Ein Flöckchen zu Ostern
Flöckchen war erst wenige Minuten alt, als unsere Mitarbeiterin Gaby Wertebach die Schäfer Frank und Gabriele Klein besucht. Sie berichten vom Alltag der Wanderschäfer, von Kostendruck, von apathischen Schafen und der Leidenschaft für ihren Beruf. Die Kuriere wünschen allen Leserinnen und Lesern, Werbekunden und Geschäftspartnern mit dieser Geschichte „Frohe Ostern!“
Nochen. In der Regel bekommen Schafe ihre Lämmchen alleine und ohne menschliche Hilfe. Etwa 20 Minuten nachdem die Fruchtblase zu sehen ist, wird das Lamm geboren. Das Mutterschaf riecht am Neugeborenen, diesen Geruch hält es rund zwei Stunden im Gehirn. Anschließend kann die Mutter ihr Junges aus tausend Schafen herausriechen wie auch das Junge die Mutter.
Eine schöne Überraschung erlebte die Mitarbeiterin des AK-Kurier eine Woche vor Ostern Freitagnachmittag auf einer Wiese oberhalb von Nochen in der Verbandsgemeinde Wissen, wo die Wanderschäfer Gabriele und Frank Klein aus Langenbach derzeit ihre rund 600 Tiere, davon 130 Lämmer, weiden. Ganz frisch auf der Welt, vielleicht gerade mal 15 Minuten jung, feucht und erschöpft und mit den allerersten Eindrücken konfrontiert, unternimmt ein kleines Osterlämmchen seine ersten Gehversuche. Tapsig kommt es auf die Mitarbeiterin zu, steckt sein Köpfchen zwischen ihre Knie und lässt sich kraulen. Das passt der Lamm-Mama überhaupt nicht, die lautstark nach ihrem Kind ruft und recht hektisch wird. Frank Klein greift sofort ein, hilft dem Kleinen nach dem Euter zu suchen, um die ersten Tropfen Milch zu trinken- und es klappt. Die ersten sechs Stunden sind die wichtigsten, in diesem Zeitraum wird die erste Muttermilch, welche die lebenswichtigen Abwehrstoffe enthält, verabreicht. Diese Milch heißt Biestmilch. In den zweiten sechs Stunden kann das Lamm nur noch die Hälft der Abwehrstoffe, die in der Biestmilch enthalten sind, aufnehmen.
Das Lamm kriegt einen Namen: Flöckchen
Um das Osterlämmchen, das wir kurzfristig Flöckchen getauft haben, brauchen sich die Kleins nicht zu sorgen und die dazugehörige Mama auch nicht. Es kommt jetzt erst einmal für eine Woche in den warmen Stall und darf dann schon mit den Großen auf die Weide. Hütehund Bella, acht Jahre alt, ist immer mit dabei. Sie hält die Herde zusammen, gibt Acht, dass keines der Tiere ausbüxt. „Sie ist unsere Beste“, so Gabriele Klein, und fast könnte man meinen, dass die anhängliche Bella versteht was sie sagt. Die Minusgrade der letzten Tage machen Mensch und Tier nicht so viel zu schaffen wie die teils brütende Sommerhitze. „Dann sind die Schafe apathisch“, so Gabriele Klein.
So schön das Leben in der freien Natur ist, so schwer ist es auch. Im Herbst, Winter und jetzt um Ostern ist alles kein Problem. Da können die Tiere auf die Felder der Bauern. Kritisch wird es im Sommer. Die Flächenprämie, über die schon viel berichtet wurde, macht den Wanderschäfern zu schaffen. „Wenn das nicht wäre“, so Gabriele Klein, „gäbe es für uns so viele Flächen, die könnten wir nicht alle bewirtschaften“. Die Kleins haben die Thematik auf ihrer eigenen Webseite zusammengefasst.
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Fünf bis sechs Kilometer täglich unterwegs
Täglich laufen Gabriele und Frank Klein mit ihren Tieren fünf bis sechs Kilometer. „Immer nur so weit wie möglich. Wir haben eine große Verantwortung, wichtig ist, dass die Tiere satt werden“, berichtet der Schäfer. „Die ersten Frühjahrslämmchen sind ja schon da und mit denen können wir nicht mehr so weit laufen“, ergänzt Gabriele Klein.
Mitte Mai ist das Scheren angesagt, was rund eine Woche dauert und bei den Kleins in Eigenarbeit erledigt wird – aus Kostengründen. Die Wolle wird verkauft, der Preis dafür ist niedrig. Wenn eine Schererkolonne die Arbeit übernimmt, sind die reinen Schurkosten schon erheblich höher als der Gewinn. Ohne Flächen- und Betriebsprämie ist das Überleben schwer. Trotzdem machen die Schäfer ihren schweren Job, den sie von Kindesbeinen an ausüben, gerne. Sie wollen nichts anderes machen, fühlen sich zu Hause wie eingesperrt.
Gefahren drohen fast überall
Abends wird ein Elektrozaun aufgebaut, um die Tiere zu schützen. Mittlerweile ist auch die tägliche Angst vor dem Wolf da. „Früher lebten fast alle von der Landwirtschaft“, so Frank Klein. „Wenn der Wolf kam und hat den Stall leergeräumt, das war ein Drama. Deshalb wurden die Wölfe praktisch ausgerottet.“ Mannigfaltige Gefahren lauern überall. Alleine die Steilhänge sind gefährlich, da reichen schon 30 bis 40 Meter: die Tiere brechen die Beine, fallen übereinander und ersticken. Da kann es im ungünstigsten Fall passieren, dass die Schäfer in einer Nacht um ihre Existenz gebracht werden.
Die Wanderschäfer sind bei jedem Wetter von Januar bis Dezember mit ihren Tieren draußen unterwegs. Die haben es auf der Weide gut gehabt und das soll am Ende nicht anders sein. Die Lämmer werden verkauft an Händler oder an den Schlachthof, wohin sie mit dem LKW gebracht werden. Dabei werden keine weiten Wegstrecken zurückgelegt. Absolut artgerechte Schlachtung ist den Kleins wichtig. Da ist eine Geburt wie die von Flöckchen immer wieder berührend, wenn natürlich auch nicht jedes der Tiere einen Namen bekommt. „Trotzdem, die haben alle verschiedene Gesichter und Frisuren“, so Gabriele Klein, der deutlich anzumerken ist, wie gerne sie die Tiere hat.
An Ostern ist Flöckchen groß genug, den Stall und auch die Weide aufzumischen, und wer weiß, beim nächsten Besuch kann es vielleicht schon eigene Lämmchen als Osterschäfchen präsentieren. (GW)
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