Spaziergang gegen das Vergessen stimmte nachdenklich
Im abgelaufenen Jahr gab es zahlreiche politische Aufmärsche mit Hassparolen in der Stadt Hachenburg und der Region von Menschen, die von ihrem Demonstrationsrecht teils lautstark Gebrauch machten. Diesmal war es anders: ein eher schweigender „Spaziergang gegen das Vergessen“ führte die Versammelten von der alten Vogtei aus zu den 42 Stolpersteinen, mit denen an die ehemals in Hachenburg lebenden und später deportierten jüdischen Mitbürger erinnert werden sollte. Zum Abschluss dieser Kundgebung gedachte man des vor 26 Jahren ermordeten Kurden Nihat Yusufoglu, der in Hachenburg von Neonazis ermordet wurde.
Hachenburg. Der Holocaust ist in den Jahren der Hitlerdiktatur auch in Hachenburg nicht ohne Folgen geblieben. Zahlreiche Mitbürger fielen dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer und endeten in den Gaskammern oder der Deportation, die nur wenige Menschen überleben konnten. Menschen, mit denen die Hachenburger bis dahin friedlich zusammen lebten, verschwanden für alle Zeiten, blieben aber dennoch in vielen Herzen zahlreicher Mitbürger lebendig.
„Zachor“ hieß das Buch, mit dem Werner A. Güth und Johannes Kempf frühzeitig an das Schicksal der in Hachenburg lebenden Juden erinnerte. In jüngster Zeit wurden vor den Häusern, in denen einst Juden wohnten, zur Erinnerung 42 Stolpersteine installiert. Mit einem „Spaziergang gegen das Vergessen“ suchten die Versammelten diese Stellen auf und legten Blumen nieder. Organisatorin Claudia Schmidt hatte dafür gesorgt, dass an allen Stolpersteinen die Namen der jüdischen Bürger und Familien erwähnt wurden, die in diesen Häusern gelebt hatten. Betroffenheit war überall spürbar und ein 12jähriges Mädchen fing plötzlich an zu weinen. Die zehnjährige Paulina bückte sich ebenfalls, um die Stolpersteine mit Blumen zu schmücken.
So zog die Gruppe der Menschen, die zu diesem Spaziergang gegen das Vergessen angereist waren, von Haus zu Haus und hörte den Erzählungen über die Familien und Firmengeschichten der ehemals jüdischen Ladeninhaber aufmerksam zu. Natürlich waren auch Vertreter der Antifa (Antifaschistische Aktion) und der Partei „Die Linke“ mit ihren Fahnen nicht zu übersehen. Jedoch die Hachenburger Bürgerschaft selbst, blieb von wenigen Ausnahmen abgesehen, größtenteils unsichtbar. Die spärlich beleuchteten Gassen in der Innenstadt wirkten im Blick auf das Vorhaben dieses Schweigemarsches bedrückend. Die begleitende Musikauswahl wurde teilweise als zu laut und nicht in jeder Tonart angenehm empfunden. Der monotone Gesang der „Moorsoldaten“ (ein Lied aus den KZ-Lagern) begleitete die Spaziergänger.
Vom Alten Markt führte der Weg über die Wilhelmstraße, wo auch zahlreiche Stolpersteine an die jüdische Vergangenheit erinnerten. Plötzlich ein unüberhörbarer Zuruf „alles Asoziale“ aus dem Mund eines vorbeieilenden Passanten führte zu Kopfschütteln und aufklärenden Gesprächen zwischen Eltern und ihren Kindern. Der „Spaziergang gegen das Vergessen“ führte vorbei an dem Hinweisschild auf die ehemalige Synagoge und endete an dem Platz an dem Mauerwerk des Parkhauses am Alexanderring. Genau an dem Ort, wo eine Gedenktafel angebracht war, die an den sinnlosen Tod des damals erst 18jährigen Nihat Yusufoglu erinnert, der am 28. Dezember 1990 von einem gleichaltrigen Neonazi in der Nähe seines Elternhauses am Alexanderring ermordet wurde.
Bürgermeister Peter Klöckner war sichtlich erregt, als er dem anwesenden Vater des Opfers und den mit angereisten Geschwistern und Verwandten, die jetzt in Bremen wohnen, sein Bedauern über das schreckliche Geschehen vor 26 Jahren ausdrückte. In einer unmissverständlichen Ansprache machte er deutlich, dass es in Hachenburg für Rassenhass keinen Raum geben dürfe. „Die Stadt Hachenburg war fassungslos!“, versicherte er dem neben ihm stehenden Vater von Nihat und der Familie Yusufoglu.
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Bürgermeister Peter Klöckner nutzte die Gelegenheit um auf den aufkeimenden Rassismus hinzu weisen, der derzeit wegen der Flüchtlingskrise vielerorts spürbar sei. „Was derzeit auch in Deutschland passiert, das macht mir Angst!“, sagte Klöckner, der die Anwesenden zur Aufmerksamkeit aufforderte. „Wir haben nichts davon gewusst, so wie es auch nach der Hitlerdiktatur stets von den Mitmenschen zu hören war“, habe keine Gültigkeit. Wehret den Anfängen und seid wachsam, müsse die Devise lauten. Dann verglich er die Zahlen von Ländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben, ohne viel zu fragen. In Jordanien, im Libanon, die genug mit sich selbst zu tun haben, seien Millionen Flüchtlinge aufgenommen worden. In die Bundesrepublik Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern, seien eine Million Menschen, die hier in Frieden und Freiheit leben wollen zu viel? Was in den letzten Monaten passiert und von den „braunen Banden“ und der AfD menschenverachtend kommentiert werde, sei Aufgabe für die Politik sich für die Freiheit einzusetzen. „Wer das haben will, der muss auf die Straße gehen und mit machen, so wie Sie, die hierher gekommen sind“, lobte er die Versammelten. „Zum Ende des Jahres 2016 sind wir gefordert für die Freiheit einzustehen“, lobte er die Organisatoren um Claudia Schmidt, die diesen Schweigemarsch gegen das Vergessen organisiert hatten.
Von denen gab es auch noch ein Schlusswort, in dem das Zusammenstehen Gleichgesinnter gefordert wurde. Dabei wurde an die sich überall bemerkbar machenden Nazi-Aufmärsche erinnert, die in jüngster Zeit nicht nur in den Städten, sondern auch im Rückzugsgebiet der ländlichen Regionen erkennbar seien. (repa)
Die Polizei Hachenburg meldet dazu, dass anlässlich des 26. Todestages von Nihad Yusufoglu im Stadtgebiet Hachenburg ein Gedenkspaziergang gegen das Vergessen stattfand. Etwa 100 Teilnehmer fanden sich zu dieser Veranstaltung ein. Die eingesetzten Kräfte der Polizeidirektion Montabaur sorgten für einen friedlichen und störungsfreien Ablauf. Während des zweistündigen Spaziergangs gab es nur wenige Verkehrseinschränkungen. Die Streckenführung begann in der Perlengasse, führte über den Johann-August-Ring in die Borngasse und schloss mit einer Kundgebung im Alexanderring. Gegen 19.15 Uhr endete die Veranstaltung.
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