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Nachricht vom 25.01.2009    

Integration ist große Errungenschaft

Eine engagierte Diskussion über die Zukunft Europas gab es am Samstag auf Einladung der Europa-Union im Landkreis Altenkirchen in der Betzdorfer Stadthalle. Bei allen unterschiedlichen Positionen der Diskutanten wurde eins klar: Alle sehen den Weg der Integration als große Errungenschaft an.

Dr. Markus Schulte

Betzdorf. Europas Zukunft diskutierten auf Einladung der Europa-Union im Kreis Altenkirchen der Vizepräsident des rheinland-pfälzischen Landtags, Hans Artur Bauckhage, MdL (FDP), der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament und Spitzenkandidat der rheinland-pfälzischen CDU bei der Europa-Wahl, Dr. Werner Langen, MdEP (CDU) und der 2. Beigeordnete des Rhein-Hunsrück Kreises und Kandidat der rheinland-pfälzischen SPD für das Europa-Parlament, Norbert Neuser. Sie antworteten auch auf Fragen aus dem Publikum. Die Betzdorfer Journalistin Nadja Hoffmann-Heidrich moderierte die Diskussion am Samstag, 24. Januar, in der Betzdorfer Stadthalle. Unter den etwa 100 Gästen waren in Vertretung von Landrat Michael Lieber der Erste Beigeordnete des Landkreises Altenkirchen, Konrad Schwan, sowie die Landtagsabgeordneten Dr. Matthias Krell (SPD), Dr. Josef Rosenbauer (CDU) und Erwin Rüddel (CDU).
Eingangs erläuterte der Vorsitzende der Europa-Union im Kreis Altenkirchen, Dr. Markus Schulte, warum der Verband über "Europas Zukunft" diskutieren wollte. Zum einen seien im Juni dieses Jahres etwa 375 Millionen Europäer aufgerufen, ihr Parlament direkt zu wählen. Außerdem stellten sich für die Europäische Union wichtige Zukunftsfragen sowohl hinsichtlich ihrer eigenen institutionellen Entwicklung als auch im Blick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit, seien es nun Globalisierung, der Klimawandel oder die Wirtschaftskrise. "Wie soll es mit Europa angesichts dieser vielfältigen Herausforderungen weitergehen?", fragte Schulte und freute sich, dass so kompetente Gäste sich diese schwierigen Frage stellten. Schulte bedauerte, daß wegen einer Terminüberschneidung Bündnis 90/Die Grünen leider nicht auf dem Podium mit dabei sein konnten.
In der rund 90-minütigen, sehr engagiert geführten Podiumsdiskussion, spiegelten sich die europapolitischen Fragen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen programmatischen Ausrichtungen der Teilnehmer und den sich hier und da schon andeutenden Wahlkampfauseinandersetzungen im Superwahljahr 2009 wider. Während unterschiedliche Positionen und Ansätze in einzelnen aktuellen Fragen klar hervortraten, wurde ebenso deutlich, daß alle Teilnehmer den Weg der Integration als große Errungenschaft ansehen und bei manchen Themen enger beieinander sind, als man es vielleicht hätte vermuten können. Dies wurde vor allem in der Diskussion von Fragen aus dem Publikum deutlich.
Einig waren sich die Teilnehmer darüber, daß der Reform-Vertrag von Lissabon sehr zu begrüßen sei, weil er einerseits das Europäische Parlament und damit die Demokratie in der EU stärke und andererseits der Union durch effizientere Entscheidungsmechanismen die Mittel an die Hand gebe, die Herausforderungen im Innern und nach außen hin besser zu bewältigen. Einmütigkeit bestand auch darüber, daß der Euro sich zehn Jahre nach seiner Einführung als eine große Erfolgsgeschichte erwiesen habe und insbesondere in der jetzigen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ein Hort der Stabilität sei. "Ohne den Euro", so Dr. Werner Langen, "wären möglicherweise einige Länder Europas längst in schwieriges Fahrwasser geraten."
Über die Ursachen und Folgerungen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise gab es gleich zu Beginn eine Auseinandersetzung, die eine gewisse Vorahnung auf kommende Wahlkämpfe zuläßt. Norbert Neuser sah die Ursache in einem übertriebenen Wettbewerbsdenken auf europäischer Ebene."„Europa wird schlecht regiert", sagte er. Es gebe zu viele liberale und konservative Regierungen in Europa, was sich in der Vergangenheit auch in der Zusammensetzung der Europäischen Kommission widergespiegelt habe. Europa müsse sozialer werden und neben einer Wirtschafts- und Währungsunion sei auch eine Sozialunion vonnöten. Auch ein europäische Mindestlohn im Sinne von gleichem Lohn am gleichen Ort müsse diskutiert werden. Hans-Artur Bauckhage entgegnete, dass eine Wettbewerbswirtschaft in Europa unverzichtbar sei. Nur eine starke Wettbewerbsordnung mache eine soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards überhaupt erst möglich. Langen teilte die Ansicht Bauckhages und entgegnete zum Thema Mindestlohn, dass die EU-Ebene nur auf den Politikfeldern aktiv werden könne, wo die Mitgliedsländer sie dazu ausdrücklich ermächtigt hätte. Im diesem Bereich sei dies aber nicht der Fall. Abgesehen sei der Gedanke von europäischen Mindestlöhnen absurd angesichts der großen Unterschiede im Lohnniveau. Was die Finanzkrise angehe, so habe gerade die sozialistisch geführte Regierung Großbritanniens bisher jeden Fortschritt verhindert. Außerdem seien alle Regierungen Europas in freien und geheimen Wahlen von ihren Bürgern gewählt worden. Dies müsse bedenken, wer behaupte, Europa werde schlecht regiert.
Bei der Analyse des Gasstreits mit Russland und der Ukraine gab es nur geringe Unterschiede in der Einschätzung der Ursachen und der Abhängigkeiten der EU von Rußland als wichtigem Energielieferanten. Bei den Schlußfolgerungen gingen die Meinungen allerdings deutlich auseinander. Neuser plädierte auch im Hinblick auf den Klimawandel entschieden für einen Ausbau alternativer Energien, während Langen und Bauckhage darauf hinwiesen, dass überall um Deutschland herum die Kernenergie eine neue Blüte erfahre und die Möglichkeit einer längeren Nutzung der Kernenergie nicht ausschließen wollten.
Die Frage aus dem Publikum nach der Zukunft der EU-Erweiterung und insbesondere zu einem möglichen Beitritt der Türkei sagter Langen, der seit 1994 dem gemischten Ausschuss EU-Türkei des Europaparlaments angehört, er sei in den 15 Jahren dieses regelmäßigen Austauschs mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, dass ein Beitritt der Türkei zur EU abzulehnen sei. Die Liste der Problemfelder sei zu lang und es gebe zu wenige Fortschritte. "Eine gute Nachbarschaft mit der Türkei ist uns wichtig, aber nicht jeder gute Nachbar muß auch gleich ins eigene Haus einziehen", meinte Langen. Dem entgegnete Bauckhage, man solle der Türkei aber die Tür nicht gleich zuschlagen. Neuser zeigte ein gewisses Verständnis für die Ausführungen Langens und verwies auf das Problem der fehlenden Anerkennung Zyperns durch die Türkei, fügte aber an, man könne nicht jahrzehntelang eine Mitgliedschaft in Aussicht stellen und dann die Tür zuschlagen. Dazu stellte Langen fest, dass die Türkei selbst den Vertrag über eine gemeinsame Zollunion jahrzehntelang nicht ratifiziert habe. Wenn es also eine Verzögerung gegeben habe, so sei dies kein Fehler der EU. Außerdem gebe es ja bereits eine volle Zollunion zwischen Türkei und EU.
Zum Abschluß dankte Schulte den Gästen für die engagierte Diskussion, die auch nach Bekundung aus dem Publikum als sehr informativ empfunden wurde. "Eine so intensive Diskussion europapolitischer Themen auf so hohem Niveau erlebt man sehr selten", meinte Schulte. Dass dabei einige Positionen durchaus auch kämpferisch vorgetragen wurden, sei erfreulich. Man merke, daß Europas Zukunft ganz offensichtlich ein Herzensthema aller drei Gäste sei. Ein solcher Wettbewerb der Ideen sei hochwillkommen. Über das Geschenk einer riesigen Europa-Fahne von Dr. Langen freute sich der Kreisverband der Europa-Union. Abschließend lud Schulte die Anwesenden ein, die neue Internetseite des Verbands zu besuchen (www.europa-union-ak.de) und dem Verband beizutreten.
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Dr. Markus Schulte, Vorsitzender der Europa-Union im Kreis Altenkirchen. Foto: Reinhard Schmidt



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