Inklusion - Erster überregionaler Fachtag für Schulbegleiter
Schulassistenten gehören mittlerweile fest zum Schulalltag. Deutlich wird dies auch in Zahlen: 30 mal mehr Schulassistenten gibt es als zu Beginn der Jahrtausends. Ohne diese Begleiter ist in den heimischen Schwerpunktschulen derzeit und auch künftig nicht möglich Inklusion zu praktizieren.
Altenkirchen. Volles Haus beim ersten überregionalen „Fachtag für Schulbegleiter", den die Akademie, das Evangelische Schulreferat und der HIBA gemeinsam in der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen anboten. Statt der erwarteten 25 Teilnehmer kamen 80 interessierte Schulassistenten, die unter anderem von Dr. Rainer Müller vom Comenius-Institut in Münster Grundsätzliches zu einem stetig gewachsenen, aber noch immer „schwer zu fassenden" Aufgabenbereich hörten. In Arbeitsgruppen tauschten sich die Teilnehmer intensiv aus.
Schulassistenten bieten den begleiteten Schülern Orientierung, Struktur und Schutz im Alltag. Sie fördern soziales Lernen, intervenieren in Krisen und fungieren als Bindeglied im pädagogischen Team.
Wie kommen sie mit ihren Aufgaben klar? Wie passt ihre Rolle in den Schulalltag? Wo ist Hilfe-Bedarf nötig? Wie läuft der Einsatz an den verschiedenen Orten?
Vielerlei Fragestellungen, die offenbar bewegen. Denn die Organisatoren eines ersten überregionalen „Fachtags für Schulbegleiter" (Anke Kreutz, Direktorin der Landjugendakademie Altenkirchen, Christof Weller, pädagogischer Leiter des HIBA und Pfarrer Martin Autschbach, Schulreferent der Evangelischen Kirchenkreise Wied und Altenkirchen) hatten dazu mit 25 Schulbegleitern gerechnet, es kamen aber 80 interessierte Schulassistenten aus den Regionen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald in die Landjugendakademie nach Altenkirchen
Schwerpunkt des Fachtags war unter anderem ein Impulsreferat von Dr. Rainer Müller vom Comenius-Institut in Münster, das auch das ungewöhnliche Tätigkeitsfeld der Zielgruppe thematisierte. Müller unterstrich, dass die Schulassistenten an den Schnittstellen (gelegentlich auch an den „Verwerfungslinien") der Inklusion arbeiten. „Sie begleiten ein Kind oder einen Jugendlichen mit Förderbedarf im Schulalltag. Dabei stehen sie oft wie Dolmetscher zwischen dem Bezugsschülern und einer Lehrkraft, die nur im Idealfall eine förderpädagogische Qualifikation hat".
Dr. Rainer Müller hob hervor, dass die Schulassistenten oft vermittelnd zwischen den für inklusives Lernen mehr oder weniger geeigneten Unterrichtsmaterialien und einem Jugendlichen stehen und ihm wie aus einer Fremdsprache die Inhalte übersetzen müssten.
Die Zahl der Schnittstellen sei aber damit kaum erfasst. Eltern, Therapeuten, das Kollegium einer Schule und der außerschulische Arbeitgeber gehören ebenso in das Netzwerk, das Schulassistenten zugunsten der Schülers täglich knüpfen müssen.
Dr. Rainer Möller führte auch in die besondere Problematik dieses neuen Berufsfeldes ein: „Die Schulbegleitung ist eine Einzelfallmaßnahme, die vom Jugendamt oder Sozialamt nach individueller Prüfung als fallbezogene Ressource genehmigt wird. Das begleitete Kind wird herausgehoben, als förderungsbedürftig etikettiert und damit in der Regelschule zum „Inklusionskind", was dem Anspruch der Inklusion nach dem Motto „Es ist normal verschieden zu sein" im Grunde widerspricht.
„Aber Inklusion ist ein spannungsvoller Prozess, der der sich gerade erst im Aufbau befindet. Die Einrichtung der Schulassistenz muss in diesem Rahmen bewertet werden", forderte er ein.
Leider erfolge diese wertvolle Aufgabe, so der Referent, in einer überaus labilen Beschäftigungs- und Bedingungslage. Viele Schulassistenten erfüllten ihre wichtige Tätigkeit in einem sehr unsicheren, mitunter prekären Arbeitsverhältnis. Wird die Begleitung im kommenden Schuljahr weiterbewilligt? Was passiert bei einer längeren Erkrankung des begleiteten Jugendlichen? Wechselt „mein" Bezugskind obwohl dies zurzeit kaum sinnvoll ist? – Elementare Fragen, die zusätzlich belasteten.
Die Chancen und Probleme der Zusammenarbeit mit den Schulen waren unter anderem Thema von fünf parallelen Arbeitsgruppen des Fachtages. Deutlich wurde hier wie unterschiedlich die Standards sind. Die Lage vor Ort reicht nach Aussage der Schulassistenten von „hervorragend" bis „katastrophal".
In den Regionen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald gibt es Schulen, in denen wöchentlich Förderpläne fortgeschrieben werden und regelmäßig ein runder Tisch aller Beteiligten (Klassenlehrer, Förderschulkollegen, Fachlehrer, Schulbegleiter und Eltern) zugunsten des unterstützten Kindes oder Jugendlichen stattfindet.
In anderen Schulen hingegen haben die Schulassistenten „noch nicht einmal einen Schlüssel für die Lehrertoiletten" und müssen immer wieder mit „ihren" Zielschülern auf einem Flur arbeiten.
Völlig unterschiedlich sind auch die mitgebrachten Qualifikationen. Als Schulassistenten sind Erzieherinnen, Sozialarbeiter, Heilerzieher, aber auch erfahrene Mütter tätig.
Zukunftsweisend - so der Tenor des Austauschs - wären Module einer regelmäßigen Fort- und Weiterbildung, eine feste Berufsbezeichnung und ein sicherer beruflicher Status.
Damit diese Utopie konkreter wird, wollen die Veranstalter die Ergebnisse des Fachtages an die außerschulischen Arbeitgeber, die zuständigen Verwaltungen und Kostenträger, die ADD und an die Schwerpunktschulen weitergeben.
Die Schulassistenten gaben sehr positive Rückmeldungen zur sorgfältigen Vorbereitung und dichten Arbeitsatmosphäre der Veranstaltung: „Wir fühlen uns in der Tat manchmal als ‚Aschenputtel der Inklusion'. Es tut sehr gut, dass kirchliche Bildungsträger dies wahrnehmen und uns heute erstmals ein gemeinsames Forum gegeben haben", unterstrichen sie gegenüber den Veranstaltern.(pes)
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