Festvortrag zum Jubiläum des Kirchenkreises in Wissen gefiel
Dr. Nicole Kuropka begeisterte die Zuhörenden bei einem Fachvortrag zur „Reformation im Rheinland“ im Wissener Gemeindehaus durch ihre „rheinische Art“, viel Geschichtliches anschaulich deutlich zu machen. Der Festvortrag stand am Anfang einer Reihe von Veranstaltungen zum 200-jährigen Bestehen des Kirchenkreises Altenkirchen. Weiter geht es am 30. März mit einem Vortrag von Dr. Dieter Bach.
Wissen. „Der Kirchenkreis Altenkirchen ist zwar nicht die ‚Wiege der Reformation’, aber an ihm wird sehr gut deutlich, wie die Reformation im Rheinland mit all ihren Schattierungen verlief!“ Dr. Nicole Kuropka, Kirchengeschichtlerin und Pfarrerin aus Wuppertal, hatte für den Festvortrag „Von Wittenberg nach Wissen – die Reformation im Rheinland“ anlässlich des Reformations- und Kirchenkreis-Jubiläums die Grafschaft Sayn – zu ihr gehört der Kirchenkreis – intensiv in den Blick genommen. Ihre Entdeckungen dabei hatten ihr offenbar selbst viel Freude bereitet. Entsprechend launig zog sie die Zuhörerschaft mit ihrem Fachwissen in den Bann und gab geschichtliche Fakten, Namen und Zusammenhänge der Historie und ihrer Folge ausgesprochen kurzweilig weiter.
Von dem „zweifelnden“ Martin Luther, der vom unbekannten Provinz-Dorf Wittenberg aus startete und der sich dem Rheinland zeitlebens nie persönlich näherte, zog Kuropka die Linien zu den eher im Rheinland bekannten Reformationspersönlichkeiten wie Martin Bucer und Philipp Melanchthon und dem Reichsritter Franz von Sickingen und der – für sie leider vielfach bei Reformationsbetrachtungen unbeachtet gebliebenen – Ebernburg. Sie war eine „Trotzburg“, bot Verfolgten Unterschlupf und Entstehungsort zahlreicher „Flugschriften“ in deutscher Sprache zur schnellen Verbreitung des reformatorischen Gedankenguts.
„Wer heute von mobilen Menschen redet, kann hoffentlich würdigen, was die damaligen Prediger leisteten“, resümierte die Kirchengeschichtlerin. Diese Theologen, viele davon ebenfalls namenlos und vergessen, die damals die Botschaft persönlich überbrachten, sich häufig mit Vertreibung und Neuanfängen konfrontiert sahen, gehörten unabdingbar zum „Netzwerk Reformation“.
Dass in einer kleinen Grafschaft wie Sayn angesichts der kirchlichen und politischen Gemengelage ihrer Zeit erst spät die Reformation Fuß fassen konnte und auch dort schon kurz später das Aufeinandertreffen von „Lutherischen“ und „Reformierten“ neue Herausforderungen schaffte, brachte Dr. Kuropka ihren Zuhörenden ebenso spannend rüber wie die historischen Ereignisse bei den „Nachbarn“. Längere Zeit hatte es so ausgesehen, als ob ein „Evangelischer Nordwesten“, der an die Grafschaft Sayn angrenzte, Realität werden könnte. Letztlich sorgten machtpolitische Interessen dafür, dass die Entwicklung gestoppt wurde, und erst der „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555 ließ das reformatorische Pflänzchen auch in der Region des heutigen Kirchenkreises Altenkirchen sprießen.
Den kunterbunten Flickenteppich von kirchlichen und politischen Feldern zu Zeiten der Reformation schilderte Kuropka ihren Zuhörenden so geschickt, dass daraus das Muster der historischen Entwicklung viel von dem preisgab, was heute das „bunte Rheinland“ mit all seinen Eigenarten ausmacht. „Typisch rheinisch“: eine zweistündige Geschichtsstunde, die der Referentin viel Beifall und Anerkennung einbrachte und ihrer Zuhörerschaft so manche neue Erkenntnis. In einer lebhaften Aussprache ging man gemeinsam den „Flugschriften“, den Besonderheiten der Ebernburg und dem Komplex „Reformation und Bildung“ nach.
Wer war Luther wirklich? Jeder hat ihn in seiner Zeit vereinnahmt – ob es die Nationalisten im 19. Jahrhundert waren, Wilhelm II im ersten Weltkrieg, die Nazis oder die AfD. Wer war er wirklich? Was hat er gewollt? Auf welche Irrwege ist er geraten? Diese und weitere Fragen zu Luther, der im Jahr des Reformationsjubiläums besonders im Blick steht, werden bei einer weiteren Vortragsveranstaltung am Donnerstag, 30. März, 19.30 Uhr, im Forum der Ev. Kirchengemeinde Altenkirchen (neben der Christuskirche) gestellt. Dr. Dieter Bach, Theologe und Pädagoge – vielen in der Region auch als engagierter Streiter für die Werkstatt für Menschen mit Behinderung in der russischen Stadt Pskow bekannt – wird referieren. Der Eintritt zum Vortrag ist frei, erbeten werden aber Spenden für die Einrichtung in Pskow, die bislang noch einzigartig ist. (PES)
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