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Nachricht vom 10.12.2016    

Schwarzwild-Bekämpfung: Politik ist am Zug

Die Schäden durch wachsende Schwarzwild-Populationen nehmen nicht nur im Westerwald zu. Beim Kampf gegen die Wildschwein-Schäden erreichen die Beteiligten ihre Grenzen. Gemeinsam mit Landwirten und Jagdpächtern macht die Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg auf die Problemkette aufmerksam. Unter anderem setzt man auf mehr Sensibilisierung in Politik und Gesellschaft.

Die Vertreter der Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg, der Jäger und Jagdpächter sowie der Landwirtschaft wollen für die Probleme der wachsenden Schwarzwild-Population sensibilisieren und gemeinsam handeln. Sie setzen auch auf Hilfe des Landkreises. (Foto: Andreas Schultheis)

Wissen. Zerwühlte Wiesen, Weiden und Äcker, rabiate Wildschwein-Besuche in gepflegten Vorgärten oder auf Friedhöfen, Wildschwein-Rotten, die für Gefahren auf Bundesstraßen und Autobahnen sorgen: Bundesweit steigt die Schwarzwild-Population seit Jahren explosionsartig an, Experten sprechen von einer Verdreifachung des jeweiligen Frühjahrsbestandes bis zum Jahresende. Im Bereich der Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg suchen die verschiedenen Akteure derzeit nach gemeinsamen Lösungen für die Probleme und erwarten unter anderem mehr Einsicht und Unterstützung der politischen Ebenen.

Was geschossen wird, wächst nach
„Die Ursachen für die explosionsartig steigenden Schwarzwildpopulationen sind natürlich die milden Winter, die gute Nahrungssituation durch vermehrten Maisanbau und die gute Fruchtsituation bei Eiche und Buche, hochwertige Wiesen und am Ende auch die unzureichende Bejagung“, erläuterte Dr. Franz Straubinger, Betriebsleiter der hatzfeldt-wildenburg’schen Verwaltung, bei einem Ortstermin mit Jägern, Jagdpächtern und Landwirten in Hagdorn bei Wissen. Das Schwarzwild reagiere auf die günstigen Lebensumstände mit hohem Zuwachs, die Wildschweine können zweimal jährlich Nachwuchs bekommen. Und schon im ersten Lebensjahr könnten Frischlinge selber Junge zur Welt bringen. Die in der Folge der großen Stürme wie Kyrill entstandenen Dichtungen böten den Tieren außerdem Schutzzonen, die für die Jagd kaum erreichbar sind. Das alles sei weder ein regionales Problem noch ein lediglich bundesweites, es sei europaweit erkennbar. Allein im laufenden Jahr konnten seit April im Bereich der Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg, die sich über eine Fläche von 10.000 Hektar erstreckt, 300 Stück Schwarzwild erlegt werden – mehr als im gesamten Vorjahr. Allerdings relativiert Straubinger die Zahl, mit der noch nichts erreicht sei: „Was geschossen wird, wächst nach. Wir kommen nicht an den Grundbestand.“

Landwirt Peter Kern von der Angliederungsgenossenschaft Friesenhagen-Wissen machte deutlich, dass die Landwirtschaft bereits eng mit den Hegegemeinschaften, Jagdpächtern und Jägern zusammen arbeitet, dass es aber trotzdem immer schwieriger werde, den Wildschwein-Rotten Herr zu werden: enorme Flächenumbrüche, Verseuchung des Futters, Ertragsausfall, Maschinenverschleiß waren seine Stichworte. Und auch die Jäger bringen ihren Teil ein: Allein 2015 wurden von den Jägern in der Hegegemeinschaft 3.000 Arbeitsstunden und 200 Maschinenstunden für die Behebung von Schwarzwildschäden investiert. Dennoch erreichen alle Beteiligten derzeit ihre Grenzen. Und: Schwappt erst die bereits in Osteuropa festgestellte Afrikanische Schweinepest nach Deutschland und wird vom Schwarzwild verbreitet, stehen heimische Schweinebetriebe vor dem Aus.

Wo bleibt der „Runde Tisch Schwarzwild“ im Kreis?
Nicolaus Graf von Hatzfeldt und Revierleiter Thomas Boschen, der auch Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes Rheinland-Pfalz e. V. ist, sehen angesichts der derzeitigen Entwicklung das System bedroht: „Es geht an die Substanz der Jäger und Jagdpächter“. Es sei fraglich, wie lange einzelne Akteure noch mitmachen angesichts der finanziellen und arbeitsintensiven Belastung. Im schlechtesten Fall seien Reviere nicht mehr verpachtbar und der Kreis müsse die Jagd bzw. Jäger bezahlen, um die Regulierung der Population sicherzustellen.

Soweit will man es nicht kommen lassen. Aber was kann man tun? Kreisjagdmeister Franz Kick sieht den „Ball im Spielfeld der Jäger“, sie hätten noch nie so viele Freiheiten gehabt wie gegenwärtig - was aber offensichtlich nicht ausreichend ist. Nach Ansicht der Hegegemeinschaft, der Landwirte, Jäger und Jagdpächter ist die Politik am Zug. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat gemeinsam mit den Fachverbänden der Jägerschaft, Jagdrechtsinhaber, der Land- und Forstwirtschaft sowie dem Gemeinde- und Städtebund ein „Handlungsprogramm zur Reduzierung überhöhter Schwarzwildbestände“ vorgelegt und darin unter anderem den Landkreisen empfohlen, „Runde Tische Schwarzwild“ mit allen Beteiligten einzurichten, um Kräfte zu bündeln. Im Kreis Altenkirchen gibt es hierzu noch keine Initiative.



Föderalismus erschwert die Bejagung
Desweiteren empfiehlt das Programm beispielsweise, die Abschusszahl von weiblichen Wildschweinen zu erhöhen, Frischlinge unabhängig von ihrer Verwertbarkeit zu bejagen, großräumige und revierübergreifende Bewegungsjagden verstärkt durchzuführen, den künstlichen Futtereintrag zu verringern. In puncto revierübergreifende Jagden hat die Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg bereits gehandelt, sie führt über 50 entsprechende Drückjagden durch. Gleichwohl scheitern solche Bestrebungen oft an profanen Revieregosimen, wenn in Nachbarrevieren weniger intensiv bejagt wird. Auch der bundesdeutsche Föderalismus treibt ganz eigene Blüten in der Grenzregion zu Nordrhein-Westfalen: Während die Landesjagdverordnung für Rheinland-Pfalz keine Schonzeit für Schwarzwild vorsieht - ausgenommen sind die bis zum Selbständigwerden der Jungtiere nötigen Elterntiere -, schränkt die Landesregierung in Düsseldorf die Bejagung auf den Zeitraum von August bis Mitte Januar ein. Auch das Sonntagsjagdverbot, so der stellvertretende Kreisjagdmeister Jörg Wirths, schränke die Möglichkeiten ein. Außerdem, so das Handlungsprogramm, das die Hegegemeinschaft Schönstein-Wildenburg unterstützt, sollen revierlose Jäger am Abschuss von Schwarzwild beteiligt werden. Zudem werden die Kreise beispielswiese aufgefordert, die Gebührengestaltung für die so genannte Trichinenschau - Trichinella spiralis ist ein parasitisch lebender Rundwurm - beim Schwarzwild im Sinne einer geringeren Belastung der Jäger zu lenken.

Jagdsteuer: Ein Relikt vergangener Tage?
Beim Ortstermin der Hegemeinschaft Schönstein-Wildenburg hatte man hierzu noch konkretere Vorschläge: Alles beginnt mit der Sensibilisierung der Bevölkerung für die jagdlichen Aufgaben. Jagen sei kein luxuriöses Hobby weniger betuchter Städter, sondern biologisch-gesellschaftliche Notwendigkeit mit gesetzlichem Auftrag, um Schäden zu minimieren und Seuchen zu vermeiden. Dem müsse Gesellschaft und Politik Rechnung tragen, so der Tenor. Das fängt schon bei der Ausrüstung an: Da man Schwarzwild bevorzugt bei Nacht jagen muss, aber dies eben nur bei Mondlicht und ohne technische Hilfe, hofft man auf ein Umdenken beim Gesetzgeber: Nachtzielgeräte, so Jagdpächter Werner Roth, „kann man zwar überall online kaufen, darf sie aber nach dem Gesetz nicht einsetzen. Solange man auf die wenigen Mondnächte angewiesen ist, wird man nicht erfolgreich die Schwarzwild-Population jagen können.“

Daneben solle der Kreis über Erhebung, Höhe und Verwendung der Jagdsteuer nachdenken, die in keinem Verhältnis mehr zu den eklatant gesenkten Pachten stehe. Auch könnte, wie in anderen Landkreisen, die Gebühr für die Trichinenschau von Frischlingen erlassen werden, da die Gebührenhöhe den wirtschaftlichen Verkauf eines Tieres unmöglich mache. Und weil man die Jagd nicht ohne ausgebildeten Jagdhund betreiben kann, verweisen die Akteure auch auf Möglichkeiten der Gemeinden, die Hundesteuer für Jagdhunde als so genannte Gebrauchshunde zu ermäßigen oder zu erlassen. In jedem Fall will man die Einrichtung eines Runden Tisches auf Kreisebene nun vorantreiben. (as)



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