tambourcorps ergänzt, das Festivitäten musikalisch umrahmte.
Von der Gleichschaltung im Jahre 1933, bei der dem Verein die Instrumente geraubt und viele der besten Käfte zum Beiseitestehen gezwungen wurden, eholte sich der Verein nicht mehr. Hinzu kam, dass immer mehr Jugendliche dem runden Leder nachjagten, wenn auch die älteren Mitbürger dies nicht verstanden. Im Jahre 1930 wurde ein Fußballclub gegründet, um einen geordneten Spielbettrieb aufnehmen zu können. Gespielt wurde zunächst auf der naturbelassenen "Schilds Wiese" in Forst. Einige Spieler hatten bereits zuvor Spielpraxis im Sportclub Opsen gesammelt. Nach der Gründung des Sportvereins auf dem "Berg" schloss man sich diesem dann an. Mit zunehmender Zeit war die "Schilds Wiese" nicht mehr bespielbar. Die Fußballer nutzen deeshalb den Turnplatz an der Winkelstation der Seilbahn in Bitzen. Das Spielfeld war jedoch zu klein und genügte nicht den fußballerischen Anforderungen. Turnverein und Sportverein planten den Ausbau des Platzes und gingen diesbezüglich zu Werke. Gemeindevorsteher Wilhelm Wick bewilligte den beiden Vereinen einen gemeindlichen Zuschuss in Höhe von 600 Mark mit der Auflage, dass die Arbeiten von Arbeitslosen ausgeführt werden sollten und an diese als Entschädigung Kartoffeln zum Einkellern abgegeben werden sollten.
Am 16. November 1931 berichtete dann die "Altenkirchener Zeitung": "Der Sportverein Bitzen ist nunmehr im Besitz eines eigenen Sportplatzes." Später wurde dann ein Sportplatz im Bereich des "Birkenweges" erstellt. Als sich dieser auch nicht mehr als ausreichend erwies, wurde mit Hilfe des Fußballverbandes Rheinland in den Jahren 1950/1951 ein neuer Platz auf der "Kaufmannshalde" gebaut. Dieser ist zwischenzeitlich mehrmals mit finanziellen Hilfen der beiden Gemeinden Bitzen und Forst erneuert worden und bietet heute optimale Voraussetzungen für den Fußballsport.
Auf Drängen der nationalen Sportführung stand die Zusammenführung von zwei oder mehreren Vereinen in einem Ort an. Aus dem Bereich des damaligen Amtes Hamm waren die Vereine in Hamm und Bitzen davon betroffen. Am 26. März 1935 kamen die Mitglieder des Turnvereins und des Fußballvereins in der Schule in Dünebusch zwecks Zusammenschlusses der beiden Vereine zusammen. Als Mitglied beider Vereine eröffnete Lehrer Hensler die Versammlung, Rudolf Kaiser aus Hamm informierte über technische und organisatorische Fragen des Zusammenschlusses. Im Anschluss votierten alle Anwesenden einstimmig für den Zusammenschluss und nannten den neuen Verein "Turn- und Sportverein Bitzen". Zum Vorsitzenden wurde Willi Elster gewählt.
Überliefert ist, dass sich in früheren Jahren Auswärtsspiele der "Germanen" teilweise zu einem bvollen Tagesprogramm entwickelten. Zu den Vereinen in der näheren Umgebung ging man zu Fuß, oft einige Stunden. Weiter entfernte Vereine erreichte man mit der Eisenbahn vom Bahnhof Au oder mit dem Holzvergaser-Bus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben schnell wieder auf Touren. Den Vorsitz hatte von 1945 bis 1951 Hugo Backst inne. Weitere Vorsitzende des TuS Erich Weigel (1951 bis 1954), Reinhold Scholl (1954 bis 1956), Walter Freischlader (1956 bis 1959), Willi Seelbach (1959 bis 1961), Erich Hundhausen (1961 bis 1964) und Werner Schenk (1964 bis 1991). Seit der Jahreshauptversammlung im Jahre 1991 steht Heinz-Walter Schenk dem Traditionsverein vor.
Zahlreiche Begebenheiten und Anekdoten werden auch heute noch erzählt. So eine aus dem Jahre 1946: Die bekannte Fußballmannschaft aus Troisdorf hatte sich bereit erkärt, ein Freundschaftsspiel in Bitzen auszutragen. Als "Gage" verlangten die Troisdorfer eine volle Beköstigung, das hieß Mittagessen und Nachmittagskaffee. Nach eingehender Diskussion war man sich beim TuS "Germania" einig, das Spiel nicht abzuschließen, da es bei der kritischen Ernährungslage unmöglich sein werde, die Mannen zu verpflegen. Ebenso schwierig war es diekt nach dem Krieg, Fußbälle für den Spielbetrieb zur Verfügung zu stellen. So sehr sich auch Arthur Schenk bemühte, die aufgeplatzten Ledernähte zu reparieren, war die Haltbarkeit dennoch nicht von langer Dauer. Das gleiche Dilemma hatte man mit der "Gummiblase". Bei einer Bestandsaufnahme stellte sich heraus, dass nicht eine Fußballblase dem Verein gehörte und man auf den guten Willen des Besitzers angewiesen war.
Unvergessen ist auch die Meisterschaft im Jahre 1967 in der A-Klasse und der damit verbundene Aufstieg in die Bezirksliga. In einem Autokorso kehrte die siegreiche Mannschaft mit vielen Fans des Vereins nach dem letzten Spiel zurück nach Bitzen. TuS-Spieler Artur Wirths, der auch den Meisterschaftsball organisiert hatte, wollte jeden Zweifel ausräumen, dass einer die Nachricht von dem großen Erfolg nicht erhalten hatte - er läutete die Kirchenglocke in Bitzen, was ihm im Nachhinein noch Ärger eingebracht hat.
Eine große Ehre wurde der AH-Mannschaft im Jahre 1980 zuteil, als der 81-malige deutsche Nationalspieler, Fußballweltmeister 1974 und heutiger Präsident des 1. FC Köln, Wolfgang Overath, in einem Freundschaftsspiel in den Reihen der "Rot-Weißen" stand.
Im Jubiläumsjahr dominiert neben der Hauptsportart Fußball - die 1. Mannschaft spielt in der Kreisliga A, die 2. in der Kreisliga C, eine AH-Mannschaft beteiligt sich an Freundschaftsspielen, fünf Jugendmannschaften sind am Meisterschaftsbetrieb beteiligt - auch der Breitensport, der noch weiter intensiviert werden soll. "Nur als große Einheit können wir auch in Zukunft ein lebender Verein bleiben", sagt Vorsitzender Heinz-Walter Schenk - "die Bevölkerung ist aufgerufen, sich aktiv am Vereinsleben des TuS Bitzen zu beteiligen, Ideen und Vorschläge mit einzubringen. Wir werden auf die Bevölkerung zugehen, um für den Sport zu werben."
Im Bereich des Breitensports werden Gymnastik, Kinderturnen, Kindertanzen, Tischtennis, Badminton und Fahrradfahren angeboten. (Rolf-Dieter Rötzel)
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Overath-Gastspiel in der AH-Mannschaft des TuS Bitzen im Jahre 1980. Obere Reihe von links: Günter Gerhardus, Manfred Weigel, Wolfgang Braunisch, Günter Hoffmann, Karl-Heinz Tillmanns, Erich Hundhausen, Wolfgang Overath, Erhard Wirths, Rolf-Dieter Rötzel, Norbert Gerhards und Betreuer Manfred Wirths. Untere Reihe von links: Artur Wirths, Bodo Nöchel, Bernd Jung, Elmar Langenbach, Erich Hochhalter und der Schiedsrichter. Fotos und Repros: Rolf-Dieter Rötzel
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