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Nachricht vom 14.09.2009    

Mit 30.000 Litern Milch Wiese "gedüngt"

Discounter, Verbraucher, Molkereien - alle haben derzeit eine Lobby in Brüssel und Berlin, wenn es um Milch geht. Am Ende der Kette sitzen die Produzenten für Milch, sie legen pro Liter erzeugte Milch derzeit 23 Cent dazu. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht, die Bauern wollen und können dies nicht mehr hinnehmen. Bei der Protestaktion im Wisserland wurden 30.000 Liter Milch als Düngemittel eingesetzt.

Region/Wissen. Mehr als 30.000 Liter Milch wurden am Montag Nachmittag aus Güllefässern als Dünger auf die abgemähte Wiese von Bernd Schlechtriemen an der B 62 in Höhe von Hof Staade von wütenden heimischen Milchbauern ausgebracht. Es war der verzweifelte - und öffentlichkeitswirksame - Protest der Milcherzeuger aus der Region. Etwa 30 Landwirte waren mit den Traktoren gekommen und aus den Güllefässern floss die Milch.
Es war kein organisierter Streik, machten die Landwirte deutlich. Auch der Bund Deutscher Milcherzeuger (BDM) hat nicht zum Streik aufgerufen. Dies wurde im letzten Jahr per Gerichtsbeschluss verboten.
"Aber wir sind solidarisch mit den Landwirten in Frankreich und Belgien, die seit dem 10. September in einen Lieferboykott getreten sind", sagen die anwesenden Milcherzeuger unisono. Die Milch als Dünger - so manchem Erzeuger geht das schon sichtbar nahe. Aber den Landwirten steht das Wasser bis zum Hals. Sie produzieren ein hochwertiges Lebensmittel und bekommen dafür zurzeit 20 Cent pro Liter. Um kostendeckend produzieren zu können, müssten sie aber mindesten 43 Cent bekommen.
"Wir geben zu jedem Liter 23 Cent hinzu, das geht nicht mehr, viele von uns sind am Ende", schimpfen die Bauern. Es ist eine völlig verfehlte EU-Politik, die die Bauern an den Rand des Ruins treibt. Mit ein Grund, warum die französischen und belgischen Milcherzeuger schon seit Donnerstag ihren Lieferboykott ausweiten. Die deutschen Milcherzeuger im Westerwald und entlang der Sieg haben nicht nur die Schnauze gestrichen voll, sie haben Angst um ihre Existenzen.
Im letzten Jahr hieß es noch, die Weltmärkte würden die erzeugten Liefermengen aufnehmen, dann kam die Krise und die Marktentwicklung wurde eine völlig Andere.
Anstatt die Milchquote angesichts des Preisverfalls zu senken, wurde sie erhöht. Noch mehr Milch zu Dumpingpreisen. Am Anfang stehen die Erzeuger. Denen laufen aber die Produktionskosten davon.
In den Gesprächen der Protestler wird dies deutlich. Sie wollen nur soviel Milch produzieren, wie gebraucht wird und zwar ohne Steuergelder. "Was wir brauchen sind flexible Liefermengen, faire Preise und die Senkung der Milchquote", so die Forderung.
"Wir haben hier die Subventionen, unsere Produkte überschwemmen die Märkte der Dritten Welt und zwingen dort die Bauern mit fünf oder zehn Kühen zur Aufgabe und treiben die Menschen in den Ruin. Dann wird mit Steuergeld dort Entwicklungshilfe geleistet. Das alles ist doch Irrsinn und muss ein Ende haben", regt ein junger Landwirt, der mit der ganzen Familie am Protest teilnimmt, an. "Wir müssen weg von den Fördermitteln. Dafür muss die Milchquote so flexibel gestaltet werden, dass wir davon leben können", sagt er.
Die Preispolitik der großen Discounter gerät ebenfalls in die Kritik. Der Preisverfall sei jetzt wieder einmal offensichtlich. Im letzten Jahr wurden von den großen Handelsketten die Preise angehoben, als es auf den Märkten nach dem Lieferboykott eng wurde. Die machten jetzt alle gemeinsame Sache mit der Politik, mit den Verbänden, den Molkereien und der Leidtragende sei der Erzeuger.
Mit der Einführung des European Milk Board (EMB) und der Hochpreisphase Ende 2007 hatten viele Betriebe investiert, weil sie eine Chance sahen. Dabei musste der eine oder andere auch einen Kredit aufnehmen. Diese Kredite können jetzt nicht mehr bedient werden - das Ende droht.
Der europaweite Milchstreik dehnt sich aus. Das EMB meldete am Sonntag eine Ausdehnung des Streiks auf Deutschland und Österreich. Im Westerwald und an der Sieg gab es in Wirges/Dierdorf und in der Nähe von Weyerbusch ähnliche Proteste wie in Staade. (hw)
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Mehr als 30.000 Liter Milch wurden aus Protest gegen die EU-Preispolitik auf die Wiese als "Dünger" geschüttet. An der Aktion beteiligten sich rund 30 Milcherzeuger der Region. Fotos: Helga Wienand



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