Weltladen Betzdorf: 20 Jahre für fairen Handel
Wenn eine ehrenamtliche Initiative über zwei Jahrzehnte Bestand hat, ist das Grund zu feiern. Und im Fall des Weltladens geht es nicht nur um eine Spaßinitiative. Stattdessen wurde gewürdigt, wie beständig Ideen und Werte sein können – gerade auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise.
Betzdorf. Den Song, den der Damenchor „Remember“ zu Beginn der Jubiläumsveranstaltung sang, schien wohlgewählt. „Imagine“, die Friedenshymne von John Lennon, gibt auch inhaltlich die Richtung vor auf das, was folgte. „Stell dir vor, alle Menschen leben in Frieden. Du wirst vielleicht sagen, ich bin ein Träumer aber ich bin nicht der Einzige“, heißt es übersetzt in dem Klassiker des verstorbenen Ex-Beatles. Tatsächlich sind Initiativen wie der Weltladen in der Betzdorfer Fußgängerzone Beweis genug, dass Lennon mit seiner idealistischen Vorstellung einer friedlichen Welt ohne Gier und Hunger nie alleine war.
Seit über 20 Jahren verkaufen Hermann Reeh und seine Mitstreiter Honig, Tee, Schokolade, Kaffee und mehr. Und dies zu Preisen, die über dem Weltmarktstandards liegen. So soll den Produzenten in den sogenannten Drittweltstaaten ein angemessenes und sicheres Einkommen garantiert werden. Auf dem Festakt war zwischenzeitlich die Rede von 200 Familien und 800 Kindern, die auf Dauer unterstützt werden durch die Arbeit des Betzdorfer Weltladens.
Es geht also um weit mehr, als einfach Produkte an die Frau und den Mann zu bringen. Die Ehrenamtler wollen im Kleinen vor Ort die Welt ein Stück besser machen. Und Träumer? Eher sind die Aktiven engagierte Macher, getrieben von Werten abseits einer „Billigeinkaufskultur“. Und hierfür steht wie kein anderer Hermann Reeh. Bei den zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Kampagnen des Ladens ist der pensionierte Lehrer meist an vorderster Stelle präsent. „Unangenehm-angenehm“, so beschrieb Martin Klein von der Linkspartei später seinen alten Weggefährten in einem Grußwort. Und natürlich ist der engagierte Steinebacher auch „ein echtes Original“, wie es in dem vorgelesenen Grußwort der entschuldigten Landesministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hieß.
Tatsächlich waren die Gründer des Weltladens zu Beginn gar nicht so sicher, ob sich ein solches Angebot in Betzdorf tragen wird, wie Reeh in seiner Rede erklärte. Dass man so lange durchhalten konnte, führte er auch auf das Engagement des Teams, aber auch auf die Unterstützung von Parteien, Politikern, Kirchen, Vereinen und Institutionen zurück. Vertreter dieser Gruppen fanden sich denn auch zahlreich in den Sitzreihen der Festveranstaltung. Und nicht zuletzt den Kunden dankte Reeh. Ohne sie hätte der Weltladen keinen Bestand gehabt.
Die öffentliche Unterstützung gebe dem Weltladenteam Gewissheit, dass deren Einsatz nicht ins Leere laufe. Was treibt die Aktiven nun schon seit über zwei Jahrzehnten an? „Für alle besteht die Verlockung darin, einen Beitrag geleistet zu haben für eine bessere Welt, in der es keine Ausbeutung, keine Naturzerstörung und keinen Krieg mehr gibt, wo Menschen nicht gezwungen sind, ihre Heimat aus existenzieller Bedrohung zu verlassen“, sagte Reeh in seinem Vortrag. Wer im Weltladen arbeite oder einkaufe, bekämpfe Fluchtursachen.
Mit dieser Aussage lieferte Reeh dem folgenden Redner die perfekte Steilvorlage. Norbert Neuser (SPD) ist Mitglied des EU-Parlaments und hier Mitglied des Entwicklungsausschusses. Wieso flüchten Menschen in die Europäische Union? Die Gründe hierfür würden erst diskutiert, seitdem durch die Flüchtlingswelle ein entsprechender Druck auf den politisch Verantwortlichen laste. Gleichzeitig müsse man diesen Umstand auch als Chance betrachten, um Lösungen zu erarbeiten, wie Entwicklungsländer gestärkt werden können. Eben damit Menschen nicht mehr von dort flüchten. Nach tiefergehenden Ausführungen zur Entwicklungspolitik und zu dem Vormarsch rechtspopulistischer Politiker kam der Volksvertreter zu dem Schluss: „Not und Elend lassen sich nicht mit Waffenhandel bekämpfen!“ Stattdessen sei fairer Handel ein wichtiger Baustein, um das Bewusstsein für das Problem stetig zu fördern. Und ein Beweis für die Durchschlagskraft von zivilgesellschaftlichen Engagement sei zum Beispiel, dass Supermärkte auf dem Weg seien, Fair-Trade-Produkte anzubieten.
Wie wichtig der Einsatz des Weltladens ist, machten nach Neuser ebenfalls zahlreiche Redner in Grußworten deutlich, unter anderem Dechant Rudolf Reuschenbach, Landtagsabgeordneter Michel Wäschenbach (CDU) oder Horst Vetter und Anne Neuhof von den Grünen sowie der SPD-Bundestagskandidat Martin Diedenhofen. Gleich zu Beginn der Veranstaltung hatte der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain die Wichtigkeit des Weltladens hervorgehoben. Mit vielen Schritten im kleinen Betzdorf werde hier daran gearbeitet, dass sich das Gesicht der Welt ein Stück weit verbessere, sagte Bernd Brato. Und zu diesen Schritten gehört auch, das Bewusstsein der Konsumenten zu ändern. Hermann Reeh hatte in seinem Beitrag zuvor betont: Immer mehr Verbraucher bezögen in ihre Kaufentscheidungen mit ein, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt worden ist. Dies hätte laut einer Studie der faire Handle bewirkt – und damit Angebote wie der Weltladen, will man ergänzen. (ddp)
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