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Größtmögliche Koalition, wenn's um Behinderte geht
Die Parteien gingen auf Schmusekurs. Auch der Wahlkampf, dessen heiße Phase längst begonnen hat, vermochte keine Diskussion zu entfachen. Dazu barg das Thema Integration von Behinderten zu viele gleiche Ansichten. Die Lebenshilfe hatte in ihre Räume in Flammersfeld zu einer Podiumsdiskussion geladen. Kontroversen blieben allerdings aus. Stattdessen gab es Statements von den Kandidaten für den Bundestag - und für das engagierte Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Flammersfeld. Sabine Bätzing, SPD-Bundestagsabgeordnete und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, ließ gleich zu Beginn ihrer Ausführungen keinen Zweifel daran, dass "es Ziel der Gesellschaft sein muss, ohne Angst verschieden zu sein." Es müsse jetzt gelingen, Behinderte in die Gesellschaft mit einzubinden. Dazu, so Bätzing, sei ein nationales Aktionsprogramm erforderlich.
Es gelte, Forderungen der Vereinten Nationen umzusetzen. Dabei sei es besonders wichtig, dass Behinderte von Anfang an keine Sonderrolle spielen müssen. Bätzing wörtlich: "Wir müssen die Trennung von Anfang an überwinden. Wenn Behinderte erst im jugendlichen Alter sind, ist es oft zu spät." Auch die Teilnahme am Arbeitsleben, so die Abgeordnete, müsse erleichtert werden. Hier sei "einiges an Nachholbedarf" zu verzeichnen. In diesem Zusammenhang forderte Bätzing die Stärkung der Verbände, verbunden mit der Einbeziehung in politische Entscheidungen.
Elke Hoff von der FDP schloss sich den Ausführungen ihrer Vorrednerin an und stellte noch einmal heraus, wie wichtig es sei, im Umgang mit Behinderten auch die "leichte Sprache" zu pflegen. Ziele der Parteien müssten vereinfacht dargestellt werden. "Wir besitzen", so Elke Hoff, "immer noch nicht genug Bewusstsein für die Behinderten." Fördermaßnahmen seien schön und gut, es gelte aber, "die Barrieren im Kopf abzubauen". Viele Menschen seien immer noch nicht in der Lage, Behinderten ohne Vorurteile zu begegnen. In Holland, führte die FDP-Kandidatin aus, werde man mit "solchen Problemen viel leichter fertig".
Erwin Rüddel (CDU) brachte als positiven Aspekt ein, dass die Arbeitslosigkeit bei Behinderten in der letzten Zeit gesunken sei. Grund hierfür sei unter anderem die Tatsache, dass Arbeitgeber, welche Behinderte einstellen, auch finanzielle Vorteile zu erwarten hätten. Die Förderinstrumente, so Rüddel, "sind allerdings immer noch nicht effektiv genug". Wichtig sei, dass die Hilfen ohne Bürokratie "aus einer Hand" erfolgen. Bei der Hilfe für Behinderte seien noch viele Fragen zu klären, so Rüddel. Dabei sei es wichtig, dass "die Leistungen den Menschen folgen, nicht der Mensch den Leistungen".
Hildegard Lingnau (Grüne) gab sich in ihren Ausführungen nicht als "Expertin". Sie sah sich als „ehrenamtliche Helferin und engagierte Bürgerin“. Ihr Ziel ist es, "denjenigen eine Stimme zu geben, die keine Stimme haben". Eben Engagement für Behinderte, welche sich selbst nicht artikulieren können. "Behinderte", so Lingnau, "gehören mitten in die Gesellschaft und nicht an den Rand". Dabei gelte es manchmal, Veränderungen zu erzwingen. Lingnau: "Wir können nicht alles auf die Zeitschiene setzen...
lcay Kanmaz, der als letzter Redner der Parteien zu Wort kam, hob hervor, wie schwer die Bedingungen für Behinderte bei der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sind. Er unterstrich das Recht auf Selbstbestimmung der Behinderten und beharrte auf der Durchsetzung von Chancengleichheit. Auch Kanmaz sprach davon, dass die "Barrieren in den Köpfen" abgebaut werden müssen. Allerdings ließ der Bundestagskandidat keinen Zweifel daran, "dass wir nach der Wahl wieder sagen müssen, dass eigentlich nicht viel getan wurde".
Rita Hartmann von der "Lebenshilfe" hatte dem Publikum mit moderaten Worten einen guten Einstieg in die Thematik vermittelt. Die vielen Fragen an die Bundestagskandidaten zeigten das hohe Engagement der vielen Zuhörer in Flammersfeld und bewiesen einmal mehr, wie groß der Handlungsbedarf im Umgang mit Behinderten eigentlich ist. (Werner Wenzel)
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Legten die Ansichten ihrer Parteien dar und beantworteten die Fragen engagierter Zuhörer (von links): Erwin Rüddel (CDU), Olcay Kanmaz (Linke), Hildegard Lingnau (Grüne), Sabine Bätzing (SPD), Moderatorin Rita Hartmann und Elke Hoff (FDP). Foto: Werner Wenzel
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