Flüchtlinge im Westerwald: Daten, Fakten und Gesetze
Täglich werden es immer mehr Flüchtlinge in der Region. Doch was ist eigentlich ein Flüchtling genau? Wie funktioniert das Asylverfahren und wieso kommen so viele Flüchtlinge nach Deutschland und damit in die Region? Diese und weitere Fragen sollen mittels Statistiken und Gesetzen beantwortet werden. Der Artikel soll der Aufklärung dienen und zur Diskussion anregen.
Region. Im Kreis Altenkirchen gibt es nach dem Stand vom 12. Januar 1.549 Asylbewerber. Davon sind 1.028 männlich und 521 weiblich sowie 481 Asylsuchende sind Kinder. Bis zum 14. Dezember waren 1.623 Asylsuchende in den Westerwaldkreis gekommen. Im Jahr 2015 haben im Kreis Neuwied 1.668 Menschen einen Asylantrag gestellt und 85 sogar einen Folgeantrag, während in diesem Jahr bis zum 19. Januar bereits 196 Asylanträge im Kreis Neuwied gestellt wurden. Die meisten Flüchtlinge aus dem Kreis Neuwied kommen aus Syrien (785), Afghanistan (302) und Albanien (184). 150 freiwillige Ausreisen gab es letztes Jahr für den Kreis Neuwied (eine ausführlichere Auflistung aus dem Kreis Neuwied findet sich am Ende des Artikels).
Doch was ist ein Flüchtling denn eigentlich genau? Da es viele unterschiedliche Gesetzesgrundlagen verschiedener Länder gibt, existiert demzufolge keine eindeutige Antwort auf die Frage. Die meistanerkannteste Definition eines Flüchtlings stammt von der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Diese wurde am 28. Juli 1951 auf einer UN-Sonderkonferenz in Genf verabschiedet. Sie trat am 22. April 1954 in Kraft und definiert, wer ein Flüchtling ist und welche Rechte dieser hat. Sie ist somit die Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts. Mittlerweile wurden die Genfer Konvention und/oder spätere Ergänzungen von insgesamt 147 Ländern unterzeichnet. Zudem ist die Beachtung der Konvention in der EU-Grundrechtecharta festgeschrieben.
Laut dem Artikel 1A der GFK ist ein Flüchtling eine Person, die "aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will." Erfüllt ein Flüchtling diese Definition, hat er demnach in 147 Ländern ein Recht auf Asyl.
Neben der der GFK wurde das Asylrecht 1949 auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. Der Artikel 16a definiert wem Asyl zusteht. Es ist das einzige Grundrecht, das nur für Ausländer gilt. Darin steht denjenigen Menschen Asyl zu, die politisch, wegen ihrer religiösen Grundentscheidung oder wegen unveränderbarer Merkmale, die ihr Anderssein prägen, verfolgt werden.
Weiter gibt es in Deutschland ein Asylgesetz. Nach dem Paragraph 3 sind Gründe für Asyl unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt und es werden unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung anerkannt sowie Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Erfüllt ein Flüchtling einen Aspekt der GFK oder einen der Gründe aus den deutschen Gesetzen, hat er in der Bundesrepublik Deutschland ein Recht auf Asyl.
Allgemeine Notsituationen wie Armut, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit, sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge, sind keine Gründe für Asylgewährung und auch wer aus einen sicheren Drittstaat kommt, erhält ebenfalls kein Asyl.
Wie funktionieren die Verteilung der Flüchtlinge und das Asylverfahren?
Ob ein Grund nach den oben genannten Gesetzen für ein Asyl vorliegt, wird in dem sogenannten Asylverfahren festgestellt. Das Verfahren ist in jedem Land jedoch unterschiedlich. Daher wird hier lediglich der Ablauf des Asylverfahrens in Deutschland dargestellt.
Zuerst müssen die Flüchtlinge erstmalig ihr Asylgesuch äußern. Die Flüchtlinge werden damit zu sogenannten „Asylsuchenden“ oder „Asylbewerbern“. Dies können sie innerhalb Deutschlands, wie zum Beispiel in der Erstaufnahme-Einrichtung oder an der Landesgrenze bei den Grenzbehörden durchführen. Anschließend werden die Asylsuchenden mit Hilfe des Systems „EASY“ (Erstverteilung von Asylbegehrenden) auf die Bundesländer und damit in die Erstaufnahme-Einrichtungen aufgeteilt. Die Zuteilung zu einer Erstaufnahme-Einrichtungen hängt jedoch von deren aktuellen Kapazitäten ab, aber auch aus welchem Herkunftsland der Asylsuchende kommt, denn nicht jede Außenstelle bearbeitet jedes Herkunftsland. Zudem bestehen Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer. Diese legen fest, welchen Anteil der Asylbewerber jedes Bundesland aufnehmen muss und werden nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ festgelegt, der sich für jedes Jahr aus den jeweiligen Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder berechnet.
In dem entsprechenden Bundesland angekommen, kann der Asylsuchende in der Außenstelle des Bundesamtes, die der Erstaufnahme-Einrichtung zugeordnet ist, einen Asylantrag stellen. Dabei werden die Personalien aufgenommen und eine Erstuntersuchung durchgeführt. Alle Antragssteller ab 14 Jahren werden fotografiert und ihre Fingerabdrücke werden genommen.
Dann erhält der Asylsuchende eine Aufenthaltsgestattung. Ob sein Asylantrag auch anerkannt wird, stellt sich in einer Anhörung heraus, in der der Asylsuchende, ein Anwalt oder Vormund, ein Dolmetscher und ein Vertreter des Amtes anwesend sein müssen. Dabei muss der Asylsuchende darlegen, weshalb er ein Flüchtling ist und warum eine Rückkehr nicht möglich ist. Die Anhörung kann dementsprechend zu drei verschiedenen Entscheidungen führen:
Die erste Möglichkeit ist, dass dem Asylantrag zugestimmt wird, weil der Antragsteller nach Artikel 16a des Grundgesetzes asylberechtigt ist oder weil er Flüchtling nach der Genfer Konvention ist. Dann bekommt der Asylant ein Aufenthaltsrecht für zunächst drei Jahre. Danach muss noch einmal überprüft werden, ob der Grund für das Asyl weiter besteht. Wenn dies der Fall ist, kann der Asylant ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten.
Wird der Antrag allerdings abgelehnt, muss der Asylsuchende Deutschland verlassen. Gründe dafür können sein, dass kein plausibler Grund für Asyl vorliegt oder der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland kommt. Somit ist der Asylsuchende ausreisepflichtig und kann abgeschoben werden. Gegen diese Abschiebung kann der Asylbewerber innerhalb einer Frist jedoch klagen. Bis zur Abschiebung oder für den Fall, dass eine Ausreise nicht möglich ist, wird er in Deutschland weiter „geduldet“. Gründe dafür, dass eine Ausreise nicht möglich ist, können Reiseunfähigkeit, ein fehlender Pass oder eine fehlende Verkehrsverbindung in ein vom Krieg zerstörtes Land sein. Geduldete Ausländer dürfen nach drei Monaten Wartezeit mit Genehmigung der Arbeitsagentur arbeiten.
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Schließlich gibt es noch die dritte Möglichkeit der formellen Entscheidung. Diese wird berücksichtigt, wenn Deutschland aufgrund des Dubliner Vertrags gar nicht für den Asylantrag zuständig ist. Der Dubliner Vertrag besagt, dass ein Flüchtling innerhalb der EU nur in dem Land, das er als erstes betreten hat, Asyl beantragen darf. Meistens wird der Asylsuchende dann in das betreffende Land zurückgeschickt.
Aus der Darstellung des Asylverfahrens wird deutlich, dass es viele Lücken aufweist. Was passiert, wenn Flüchtlinge bei der Einreise nach Deutschland nicht ihr Asylgesuch äußern? In offiziellen Statistiken können schließlich nur Asylsuchende erfasst werden, und nicht Flüchtlinge, die sich nicht haben registrieren lassen, da sie es versäumt haben oder gar nicht wissen, dass ein Asylgesuch erforderlich ist. Wie viele Flüchtlinge sich in Deutschland befinden, müsste demnach unbekannt sein. Da es bisher keine, auf Bundesebene einheitlichen, Asylantragsstellen gibt, sondern es Sache der Bundesländer ist, existiert theoretisch für einen Asylsuchenden nach Ablehnung seines Antrags in einem Bundesland die Möglichkeit in ein anderes Bundesland zu reisen und dort einen neuen Asylantrag zu stellen. Eine gemeinsame Software auf Bundesebene für die Asylanträge ist derzeit noch in Arbeit.
Welche Pflichten hat ein Asylsuchender?
Generell müssen Flüchtlinge und Asylsuchende die Gesetze und Bestimmungen des Asyllandes beachten. Darüber hinaus gibt es nach dem Asylgesetz jedoch weitere Regulierungen an die sie gebunden sind. Ein Asylsuchender hat zum Beispiel keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Zudem ist die Aufenthaltsgestattung räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt. Außerdem sind Asylsuchende verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung auf übertragbare Krankheiten einschließlich einer Röntgenaufnahme der Atmungsorgane zu dulden.
Wurde der Asylantrag genehmigt, gelten immer noch besondere Regulierungen. Ist der Asylant nicht mehr verpflichtet in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, aber sein Lebensunterhalt ist dennoch nicht gesichert, so kann er verpflichtet werden, in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft zu wohnen.
Dürfen Asylsuchende arbeiten?
Zunächst dürfen Asylsuchende gar nicht arbeiten. Wenn sie drei Monate in Deutschland verbracht haben, bekommen sie nur einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Das heißt, Deutsche, EU-Ausländer oder anerkannte Flüchtlinge (Asylanten) gelten bei den Arbeitsagenturen als bevorrechtigte Arbeitnehmer. Für bestimmte Asylsuchende, die Fachkräfte in Engpassberufen sind, gibt es eine Ausnahme und die Beschränkung entfällt für sie. Theoretisch dürfen Asylsuchende schließlich nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland ohne Einschränkungen arbeiten.
Warum kommen so viele Flüchtlinge nach Deutschland und damit auch in die Region? (Stand 2014)
Weltweit sind rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die meisten (38,2 Millionen) sind jedoch sogenannte Binnenflüchtlinge. Sie fliehen nicht aus ihrem Land, sondern nur an einen anderen Ort. 19,5 Millionen der Menschen flüchteten ins Ausland und 1,8 Millionen sind bereits anerkannte Flüchtlinge, sogenannte Asylanten. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien (3,88 Millionen), Afghanistan (2,59 Millionen) und Somalia (1,11 Millionen).
Die Länder, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen, gehören die Türkei (1,59 Millionen), Pakistan (1,51 Millionen) und der Libanon (1,15 Millionen). Deutschland hatte im Vergleich lediglich 455.081 Millionen Flüchtlinge im Jahr 2014 aufgenommen und auch mit rund einer Millionen Flüchtlingen im vergangenen Jahr kann Deutschland die Türkei nicht toppen.
Begrenzt man den Vergleich jedoch nur auf Europa steht Deutschland an erster Stelle der Aufnahmen. 40 Prozent aller Flüchtlinge, die im ersten Quartal 2015 in die EU kamen, wurden nämlich in Deutschland aufgenommen.
Mit 2,5 Bewerbungen je 1000 Einwohner liegt Deutschland über dem EU-Schnitt, jedoch weit hinter Ländern wie Schweden (8,4), Ungarn (4,3), Österreich (3,3) oder Malta (3,2).
Die meisten Asylbewerber in Deutschland kommen aus Syrien (21,5 Prozent), gefolgt vom Kosovo (15,3 Prozent) und Albanien (15,0 Prozent) (Stand: 31. Juli 2015)
35,3 Prozent der Asylanträge in Deutschland werden zugelassen, dagegen werden 37,9 Prozent abgelehnt. Der Rest bilden formelle und sonstige Entscheidungen. (Stand: erstes Halbjahr 2015)
Um die Frage zu beantworten, warum so viele Flüchtlinge nach Deutschland und damit auch in die Region kommen, gibt es einige Hypothesen:
• Es sind einfach momentan sehr viele Menschen auf der Flucht, daher kommen auch viele nach Deutschland
• Die Nachbarländer haben keine Kapazitäten für die vielen Flüchtlinge. Daher ziehen sie weiter nach Europa
• Einige Länder nehmen nur wenige oder gar keine Flüchtlinge auf und schicken sie weiter. So kommen mehr Flüchtlinge nach Deutschland
• Viele Flüchtlinge haben Verwandte in Deutschland und entschließen sich daher lieber dorthin zu flüchten
• Andere Flüchtlinge wollen gar nicht nach Deutschland, sondern zum Beispiel nach Schweden. Wenn sie aber in Deutschland aufgehalten werden, müssen sie wegen des Dubliner Vertrages jedoch bleiben und hier ihren Asylantrag stellen
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass das Asylverfahren noch überarbeitet werden muss. Asylsuchende haben weniger Freiheiten als gedacht und dass Deutschland im Vergleich zu anderen Aufnahmeländern eher im Mittelfeld liegt. (jkh)
Quellen/Zahlen:
Kreisverwaltung Neuwied (detaillierte Auflistung als PDF)
Kreisverwaltung Westerwald - Artikel vom 15. Dezember 2015 | WW-Kurier.de
Kreisverwaltung Altenkirchen - Zahlen wurden per Mail übermittelt
http://www.bamf.de/DE/Migration/AsylFluechtlinge/asylfluechtlinge-node.html
http://www.gesetze-im-internet.de/asylvfg_1992/index.html
https://www.tagesschau.de/inland/fluechtlinge-229.html