200 Jahre Raiffeisen: Die Genossenschaftsarbeit heute
Im Rahmen des Festtages zum Raiffeisen-Jahr 2018 fand am Sonntag, 18. März, ein Vortrag im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Hamm/Sieg statt. Zum Thema „Raiffeisen 4.0 - Perspektiven der Genossenschaftsarbeit heute“ referierte Frau Dr. Ingrid Schmale von der Universität zu Köln.
Hamm. Der Festtag war gespickt mit Veranstaltungen rund um den Begründer der Genossenschaftsbewegung, Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, der vor 200 Jahren das Licht der Welt in Hamm an der Sieg erblickte und von dort aus seine Idee in die ganze Welt trug.
Um 15 Uhr fand ein festlicher Gottesdienst in der Tauf- und Konfirmationskirche Raiffeisens statt, der vom Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, gehalten wurde.
Zur Vergangenheit, Entwicklung und Zukunft der Genossenschaftsarbeit referierte anschließend die Soziologin und Volkswirtschaftlerin Dr. Ingrid Schmale vom Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln. Sie war in Vertretung für den erkrankten Prof. Hans-Hermann Münkner gekommen. „Organisiert euch in Genossenschaften“ lautete der Titel des Vortrags. Schmale gewährte einen umfangreichen Einblick in das Genossenschaftswesen und seine Anfänge sowie seine Perspektiven in der Zukunft.
Was 1844 zunächst mit Produktivgenossenschaften in Frankreich begann, führte sich 1844 in England als Konsumgenossenschaften fort und nicht zuletzt dem Westerwälder Friedrich-Wilhelm Raiffeisen kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn es um die Etablierung des Genossenschaftsgedanken in der ganzen Welt geht. Raiffeisen ist, auch wegen der Gründung der Volks- und Raiffeisenbanken, heute eine weltweit bekannte Marke.
Raiffeisens Genossenschaftsprinzipien haben noch heute ihre Gültigkeit und dienen als Grundlage für Genossenschaftsgründungen. Hierbei geht es darum, in sozialem Bewusstsein und vor allem nachhaltig zu handeln und aus diesem Grund wird die genossenschaftliche Wirtschaftsweise auch der kapitalistischen Wirtschaftsweise entgegengestellt.
Bei der Genossenschaftsarbeit geht es im Wesentlichen um demokratische Strukturen im Gegensatz zur herrschaftlichen Sozialstruktur, Gleichberechtigung, Verbraucherschutz sowie Erziehung und Bildung. Die drei „S“ bilden den Grundstein des Genossenschaftswesens: Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Raiffeisen war es immer wichtig, eine regionale Verbundenheit zu schaffen. Aus diesem Grund war pro Kirchengemeinde eine Genossenschaft vorgesehen. Das sollte Vertrauen und Sicherheit schaffen, schließlich wurden Kredite vergeben und man wollte sichergehen, dass das Geld auch wieder zurückgezahlt wurde.
Dr. Schmale ging abschließend darauf ein, in welchen Lebensbereichen uns tagtäglich Genossenschaften begegnen. Die Antwort: Im Grunde überall. Ob in der eigenen Wohnung, die vielleicht zu einer Wohnungsgenossenschaft gehört, beim Bäcker, der einer Bäckergenossenschaft angehört oder beim Hausarzt, der in einer Ärztegenossenschaft organisiert ist.
Genossenschaften bewirken, dass eigentlich gegenüberstehende Parteien in einer Genossenschaft integriert werden und so der Kunde und Konsument gleichzeitig auch Anteilseigner ist. Sie fordern in besonderem Maße gesellschaftliches Engagement, bieten daher jedoch eine besonders menschennahe Wirtschaftsmöglichkeit.
„Genossenschaften sind kleine Antworten auf große Fragen“. Ob Dorfläden, kommunale Kindergärten oder die ärztliche Versorgung auf dem Land – auf alle Fragen und Probleme, die besonders in ländlichen Gebieten auftauchen, kann die Genossenschaft eine Antwort sein.
Ingrid Schmales Fazit? Um eine Brücke zum Ausgangsthema „Raiffeisen 4.0“ und damit der Digitalisierung zu schlagen, verwies sie auf das Internet. Trotz aller Digitalisierung sei die menschliche Begegnung auf Dauer nicht zu ersetzen und Genossenschaften spielten dabei eine wichtige Rolle. Sie können für eine bessere Welt sorgen, besonders wenn sie für die eigene Region handeln. Im Anschluss fand eine Diskussionsrunde statt, bei dem das Publikum die Gelegenheit für einen regen Austausch erhielt. (rst)
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