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Nachricht vom 16.08.2009    

Federal Mogul: Was immerhin bleibt, ist die Hoffnung

Betriebsratsvorsitzender Bruno Köhler und der politische Gewerkschaftssekretär der IG-Metall Betzdorf, Claif Schminke, sind sich einig: "Solange Kündigungen ausgesprochen werden, kann man einfach nicht über Erfolge reden." Aber zufrieden sei man dennoch mit dem mit der Geschäftsführung von Federal Mogul ausgehandelten Vertrag. Der war eine schwere Geburt. Statt der ursprünglich geplanten 95 Entlassungen im Herdorfer Werk werden jetzt "nur" 81 entlassen. Und das in zwei Phasen. Vielleicht werden es aber doch weniger sein. Das hängt an der Entwicklung der Konjunktur. Und ob 33 Arbeitsplätze nach Ungarn verlagert werden.

Herdorf. Nach der Mitgliederversammlung für die in der IG-Metall organisierten Arbeitnehmer bei dem Automobil-Zulieferer Federal Mogul in Herdorf im Knappensaal standen viele der 250 (von insgesamt 313 Mitarbeitern, für alle findet in der nächsten Woche eine Betriebsversammlung statt), die kurz zuvor am Samstag Vormittag über das Ergebnis der Verhandlungen mit der Geschäftsführung informiert worden waren, noch zusammen. Auch wenn ihre Gewerkschaft, die IG-Metall, Kündigungen nicht hatte verhindern können - das war schon vorher klar - so war es dennoch gelungen, die Zahl der von Entlassung bedrohten von 95 auf 81 zu drücken und auf zwei Phasen zu "strecken". Kein Grund zum Jubel, sicher. Aber dennoch gab es viel Anerkennung für den Einsatz des Betriebsrates unter Bruno Köhler und der Betzdorfer Verwaltungsstelle der IG-Metall, deren politischer Sekretär Claif Schminke die "organisierten" (90 Prozent der Belegschaft) informiert hatte. Der hatte in der Versammlung, an der unter anderen auch Bürgermeister Uwe Erner teilgenommen hatte, geschildert, dass man alles getan habe, was möglich war. Schminke hatte die Geschäftsleitung scharf angegriffen, wie er später in einem Pressegespräch schilderte. Schminke: "Einen solchen Zirkus habe ich in meiner Laufbahn noch nicht erlebt. Wie eine Geschäftsleitung so mit ihren Mitarbeitern umspringen kann, ist unverantwortlich." Das dürfte die Manager des amerikanischen Konzerns aber wenig beeindruckt haben. Sie zogen ihr Ding durch, waren schließlich zu einigen Kompromissen bereit, vielleicht auch wegen der erhofften Stabilisierung der Auftragslage, von der die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Carmen Bieler hoffnungsvoll sprach. Angst vor einer schlechten Presse dürfte es kaum gewesen sein.
Das Ergebnis der Vertragsverhandlungen im Überblick: Anstatt der geforderten 95 Mitarbeiter, die schon in diesem Monat gehen sollten, müssen nun bis zu 81 Arbeitnehmer in zwei Phasen ab Oktober das Unternehmen verlassen. 33 von ihnen werden wegen einer Artikelverlagerung nach Ungarn gekündigt. Der muss aber noch der Großkunde Opel zustimmen. Tut er das nicht, können die die Arbeitnehmer (vielleicht) bleiben...
In dieser Phase 1 werden 49 Beschäftigte ihre Kündigung erhalten - 16 Prozent aufgrund des Umsatzrückgangs. Da allerdings deutet sich ein Hoffnungsschimmer an, denn die Betriebsräte haben erfahren, dass die Umsatzzahlen inzwischen wieder im schwarzen Bereich sind. Mehrarbeit wurde gar angemeldet, weiß Bruno Köhler. Der werde man aber zunächst nicht zustimmen. Wen wundert's. Und Investitionen wurden auch angekündigt. So soll im kommenden Jahr eine 1000-Tonnen-Presse eingerichtet werden.
Phase 2 des Vertrages beginnt dann im Januar 2010 mit einem Freiwilligkeitsmodell und im Juni 2010 mit den dann noch "notwendigen" betriebsbedingten Kündigungen mit dem gleichzeitigen Angebot zum Wechsel in eine Transfergesellschaft für weitere bis zu 32 unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern. Sonderkonditionen wurden für freiwilliges Ausscheiden aus dem Betrieb und für etwaige Abzüge für rentennahe Jahrgänge bei den Altersrenten erstritten, berichteten Schminke und Köhler.
Dennoch - was bleibt ist Enttäuschung: Sei auch die finanzielle Ausstattung des Interessenausgleichs gut, "ist diese Art von Freude nur von kurzer Dauer", sagte Schminke. "Ehrlich gesagt finde ich es schlimm, wenn man seine Leute, die immer hinter einem standen - gerade wenn es mal schlecht lief - zum Abschied so in den Hintern tritt. Das hat hier in Herdorf niemand verdient", wetterte der politische Sekretär. Vor allem der Verhandlungspartner in Gestalt von Rechtsanwalt Karl-Dietmar Cohnen aus Düsseldorf (White&Case, einer von etwa 30 in Deutschland, die für die Großindustrie weltweit tätig sind; www.whitecase.de) hatte es Schminke angetan: "Der Herr Rechtsanwalt hat das Wort soziale Kompetenz noch nie gehört." "Dafür wird er auch nicht bezahlt", fügte ein Anwesender sarkastisch hinzu. Ohne diesen Anwalt, so Schminke weiter, wäre man sicher schneller und weiter vorangekommen.
Auch Betriebsratschef Bruno Köhler ist sich sicher, dass ein anderer, sozialverträglicher(er) Weg möglich gewesen wäre: "Von unserer Seite her hätten wir die Kurzarbeit ausbauen können, die Politik hat extra entsprechende Instrumente beschlossen, um die Firmen hierbei zu entlasten." Aber es sei frustrierend gewesen: "Dieser Geschäftsleitung konnte man vorschlagen, was man wollte, es wurde eh sofort abgelehnt."
Aber aufgeben will man nicht, denn, so Köhler, man habe noch einige Karten in der Tasche. Dass die stechen, dazu gehört ein Anziehen der Konjunktur. Ein Ende der Rezession reicht eben noch nicht. Deshalb ist man auf Arbeitnehmerseite froh, dass man einen "Zwei-Phasen-Vertrag" hat abschließen können. Und hofft auf weniger Kündigungen. Denn in der zweiten Phase könnte sich der Konjunkturaufschwung nicht nur auf den Umsatz, sondern auch auf den Konzernprofit positiv auswirken. Und darum geht es schließlich. (Reinhard Schmidt)
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Sie informierten im Herdorfer Knappensaal über das Ergebnis der Verhandlungen: Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Carmen Bieler, der politische Sekretär der IG-Metall Betzdorf, Claif Schminke, und Betriebsratsvorsitzender Bruno Köhler (von links). Fotos: Reinhard Schmidt


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