Wissener Einzelhandel: Neue Website als Antwort auf Amazon und Co.
Anbieter wie Amazon oder Zalando setzen die Geschäfte vor Ort unter Druck. Reagieren statt resignieren – das müsse die Antwort des stationären Handels sein, betonten nun die Referenten auf dem 22. Wissener Kaufmannsessen. Marc Nilius hatte sogar ein Konzept parat, das bald Realität werden könnte.
Wissen. Wenn ein prägnanter Merksatz bei den Gästen des diesjährigen Wissener Kaufmannsessen hängengeblieben ist, dann dieser: „Man kann sich gegen manche Dinge nicht wehren.“ Der Einzelhandel müsse reagieren, nicht resignieren. Die Aussage stammt von Franz-Josef Mockenhaupt, der 15 Jahre Geschäftsführer der IHK Siegen war. Er war Hauptredner des Abends im Aus- und Weiterbildungszentrum des Transport- und Logistikunternehmens Brucherseifer.
Aber von Anfang an: Zum 22. Mal hatte der Treffpunkt Wissen zum Kaufmannsessen eingeladen. Gastgeber war das Aus- und Weiterbildungszentrum (AWZ) des Transport- und Logistikunternehmens Brucherseifer. Transport- und Logistikunternehmen Geschäftsführer Christoph Fischer erklärte den durchaus innovativen Ansatz seiner Einrichtung. Das Stichwort lautet hier Verbundausbildung. Damit gibt man Westerwälder Unternehmen die Chance, Auszubildende auf den Beruf des Kraftfahrers optimal vorzubereiten. Mit dem Programm reagiert man auch auf den mangelnden Nachwuchs in der Branche. Die Kooperation zwischen Unternehmen soll hier Abhilfe schaffen.
Zwar unterscheiden sich die Probleme der Logistikbranche von denen der Einzelhändler. Aber der kooperative Ansatz, den Fischer vorstellte, ist dem Konzept einer Internetplattform für den Wissener Einzelhandel nicht unähnlich. Der Software-Entwickler Marc Nilius präsentierte hierzu die Blaupause, die auf einem Konzept beruht, das er, der Geschäftsführer des Kulturwerks Dominik Weitershagen und der Vorsitzende des Treffpunkts Wissen Thomas Kölschbach zusammen erarbeitet hatten. Die mobile Website kann auch als eine Antwort auf den Merksatz von Mockenhaupt verstanden werden. Auf ihr sollen nicht nur die Wissener Einzelhändler ihr breites Angebot und ihre Leistungsfähigkeit präsentieren, wie Kölschbach eingangs erklärt hatte. Die Plattform soll als eine Art zentrale Informationsstelle für das Wisserland fungieren. Im Auge haben Nilius, Weitershagen und Kölschbach zum Beispiel den Handel oder die Gastronomie. Insbesondere Touristen und Besuchern soll sie einen schnellen Überblick über Angebote liefern. Dazu werden bereits existierende Informationen, etwa von Webseiten, eingebunden. Ein Eintrag pro Ladenlokal beziehungsweise Angebot soll möglich sein.
Diese mobile Internetplattform hätte laut Nilius eine ganze Reihe von Vorteilen. So wäre tatsächlich jeder Händler online auffindbar – auch diejenigen ohne eigene Webpräsenz. Zudem könnten die Geschäfteinhaber selbst ihre Einträge pflegen. Die Unerfahrenen unter ihnen könnten dabei Unterstützung von Paten erhalten. Und nicht ganz unwichtig: Der Dienst soll kostenlos verfügbar sein. Eine solche Webseite könnte nur der erste Schritt sein. Nilius und seine Mitstreiter können sich etwa vorstellen, dass auch Onlinebestellungen lokaler Waren und deren Auslieferung über die Plattform koordiniert werden könnten. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Als erstes gelte es, das Projekt zu realisieren. Und dazu braucht es natürlich Geldgeber. Mit der Zukunftsschmiede der Verbandsgemeinde sollen in den nächsten zwei Wochen hierzu Gespräche stattfinden. Glaubt man den Redebeiträgen aus den Reihen der Gäste im Anschluss des Vortrags von Nilius, so stieße die angedachte Plattform auf fruchtbaren Boden.
Immerhin steht der Einzelhandel unter dringendem Handlungsdruck. Den hatte vor der Präsentation von Nilius der ehemalige Siegener IHK-Geschäftsführer Franz-Josef Mockenhaupt deutlich gemacht in seinem anschaulichen Vortrag. Danach dürfte auch dem letzten Wissener Händler bewusst geworden sein, dass an dem Internet kein Weg vorbei führt. Die Konkurrenz aus dem Netz wie etwa Amazon wachsen und wachsen. Ins Hintertreffen geraten die standortgebundenen Händler. Für Mockenhaupt kein Grund zum Resignieren. Im Gegenteil: Nun müsse es heißen, sich anzupassen.
Im Fokus müsse dabei stets der potentielle Käufer stehen – oder wie es der Referent ausdrückte: „Die Kunden sind’s!“ Und deren Kaufverhalten hat sich radikal verändert. Selbst wenn später im Laden gekauft wird, 41 Prozent informieren sich über Produkte vorher online. Und drei von vier Deutschen suchen Informationen zu Händlern erst mal im Netz. „Die Kunden wurden peu à peu dazu erzogen, verschiedene Kanäle zu nutzen“, so Mockenhaupt. Die Antwort des Händlers vor Ort könne nur lauten, verstärkt auf Personalisierung und Empfängerorientierung zu setzen. Der Kauf müsse laut Mockenhaupt zum Erlebnis werden. Online und Offline dürften keine Widersprüche sein. Wer diese Lehren befolgt, kann auch in Zeiten der Digitalisierung als Händler bestehen. Dass dies nicht realitätsferne Theorie ist, machte der ehemalige IHK-Geschäftsführer anhand verschiedener Beispiele deutlich. Die Läden von „Emmas Enkel“ vereinen beispielsweise das Beste aus den guten, alten Tante-Emma-Läden mit den Vorzügen der digitalen Welt. Hier können sich Kunden Lebensmittel online bestellen und liefern lassen. Das Start-up setzt gleichzeitig auf stationäre Läden.
Für Wissen sind solche Geschäftsmodelle noch Zukunftsmusik. Man darf gespannt sein, auf die Umsetzung der Plattform „Marktplatz Wisserland“. (ddp)
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