Als die Webstühle noch klapperten - eine Rentnerin erinnert sich
Im kommenden Jahr sind es genau 55 Jahre her, als in dem kleinen Bürdenbacher Ortsteil "Grube Louise" das "Klappern" der Webstühle für immer verstummte. Eine Güllesheimer Rentnerin erinnert sich.
Bürdenbach/Güllesheim. Die 77-jährige Güllesheimerin Kathi Lachmuth, geborene Ostermann, erinnert sich noch gerne an ihre Zeit als Weberin in den 60er Jahren. Als junge Frau ging sie damals täglich zu Fuß, ausgestattet mit einem "Henkelmann", zur Grube Louise, in die dortige Weberei, um ihre Arbeit zu verrichten. "Es war eine sehr schöne Zeit. Wir hatten eine gute Betriebsgemeinschaft und während der Arbeit an den Webstühlen wurden Volkslieder gesungen", so Kathi Lachmuth. Weiter erzählt sie: "Die Tischdecke, die ich hier in den Händen halte, habe ich selbst gewebt. Aber auch meine alten Fotos lassen die Zeit wieder lebendig werden."
Aus Donauschwäbin wurde Westerwälderin
1944 kam die damals vierjährige mit ihren Eltern und ihrem Bruder von Jugoslawien nach Güllesheim. Sie waren aus ihrer Heimat Donauschwaben vertrieben worden und flohen schließlich nach Güllesheim in den Westerwald. Zwischenzeitlich fühlt sich Kathi Lachmuth als Güllesheimerin. Dort verbringt die Rentnerin auch ihren Lebensabend. Ein Bild ihrer Eltern im Wohnzimmer, dass die Mutter in der Tracht einer Donauschwäbin zeigt, weckt Erinnerungen an ihre ursprüngliche Heimat.
Westerwälder Tischwäsche entstand im ehemaligen Saal, in dem die Namen der Bergleute verlesen wurde
Der Ort, der den Namen des dortigen ehemaligen Eisenerzbergwerks "Louise" (1771 - 1930) trägt, war nicht nur ehemals ein blühendes Bergbauzentrum, sondern auch Sitz einer bekannten Fabrikationsstätte für Tischwäsche. In der Blütezeit der Weberei Johann Schmidt "Westerwälder Tischwäsche", Anfang der 60er Jahre, zählte das Unternehmen über 100 Mitarbeiter, vorwiegend Frauen aus der näheren Umgebung. 1949 siedelte der Betrieb mit nur wenigen Webstühlen von Horhausen in den alten Verlessaal auf dem früheren Grubengelände in die Gemeinde Bürdenbach. In dem Verlessaal wurden bis zur Stillegung der Grube im Jahre 1930 die Bergleute namentlich aufgerufen, bevor sie in die Grube einfuhren. Dem Verlesen der Namen schloss sich in der Regel ein Gebet an.
Weberei entwickelte sich prächtig
Das Unternehmen entwickelte sich prächtig und wurde von Gaby Schmidt (Ehefrau des Kaufmanns Johann Schmidt) geleitet. Sie stammte aus Rumänien und kannte sich in der Branche sehr gut aus. Die Webmeister kamen aus dem Sudetenland. Schmidt baute Hallen, ein 4-Familienwohnhaus und ein Privathaus. Zum Betrieb gehörten 3 Websäle, 1 Stickzimmer, 1 Nähzimmer, 1 Mangelraum und Büroräume. Auf Handwebstühlen wurden Tischdecken in allen Größen und dazu passende Servietten gefertigt, die an große Kaufhäuser und andere Wiederverkäufer geliefert wurden. Eine gute Weberin schaffte am Tag 8 bis 9 Decken. 1963 wurde die Firma, deren Embleme aus drei Tannen bestand, aufgelöst, da Johann Schmidt keine Nachkommen hatte. Damit ging auch eine Stück "Nachkriegs-Wirtschafts-Wunder" in dem kleinen Ortsteil "Grube Louise" zu Ende. (rsm)
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