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Ansichtskarte war 25 Jahre lang unterwegs
Der Weg von den Seychellen nach Herdorf ist zwar kein Katzensprung, aber dass eine Ansichtskarte von dort an die Heller ein ganzes Vierteljahrhundert dauert, dürfte auch nicht gerade die Regel sei. Ralf Ermert aus Hedorf hat sich dennoch über die verspäteten Urlaubsgrüße von Onkel Pius und Tante Anni - beide inzwischen verstorben - natürlich gefreut.
Von Rainer Wirth
Herdorf. Als Junge hätte sich Ralf Ermert aus Herdorf über die schöne Ansichtskarte mit den herrlichen Stränden der Seychellen sicher mächtig gefreut. Als erwachsener Mann mit 34 Jahren kann er sich die Grußkarte von "Onkel Pius und Tante Anni" nun anschauen, denn nach einer Laufzeit von sage und schreibe 25 Jahren ist die Karte endlich in 5243 Herdorf, Fronsteinstraße, eingetrudelt. Warum die bunte Karte so lange unterwegs war und wo die gut erhaltene Postsache so lange gelagert wurde, ist nirgends vermerkt. Sie schaut aus, als wäre sie vor wenigen Tagen erst in den Briefkasten gesteckt worden. Die Ansicht, in der Poststelle auf den Seychellen sei Frühjahrsputz angesagt gewesen und dabei sei die Karte hinter dem Rollschrank entdeckt worden, kann nur vermutet werden.
Auch die Absender der Karte haben deren Ankunft in Herdorf nicht mehr erlebt. Pius Ermert - allen Herdorfern als der "Vater des Rhönradsportes an der Heller" noch wohlbekannt - ist vor 13 Jahren verstorben. Seine Gattin Anni folgte ihm vor zwei Jahren. Die Söhne Hans und Dieter Ermert können sich freilich gut daran erinnern, dass die Eltern in der Sommerzeit regelmäßig das Fernweh und die Reiselust packte. Hans Ermert: "Beide haben die halbe Welt bereist und waren, bis auf Australien, in allen Erdteilen." Besonders die USA - Anni Ermert reiste einmal per Bus mit rudimentären Englischkenntnissen von New York nach San Francisco - sowie der Nahe und Mittlere Osten hatten es ihnen angetan. Hierbei konnte Pius Ermert auf einer Schiffsreise auch einmal seine turnerischen und kabarettistischen Fähigkeiten ins rechte Licht rücken. So holte er sich unter anderem beim Jekami- Wettbewerb (Jekami: Jeder kann mitmachen) mit seiner Anni den ersten Platz, als er sich vor Ägyptens Küste in Lederhose, Wadenstrümpfen und mit Gamsbart bewehrtem Schladminger und Anni im Dirndl jodelnd als Bayernpaar präsentierte. Das Tüpfelchen aufs i war dann, als Pius dazu noch auf dem Schiffsdeck das Rad schlug.
Nach dieser bajuwarisch-turnerischen Demonstration ging es per Kreuzfahrtschiff nach der Suezkanal-Passage weiter auf die Seychellen. Hier geriet Pius an einen zoologisch interessierten deutschen Wissenschaftler, der ihn auf eine einsame Insel per Außenborder mitnah, um dort Eier legende Schildkröten zu beobachten. Pech für die Beiden, dass zur Rückfahrt der Motor des Bötchens versagte und man sich die Wartezeit mit einer Flasche "Bordverpflegung", nämlich Weinbrand, vertrieb. Es soll dann eine sehr lustige Rückfahrt gewesen sein, versicherte er glaubhaft nach der Rückkehr in die Heimat.
Von den Seychellen schrieb er dann auch die Ansichtskarte an den jungen Ralf Ermert - er verwechselte den Vornamen und schrieb Frank -, die nun nach 25 Jahren angekommen ist. Warum die bunte Ansichtskarte erst nach einer Generation den Weg an die Heller gefunden hat, wird wohl nie mehr zu ergründen sein.
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Die herrlichen Strände der Seychellen zieren die lange verschollene Karte. Fotos: Rainer Wirth
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