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Industriebrache wird zum Kulturraum
Vor mehr als 150 Jahren gab es einen gravierenden Eingriff in den Verlauf der Sieg bei Windeck-Schladern. Es entstanden ein gewaltiger Bahndamm, ein Wasserfall und ein Industriebetrieb sowie der Bahnhof. Seit 1995 schlummert das Areal als Industriebrache vor sich hin, im Rahmen des nordrhein-westfälischen "Regionale 2010"-Projektes wurde im Rhein-Sieg-Kreis das "Natur und Kultur quer zur Sieg" - Projekt entwickelt und ein Wettbewerb unter Federführung der Gemeinde Windeck ausgeschrieben. Die Sieger wurden am Mittwoch im Rathaus Rosbach der Öffentlichkeit vorgestellt.
Windeck. Bürgermeister Jürgen Funke freute sich sichtlich, das durchaus nicht alltägliche Projekt zur Reaktivierung des einstigen historischen Industrie-Standortes in Schladern unter Einbeziehung des Wasserfalls der Sieg und des Bahnhofes jetzt der Öffentlichkeit vorstellen zu können. Die Gemeinde Windeck hatte einen Wettbewerb ausgelobt, in Kooperation mit dem Rhein-Sieg-Kreis und der "Regionale Agentur 2010" des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Sieger des Wettbewerbs kommt aus Berlin, es ist das Büro "bbzl-böhm-bender-zahiri, Landschaften und Städtebau, Berlin".
Zur Geschichte: Der Eisenbahnbau in der Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte in Schladern die Landschaft gravierend. Es wurde eine Schleife der Sieg durchstochen und ein riesiger Bahndamm aufgeschüttet. Sprengungen wurden durchgeführt, so dass ein mehrstufiger Wasserfall entstand, der zu Nordrhein-Westfalens größtem Wasserfall in der Sieg führte. Es entstand ein Wasserkraftwerk, das Elektrizität für die Ansiedlung des metallverarbeitenden Betriebes Elmores lieferte. Damals, 1894, waren die aus England stammenden Elmores-Werke der größte Arbeitgeber der Region, sie stellten nahtlose Kupferohre her. Im Jahr 1962 übernahm die Kabel und Metall Gutehoffungshütte AG, Hannover, das Werk. Bis 1995 wurde das Unternehmen als Kabelmetall Schladern bekannt. Rund 5 Hektar große Industrieareale, Hallen und vieles mehr waren entstanden und stehen seitdem leer und verfallen mehr und mehr. Auch der Höffers Teich, der den Altarm der Sieg bis heute mit Durchflusswasser speist, liegt inmitten des Gebietes. Der Bahnhof Schladern, einst einer der wichtigen Bahnhöfe und Stellwerke für die Menschen an der Sieg und aus dem Waldbröler Raum, ist schön längst von der Deutschen Bahn AG aufgegeben worden und gehört heute der Gemeinde Windeck.
"Kultur und Natur quer zur Sieg", so heißt ein Gemeinschaftsprojekt der Gemeinden Windeck, Eitorf und Hennef sowie des Rhein-Sieg Kreises. Die Regionale 2010 ist ein Strukturprogramm des Landes NRW und mit an Bord des Reaktivierungsvorhabens. Zurm Wettbewerb waren Arbeitsgemeinschaften aus Landschaftsarchitekten und Städteplanern zugelassen, insgesamt bewarben sich 18 Teilnehmer. Es begann ein Verfahren, an dem auch die Öffentlichkeit beteiligt war. Von zehn zum Wettbewerb zugelassenen Teilnehmern gab alle ihre Vorschläge fristgerecht ab, und ein unabhängiges Preisgericht setzte schließlich die Sieger fest. Vor der Sitzung des Preisgerichtes hatte es eine unabhängige Bewertung der Vorschläge unter Beachtung der Anonymisierung der Bewerber gegeben. Im Preisgericht gab es stimmberechtigte Mitglieder und Berater ohne Stimmrecht, aber alle mit dem entsprechenden Sachverstand. Natürlich waren auch die Fraktionen des Rates vertreten und Experten des Kreises sowie der Regionalagentur 2010 des Landes.
"Mit Abstand hat uns das Konzept der bbzl-Berlin überzeugt", sagte Bürgermeister Jürgen Funke. Zu Siegerin Ulrike Böhm gewandt meinte er: "Sie können sich jetzt ein Dauerticket Berlin-Windeck kaufen". "Das Preisgeld von 7500 Euro werden wir gerne überweisen", schmunzelte Funke und wies auf die beiden dritten Preisträger hin, die je 3750 Euro erhalten. Es sind das Unternehmen BAS Kopperschmidt & Moczala, Weimar, in Kooperation mit Lill + Sparla, Landschaftsarchitekten aus Köln, sowie die Planorama Landschaftsarchitektur, Büro Köln.
Für Ulrike Böhm vom Siegerbüro war es ein Freudentag. Sie stellte am Mittwoch kurz die Eckdaten des Konzeptes vor. So soll ein verbindendes Wegenetz zwischen den Arealen Bahnhof, Bürger- und Kulturzentrum in der ehemaligen Versandhalle und den landschaftliche bedeutsamen Punkten entstehen. Die Beziehung zu den Arealen soll nicht nur visueller Natur sein, sondern begehbar und mit dem Ereignis "Wasserfall" verbunden werden. Naturräume sollen respektiert werden, aber für die Menschen einsehbar sein, dazu sind Holzpavillons und Wege und besondere Punkte vorgesehen. Zwischen Bahnhof und ehemalige Industriehalle soll es eine Blickbeziehung geben, damit das Gelände als Kulturstätte auch wahrgenommen wird. Das Ereignis Wasserfall wird in das Ensemble eingebunden. Der "Höffers Teich", als Wasserspeicher für den Altarm der Sieg, war ursprünglich einmal wesentlich kleiner. Auch er liegt ebenso wie das ausgewiesenen FFH-Gebiet Krummenauel im Sanierungsgebiet. "Es wird sorgfältig geplante und an Akupunktur erinnernde Eingriffe in die Natur geben, wir wollen nicht die gleichen Fehler wie vor mehr als 150 Jahren machen", sagte Funke. Überzeugt hatte schließlich auch die Integration der Erweiterung der Park & Ride Anlage und die Ideen für den Bahnhof. Man müsse allein aus touristischer Sicht die Bahnhofsnutzung optimieren, aber auch 7000 Pendler aus dem Windecker Raum brauchten Platz, so Funke. Jetzt seien die Grundlagen geschaffen, mit denen man arbeiten könne. Nun gelte es, die Planungen auf kommunaler Ebene zu forcieren und die Fördermittel zu beantragen, machte der Bürgermeister deutlich. Da viele große Projekte zusammenlaufen und verschiedene Partner beteiligt sind, mochte Funke kein Zeitfenster nennen, wann es für die Bürgerschaft sichtbare Ergebnisse der Reaktivierung und Neugestaltung am bedeutsamen Standort Schladern gibt. Eine Ausstellung aller Vorschläge des Wettbewerbes und zur Information der Bürgerschaft ist für Februar angedacht. Der Termin wird noch bekannt gegeben. (hw)
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Windecks Bürgermeister Jürgen Funke, Preisträgerin Ulrike Böhm, Dr. Richard Grothus, Bauverwaltung, und Walter Wielpütz (von links) von der Kreisverwaltung präsentierten die Siegerentwürfe der Öffentlichkeit. Foto: Helga Wienand
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