Aufrüttelndes 1. Maigespräch in Daaden mit Rudolf Düber
Ein Zitat von Berthold Brecht, geschrieben 1928 (Dreigroschenoper) nahm der Gastredener beim 1. Mai-Gespräch in Daaden als Leitfaden auf. "Die im Dunkeln sieht man nicht" - so hatte der frühere Caritas-Geschäftsführer Rudolf Düber seinen Vortrag überschrieben. Düber räumte mit den offiziellen Arbeitslosenstatistiken auf und warnte vor der Zweiteilung der Gesellschaft. Sein Appell: Mehr solidarisches Handeln, Ziel allen Wirtschaftens müsse der Mensch sein.
Daaden. An der Wilhelm-Fischbach-Hütte begrüßte VG-Bürgermeister Wolfgang Schneider wieder Betriebsräte aus Firmen der Verbandsgemeinde zum traditionellen „1. Mai Gespräch“. In Daaden halte man als einzige Kommune noch an dieser Tradition fest, bemerkte der Rathauschef und stellte auch gleich die Frage in den Raum, ob der erste Mai überhaupt noch ein Kampftag für die Arbeit als solches sei, oder ob es nicht vielmehr ein Feiertag geworden sei. Zugleich erinnerte er auch an die zentrale Kundgebung am Tag der Arbeit selbst, die wieder im Walzwerk in Wissen am kommenden Montag stattfinden wird.
Das ebenfalls traditionelle Referat des Tages hielt diesmal Rudolf Düber, der lange Jahre Geschäftsführer der Caritas Betzdorf war. Dessen Referat stand unter dem Brecht-Zitat: „Die im Dunkeln sieht man nicht…“ Mit denen im Dunkeln sprach Düber ganz konkret die Menschen an, die schon in den offiziellen Arbeitsmarktstatistiken der Bundesagentur für Arbeit nicht erwähnt werden und zeigte dies am Beispiel vom 31. März dieses Jahres auf.
„Für März wurden rund 2,66 Millionen Arbeitslose gemeldet. Genau das ist publiziert worden. Das gesamte Ausmaß der Menschen ohne Arbeit bildet die offizielle Zahl jedoch nicht ab. Denn 1 Million-De-facto-Arbeitslose sind nicht in der Arbeitslosen-, sondern in der separaten Unterbeschäftigungsstatistik enthalten.“ Dazu zählen alle Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, alle über 58Jährigen ohne Jobangebot in den letzten 12 Monaten und alle kurzfristig Arbeitsunfähigen. Mehr als 7 Millionen Menschen gar beziehen derzeit Arbeitslosengeld oder Hartz-IV-Leistungen. Im umgekehrten Falle gelten laut Statistischem Bundesamt als erwerbstätig sogar alle diejenigen, die mehr als eine Wochenstunde entlohnt arbeiten.
„Der Abbau der Arbeitslosigkeit und der Langzeitarbeitslosigkeit ist seit 2011 nahezu zum Erliegen gekommen. In der Gruppe der Langzeitarbeitslosen steigt die Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell an. Die Vermeidung und der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit gehören zu den drängendsten Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik“, so Düber. Dies sei ein hausgemachtes Problem der schwarz-gelben Bundesregierung von 2011, die damals beschlossen habe, bis 2014 Förderungen in Höhe von 20 Milliarden einzusparen.
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Arbeit bedeute nicht nur die Sicherung der materiellen Existenz, sie sei Ausdruck der Würde des Menschen, identitäts- und sinnstiftend und ein Schlüssel zu sozialer Gerechtigkeit, so sähen dies das Bistum Trier und die evangelische Kirche im Rheinland. In der Schweizer Verfassung heißt es unter anderem: „Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“. Düber zitierte den Psychologen Prof. Dr. Peter Kruse: „Unsere Gesellschaft driftet auseinander“. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) hat dazu ein Buch geschrieben mit dem Titel „Verteilungskampf“. Darin hält er fest, dass die deutschen Reallöhne heute kleiner sind als 1990. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist jedoch im Durchschnitt um 25 Prozent gestiegen. Die Zuwächse gingen an die Vermögenden. Die schwache Lohn- und Einkommensentwicklung bei den bereits Einkommensschwachen hat entscheidend zum starken Anstieg der Armutsquote in Deutschland beigetragen.
Auch das Thema „Arbeit 4.0“ sprach Düber an. So sei erwiesen, dass viele Arbeitnehmer diesbezüglich Angst haben, durch immer mehr Digitalisierung ihre Arbeit zu verlieren. Düber zitierte Prof. Dr. Stefan Sell, der diesbezüglich nur einen erneuten gewaltigen Strukturwandel für die Arbeitsmärkte sieht. Bestehende Unternehmen würden verschwinden, neue Unternehmen entstünden. Es bedürfe einer mittel- bis langfristigen Strategie, die Menschen auf diesem Weg in die neue Welt mitzunehmen.
Abschließend griff Düber das diesjährige Motto des DGB zum ersten Mai auf. „Wir sind viele. Wir sind eins.“ Das sei eine Haltung des solidarischen Miteinanders. Ziel allen Wirtschaftens müsse der Mensch sein, so sein Appell. Eine solche Haltung könne am ehesten dafür sorgen, dass tragfähige Antworten für die Zukunft gefunden werden. Dass die „im Dunkeln“ gesehen werden und denen „im Licht“ auf die Finger geschaut werde. Eine solche Haltung und Vision könne am ehesten dafür sorgen, strukturelle Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten zu bekämpfen. (anna)
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