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Kirche und Diakonie: Initiative gegen Kinderarmut
Arme Kinder in einem reichen Land: Das ist das Thema einer Regionalkonferenz am 29. August in Betzdorf, die Kirchenvertreter und örtlich Handelnde auf kirchlicher und politischer Ebene zusammenbringen will. Mit ihrer Initiative gegen Kinderarmut wollen Kirche und Diakonie Handlungsstrategien entwickeln, um Kindern bessere Zunkunftschancen zu ermöglichen.
Kreis Altenkirchen/Betzdorf. Die evangelische Kirche im Rheinland setzt sich verstärkt für die Bekämpfung der Kinderarmut ein. "Dieses Problem brennt uns in unserem reichen Land wie kaum ein anderes auf den Nägeln", unterstrich der rheinische Präses Nikolaus Schneider zum Auftakt der Kampagne "Chancenreich - Gemeinsam aktiv gegen Kinderarmut" der rheinischen Kirche und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Eine Regionalkonferenz am Samstag, 29. August, in Betzdorf, bringt zu diesem Thema Kirchenvertreter und die örtlichen Handelnden auf kirchlicher und politischer Ebene zueinander.
Die Regionalkonferenz im evangelischen Gemeindehaus Betzdorf (Gontermannstraße 26/9 bis 12.30 Uhr) mit ihrem Angebot für heimische Kommunalpolitiker, Presbyter, kirchliche Mitarbeitende und Interessierte aus Kirche und Gesellschaft ist integriert in die Veranstaltungsreihe rund um den 50. Geburtstag des Diakonischen Werkes Altenkirchen, die am Sonntag, 28. Juni, startete und mit weiteren Veranstaltungen, die auf verschiedenste Aspekte der diakonischen Arbeit eingehen, über die kommenden Monate fortgeführt wird. Wer Interesse an der Teilnahme der Regionalkonferenz hat, kann sich beim Diakonischen Werk in Altenkirchen noch anmelden unter 02681/80 0820 oder info@diakonie-altenkirchen.de.
Bereits heute lebt jedes vierte Kind in Deutschland in einem einkommensarmen Haushalt, bedauert Präses Nikolaus Schneider. Angesichts der Wirtschaftskrise und zu erwartender wachsender Arbeitslosigkeit sei zu befürchten, dass diese Zahl weiter steige. Mit ihrer Initiative gegen Kinderarmut wollen Kirche und Diakonie Handlungsstrategien entwickeln, um Kindern bessere Zukunftschancen zu ermöglichen. Nötig seien etwa niedrigschwellige Unterstützungs- und Beratungsangebote für Familien im sozialen Nahraum, eine gebührenfreie Kinderbetreuung und Lernmittelfreiheit, sagte Schneider.
Bei der Veranstaltung in Betzdorf werden verschiedene Projekte zur Bekämpfung der Kinderarmut vorgestellt. Ein Impulsreferat von Ulrich Hamacher (Diakonisches Werk Bonn/Bad Godesberg) "Was kann man auf örtlicher Ebene tun, um auf Kinderarmut angemessen zu reagieren?" schafft zudem Basiswissen.
Verschiedene Werkstätten mit heimischen Akteuren und Moderatoren - etwa über das Angebot einer "Tafel plus" wie in Betzdorf oder die Arbeit mit Kleinkindern oder Jugendlichen im Kirchenkreis - erlauben den Teilnehmern, sich intensiv mit der Thematik und Handlungsmöglichkeiten vor Ort zu beschäftigen.
Mit den Regionalkonferenzen zur Kinderarmut soll der Beschluss der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EkiR) vor Ort "geerdet" und die Arbeit in den Regionen mit Impulsen für Projekte angereichert werden. Innerhalb der Kampagne "Chancenreich" sind Regionalkonferenzen außer in Altenkirchen auch in Gummersbach, Essen, Jülich und Simmern geplant. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe hat zudem ein Internetportal zum Aktionsprogramm gestartet, das gute und ermutigende Beispiele der Arbeit gegen Kinderarmut aus der rheinischen Kirche vorstellen soll. Unter www.diakonie-rwl.de/chancenreich können Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen Anregungen bekommen und selbst Projekte präsentieren.
Armutsforscherin Uta Meier-Gräwe forderte bei der Auftaktveranstaltung der Regionalkonferenzen eine armutspräventiv angelegte Familien- und Bildungspolitik im Sozialraum. Notwendig seien lokale, differenzierte und vernetzte Betreuungs-, Bildungs- und Hilfssysteme. Sinnvoll wären Vor-Ort-Angebote der sozialen Dienste etwa an Kindertagesstätten, wo die Menschen mit ihren Problemen erreicht würden. Die Wissenschaftlerin der Universität Gießen verwies außerdem auf die entscheidende Bedeutung der Bildung bei der Vermeidung von Armut. Angesichts der demografischen Entwicklung nannte sie es mehr als fahrlässig, wenn zwischen 20 und 30 Prozent der nachwachsenden Generation bildungsarm blieben und in der Folge auf staatliche Transferleistungen angewiesen seien.
Problematisch ist nach Einschätzung des rheinischen Diakonie-Vorstandsmitglieds Uwe Becker, dass viele Kommunen angesichts ihrer Finanzprobleme kaum Handlungsspielräume für freiwillige Angebote wie etwa die Unterstützung von Kinderfreizeiten haben. Änderungen in der Finanzierungsstruktur sozialer Programme forderte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. "Prävention darf nicht bestraft werden", sagte der Dormagener Bürgermeister. So sei es in seiner Stadt gelungen, durch Sprachförderung die Zahl der Kinder mit Sprachentwicklungs-Störungen deutlich zu senken - mit der Folge, dass die Fördermittel gestrichen wurden, weil es ja kein Problem mehr gebe. (pes)