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"Ich liebe die deutsche Jugend und komme gerne"
Als "Hitlerjunge Salomon" wurde Salomon Perel mit seinem Buch und der späteren Verfilmung weltberühmt. Zweimal im Jahr kommt der heute 84-Jährige Sally Perel nach Deutschland und sucht den Kontakt mit der Jugend. Er war zu Gast am Kopernikusgymnasium Wissen und mehr als 200 Gäste lauschten seinem beeindruckenden Vortrag, darunter auch Landrat Michael Lieber. Ein Zeitzeugenbericht aus dem Dritten Reich um den ungewöhnlichen Kampf für das Überleben, den man so schnell nicht vergessen wird.
Wissen. Sally Perel, 84 Jahre alt, fesselte mehr als 200 Gäste in der Sporthalle des Kopernikusgymnasiums Wissen am Dienstagabend. Er wurde mit der Autobiografie "Ich war Hitlerjunge Salomon" weltberühmt. Die Veranstaltung in Wissen wurde möglich, weil sich die Geschichtslehrer Winfried Möller-Rosenbaum und Michael Loth sehr dafür eingesetzt hatten. Neben der öffentlichen Lesung mit Perel stand zusätzlich eine schulinterne Veranstaltung für die Jahrgangsstufen 9 bis 13 auf dem Besuchsprogramm.
„Es ist für mich Berufung und Mission im Namen der Kinder zu sprechen, die vergast und zu Asche wurden. Das darf niemals vergessen werden“, sagte Perel dem AK-Kurier auf die Frage zur Intention, zweimal im Jahr die Reise von Israel nach Deutschland anzutreten und überwiegend in Schulen aufzutreten. „Die Kraft dafür bekomme ich aus den Veranstaltungen mit den jungen Leuten“, schmunzelte Perel, und erzählte begeistert von einer Veranstaltung zum Wochenbeginn in Wilnsdorf.
Möller-Rosenbaum und Loth begrüßten die Gäste, darunter Landrat Michael Lieber, die 2. Beigeordnete Kerstin Breidenbach und die Vertreter der Politik. „Es ist uns eine besondere Ehre Sally Perel begrüßen zu dürfen“, sagte Möller-Rosenbaum. Die Zeitzeugenbefragung habe in den letzten Jahren einen Boom erlebt, sie sei enorm wichtig, den Zeitzeugen seien Weltlehrer. „Sie lassen uns teilhaben an ihrem Leben und ihrem Leid, sie machen Mut für die Zeit, in der wir leben und wo die Tendenzen von Rassismus und Faschismus wieder neue Nahrung erhalten“, so Möller-Rosenbaum.
Mit einem temperamentvollen „Shalom und Salem Aleikum“ begann Perel den Vortrag, der die Zuhörer mitnahm auf die Reise in die Vergangenheit des einstigen Hitlerjungen Salomon. Aber auch der Blick auf die Gegenwart fehlte nicht und der Appell Perels zu einem gerechten Frieden zwischen Palästina und Israel.
Sally Perel verstand es, mit schlichten einfachen Worten die Zuhörer mitzunehmen in eine Zeit, die wie keine andere Epoche die Welt veränderte und das Verhältnis Deutschlands zu anderen Staaten und Völkern auf Dauer prägte. Perel überlebte den Judenhass und die Verfolgung der Nazis als Hitlerjunge in Braunschweig, jede Stunde seines Lebens war geprägt von der Angst vor Entdeckung. „Vier Jahre auf dieser HJ-Schule sind heute noch in meinem Leben gegenwärtig, der Hitlerjunge Salomon (damals Josef) und ich leben heute noch zusammen“, sagte Perel. Er beschrieb den Hass und die Fundamente der damaligen Rassenlehre, die sich ins Hirn einbrannten. Und er beschrieb die andere Seite, den Stolz auf die Uniform, die Wirkung des Zeitgeistes jener Tage die ihn überzeugt hatten. „Uns wurde jeden Tag Gift ins Gehirn geträufelt, es beeinflusste mein ganzes Leben“ schilderte Perel die Erfahrungen aus jener Zeit.
Zehn glückliche Kinderjahre verbrachte Perel in Peine. Das traumatische Erlebnis, als der Schulleiter den Jungen in der 3. Klasse aus der Schule verwies (Wir unterrichten keine Juden) schilderte der 84-Jährige mit einer Intensität, die unter die Haut ging und den Atem stocken ließ. Die Flucht nach Lodz (Polen) mit den Eltern, die erneute Flucht mit dem Bruder vor der deutschen Wehrmacht - Perel erzählte von diesen entscheidenden Stationen seines ungewöhnlichen Lebens. Dem Wunsch der Mutter folgend (Sally, du sollst leben) wurde die Lüge sein Begleiter. Als Dolmetscher für polnisch und russisch an der Front verschleierte er seine wahre Identität und wurde Josef (Jupp) Perfjel. Die beklemmenden Situationen des Jahres 1941, als ein Homosexueller, der den Jungen bedrängte, und ihn nicht trotzdem nicht verriet, schilderte Perel. Sein Weg führte ihn von der Front an die HJ-Schule nach Braunschweig, Henriette von Schierach hatte sich dafür eingesetzt. Hier kämpfte der Junge gegen Engländer und Amerikaner bis zum bitteren Ende. „Das Kriegsende brachte die Aufklärung zu all den Gräueltaten und zeigte auch die Instrumentalisierung der deutschen Jugend in seiner ganzen Verderbnis“, führte Perel aus. „Jedes politische System versucht die Jugend so zu formen wie sie sie braucht, die Jugend muss lernen kritisch zu denken“, meinte Perel. „Solange der Hitlerjunge in mir noch lebendig ist, werde und kann ich nicht schweigen“, sagte er abschließend.
Perel suchte seine Familie, nur die Brüder Isaak und David hatten den Holocaust überlebt. Er ging nach Israel, kämpfte dort für den noch jungen Staat erneut in der israelischen Armee. Er brauchte viele Jahre um in sein Mutterland zurück zu kehren, Israel wurde nach seinen eigenen Worten das Vaterland. „Ich liebe die deutsche Jugend und ich komme gerne nach Deutschland“, versicherte Perel glaubhaft.
Die Buchsignierung und eine Diskussion mit den Gästen beendeten den Abend, den so schnell niemand vergessen wird. (hw)
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Salomon Perel (Mitte) kam zum Vortrag ins Kopernikusgymnasium nach Wissen auf Einladung von Winfried Möller-Rosenbaum (rechts) und Michael Loth. Fotos: Helga Wienand
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