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Nachricht vom 01.05.2016    

Mairedner Prof. Dr. Bosbach bot niveauvoll amüsante Unterhaltung

Bei der alljährlichen Maiveranstaltung des DGB Kreisverbandes im Kulturwerk Wissen sprach Prof. Dr Gerd Bosbach über Arbeitsplätze, Demografie, Ärztemangel, Wirtschaftsprognosen und Rente. Die ernsten Themen verpackte er in einen amüsanten und sympathischen Rahmen, der auf den zweiten Blick doch wieder seriös erschien und das Publikum zum Reflektieren animierte.

Prof. Dr. Gerd Bosbach erleuchtete das Publikum mit seinen Statistiken Foto: Julia Heinz

Wissen. Am Sonntag, 1. Mai, fand die alljährliche Maiveranstaltung des DGB-Kreisverbandes unter dem Motto „Zeit für Solidarität“ im Kulturwerk Wissen statt. Nach den Professoren Sell, Segbers, Zabel und Flassbeck ist Prof. Dr Gerd Bosbach der vierte Hochschullehrer in Folge, der als Mairedner in den Kreis Altenkirchen kommt.

Der Diplommathematiker erhielt einen tiefen Einblick in die amtliche Statistik über seine Tätigkeit im Statistischen Bundesamt. Seit 2002 lehrt Prof. Dr. Gerd Bosbach Statistik, Mathematik und Empirie an der Hochschule Koblenz am Standort Remagen. Zudem ist er Autor des Buches „Lügen mit Zahlen. Wie wir mit Statistiken manipuliert werden.“

DGB Kreisvorsitzender Bernd Becker eröffnete die diesjährige Maiveranstaltung und plädierte bei seinem Vortrag für mehr Solidarität in Deutschland- vor allem für die 60 Millionen Flüchtlinge, die es weltweit gibt. Er kritisierte das Dublin Verfahren sowie die Verhandlungen mit der Türkei.

Landrat Michael Lieber bedankte sich dagegen für die Solidarität der AKler, die mit Spenden und Mithilfe die Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Stegskopf unterstützen.

Uwe Wallbrecher, erster Bevollmächtigter der IG Metall Verwaltungsstelle Betzdorf, begrüßte das Tarifergebnis, dass Verdi abgeschlossen hat. „Das ist eine sportliche Vorgabe für die IG Metall.“, betonte er. Momentan führt die IG Metall neue Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie durch, worauf Wallbrecher ebenfalls einging. Er kündigte an, dass falls es nicht bald zu einer Einigung käme, es auch in fünf Metall- und Elektrofirmen im Kreis Altenkirchen gestreikt würde.

Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler betonte wie bereits bei dem 125-jährigen Jubiläum der IG Metall, dass Digitalisierung und Globalisierung neue Herausforderungen für Arbeitnehmerrechte bedeuten. Sie verwies zudem auf den Fortschritt des Gesetzesentwurfes zu Leiharbeit und Werkverträgen. Sie forderte darüber hinaus, dass die Ausbildung endlich frei von jeglichen Gebühren sein sollte.

Prof. Dr. Gerd Bosbach sprach in seinem Vortrag über Arbeitsplätze, Demografie, Ärztemangel, Wirtschaftsprognosen und Rente. Die ernsten Themen verpackte er in einen amüsanten und sympathischen Rahmen, der auf den zweiten Blick doch wieder seriös erschien und das Publikum zum Reflektieren animierte.

Bosbach nahm die Gleichung „Gewinne=Investitionen=Arbeitsplätze“ von Helmut Schmidt auseinander, die zwar in der Theorie seine Rechtfertigung hat, doch in der Realität keine Anwendung findet. „Viele Firmen haben schließlich riesige Gewinne von denen sie nichts abgeben wollen.“ Wenn man die operativen Gewinne der 30 DAX-Unternehmen addiert, erreichen diese einen Gewinn von 100 Milliarden Euro. Um die Zahl greifbarer zu machen, rechnete Bosbach den Gewinn auf die Anzahl der Mitarbeiter um. So erhält man 25.482 Euro (Stand: 2013). Dies entspricht rund 2000 Euro Gewinn pro Monat pro Mitarbeiter, doch dieses Geld wird nicht in neue Arbeitsplätze oder in eine Lohnerhöhung investiert.



Zum Thema Demografie brachte Bosbach ein Beispiel über eine falsche Messung des Eisengehaltes von Spinat. 1890 wurde ausversehen bei einer wissenschaftlichen Veröffentlichung über den Eisengehalt ein Kommafehler gemacht und aus 3,5 Milligramm Eisen wurden 35 Milligramm. Bosbach erzählte, dass erst 40 Jahre später der Fehler korrigiert wurde. Schließlich sei das Ergebnis wissenschaftlich erhoben und von Experten gemacht worden. Daher gab es auch kein Zweifel an der Aussagekraft. So gab er dem Publikum mit auf den Weg: „Traut nur dem Experten, den ihr selbst bezahlt habt.“

So behauptet Bosbach, dass auch die Angst vor den demografischen Veränderungen in Deutschland ein Fehler ist. „Seit 2000 ist uns das so eingebläut worden.“ Er gab Beispiele aus den fünfziger Jahren, wo genau dieselben Ängste da waren. Daher schließt Bosbach daraus, dass was bereits in der Vergangenheit bis heute von der Gesellschaft und Wirtschaft gemeistert wurde, auch in Zukunft bestreitbar ist.

Zudem führte er auf, dass der Ärztemangel nicht wegen des demografischen Wandels entstanden ist, sondern aufgrund des hohen NC an den Universitäten. „Sparen bei der Bildung nenne ich das, wenn sich ganz viele junge Leute bewerben und abgelehnt werden.“ Weiter machte Bosbach klar, dass die einzige Vorhersage, die man über die wirtschaftliche Entwicklung machen kann, die Jahreszahl selbst ist. Alles andere sei Unfug.

Seit der Wiedervereinigung ist die Lebenserwartung um 4,5 Jahre angestiegen. Doch dies sollte kein Problem darstellen, da das Bruttosozialprodukt (BIP) ebenfalls angestiegen ist. Es ist um ein Drittel gestiegen, trotz einigen wirtschaftlich schlechteren Jahren, wie der Wirtschaftskrise. So gleicht sich dies wieder aus. Die Diskrepanzen entstehen eher dadurch, dass immer noch nicht alle Erwerbstätigen in die Sozialkasse einzahlen. „Das ist aber ein soziales und kein demografisches Problem.“, unterstreicht Bosbach.

Nutznießer der Demografie sind vor allem Unternehmen und Versicherungen. Daher fordert Bosbach, dass die Nutznießer herangezogen und nicht weiter beschenkt werden sollten. Zudem fordert er eine Erwerbstätigenversicherung. Dafür ist das bewährte Umlageverfahren nach Bosbach die beste Methode und verlangt daher den Abbau dessen zu stoppen.

Insgesamt war der Vortrag sehr lehrreich gewesen. Prof. Dr. Bosbach hat auf lustige und sympathische Weise viele Fehler und Mythen für das Publikum aufgedeckt. Er referiert über diese Themen nicht erst seit kurzem sondern bereits seit 2004, dennoch war dies der Masse des Publikums neu. Er bemängelt selbst, dass er nicht oft die Chance bekommt sein Wissen zu publizieren. „In den Zeitungen, darf ich vielleicht alle zwei Jahre einen Artikel schreiben.“ „Fernsehsendungen mit solchen Themen werden erst ab 23 Uhr ausgestrahlt.“(jkh)


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